Dortmunds reine Verhinderungstaktik geht schief, der BVB fliegt hochkant aus dem DFB-Pokal. Die Mannschaft offenbart so viele Probleme wie noch nie unter Trainer Edin Terzic, der wiederum seine Herangehensweise schleunigst überdenken sollte.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Wie man anders hätte agieren können als Borussia Dortmund mit seinem Angsthasen-Fußball bei der 0:2-Niederlage in Stuttgart zeigte: Borussia Dortmund. Nach der x-ten Großchance für den VfB durch den besten Fußballer auf dem Platz, Enzo Millot, entdeckte der BVB nach knapp einer Stunde plötzlich den Offensivfußball für sich und spielte 15 Minuten lang tatsächlich auf Augenhöhe mit seinem Gegner.

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Dortmund hatte in dieser Phase den Ball am Fuß und etwas, das entfernt an einen offensiven Plan erinnerte. Zwangsläufig kam es auch zu gefährlichen Torannäherungen und sogar ein Treffer wollte gelingen – der wegen einer knappen Abseitsstellung aber keine Anerkennung fand.

In dieser Viertelstunde des Achtelfinalspiels in Stuttgart spielte der BVB wie der BVB, davor und danach wie ein Zweitligist, der sich in einem Pokalspiel gegen einen Bundesligisten nur irgendwie ins Elfmeterschießen retten will.

Dortmunder Angsthasen-Fußball wird bestraft

Die letzte heftige Abfuhr beim VfB Stuttgart war keine vier Wochen her, der Leistungsunterschied im Ligaspiel Mitte November so spektakulär groß, dass eine Wiederholung fast unmöglich schien. Und doch belehrte der BVB seine Fans und alle anderen Beobachter mit der nächsten Nichtleistung in Stuttgart eines Besseren.

Das Ligaspiel sollte ein Ausrutscher bleiben, alle Dortmunder Beteiligten gelobten vor dem K.o.-Spiel im Pokal hochheilig Besserung. Trainer Terzic kramte dafür die am Sonntag in Leverkusen erprobte und zumindest in Teilen probate Defensivtaktik wieder hervor und gab den Plan aus, aus einer tiefen Verteidigungsposition sofort tief in die Spitze auf drei schnelle Angreifer zu spielen, um den riskanten Stuttgarter Fußball so aus den Angeln zu heben. Seine vier gefährlichsten Angreifer ließ Terzic dagegen zu Beginn auf der Bank.

Der Trainer benötige dafür seine Mittelfeldformation im 5-4-1 lediglich als defensives Bollwerk, gestalterische Aufgaben blieben Aufgabe der beiden Außenverteidiger. Oder Mats Hummels sollte einen seiner gescheiten Pässe aus dem Fußgelenk schütteln. Der Rest war Verteidigen.

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Mehr Probleme als je zuvor

Man muss schon sehr lange zurückdenken, wann zuletzt in zwei Spielen in Folge eine Dortmunder Mannschaft einen derart destruktiven, belanglosen fußballerischen Ansatz gewählt hat. Man kommt dann vermutlich bei Thomas Doll an, also in der Zeit vor dem Übervater Jürgen Klopp. Das war vor 15 Jahren.

Terzics Ansatz war angesichts der spielerischen Überlegenheit der beiden vergangenen Gegner sogar ein Stück weit nachvollziehbar. Was diese Verhinderungstaktik aber mit dem ohnehin schon angeknacksten Selbstvertrauen einer Mannschaft auf der Suche nach sich selbst macht und wie das bei den Spielern ankommt, liegt auf der Hand. Mats Hummels konnte am Mittwochabend mehrfach nur noch resignierend den Kopf schütteln, nach einem guten halben Dutzend Ballverluste schon im tiefen Aufbau lag es lediglich an der Stuttgarter Schludrigkeit, dass die Borussia wie schon vor einigen Wochen nicht fünf, sechs oder sieben Tore kassierte.

Ein vernichtendes Fazit für eine Mannschaft, die sich über die Defensive definieren wollte. Daran ist der BVB jedenfalls kläglich gescheitert und hat jetzt mehr Probleme als je zuvor unter Terzic. Das Zwischenhoch mit dem vorzeitigen Einzug in die K.o.-Runde der Champions League ist längst vorbei, die Realität zeigt ein von anderen Bundesliga-Mannschaften abgehängtes Dortmunder Team.

Terzics Pragmatismus und den bloßen Ergebnisdruck in allen Ehren: Aber so wie derzeit darf sich eine Mannschaft wie Borussia Dortmund nicht präsentieren. Der BVB droht sich in diesen Wochen selbst zu entkernen, weil er sich viel kleiner macht als er ist. In der Sommerpause mögen die Transfers zu eindimensional gewesen sein und auch die lange Verletztenliste ist ein Baustein für die aktuellen Probleme. Aber auch mit den Spielern, die in Stuttgart dabei waren, lässt sich ein anderer Fußball spielen, muss sich ein anderer Fußball spielen lassen.

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Kapitän Can zürnt: "Eine Katastrophe"

Niclas Füllkrug wagte sich vor ein paar Wochen nach der deprimierenden Leistung in Stuttgart schon aus der Deckung, kritisierte in einem Interview nach dem Spiel die Spielausrichtung und deren Umsetzung. Der Nationalspieler musste seine wenig versteckte Kritik danach mühsam und wohl auf Anraten wieder einsammeln.

Wie sehr Füllkrug aber schon damals richtig lag, zeigten spätestens jetzt die Reaktionen anderer Spieler. Emre Can sprach von "einer Katastrophe" und forderte wie Gregor Kobel eine An- oder Aussprache.

Dafür wird es in der Tat allerhöchste Zeit. Die Borussia steht vor explosiven Tagen, die kommenden Aufgaben haben es weiter in sich und wie diese Mannschaft selbst gegen Augsburg und Mainz Tore erzielen will, bleibt schleierhaft. So einfach den Schalter umzulegen vom Verteidigungs- in den Angriffsmodus dürfte schwerfallen, das hat nun nicht nur das Aus im DFB-Pokal gezeigt.

Die Borussia braucht wieder Borussen-Fußball. Was sie nicht braucht, ist eine weitere Verzwergung ihrer immer noch passablen Mannschaft. Am besten schon am kommenden Samstag, im Topspiel gegen RB Leipzig.

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