So oft hat es das selbst im merkwürdigen Zirkus Profifußball noch nicht gegeben: Ein Trainer wechselt seinen Arbeitgeber - und gleich drei Vereine geben eine Erklärung an die Presse ab.

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Noch bevor Red Bull Salzburg und Bayer Leverkusen den Transfer von Trainer Roger Schmidt bekannt geben konnten, posaunte im eigentlich unbeteiligten Frankfurt Eintrachts Sportdirektor Bruno Hübner die Nachricht als erster heraus. Frankfurt war ebenso wie Bayer Leverkusen hinter Schmidt her, und ziemlich sicher hatte auch der VfB Stuttgart seine Späher und Unterhändler längst entsandt, um einen 47-jährigen Bundesliganovizen zu locken.

Dass Schmidt seine Arbeit in Salzburg nach der erfolgreichsten und spektakulärsten Saison der noch jungen Vereinsgeschichte so abrupt abbrechen würde, war allenfalls zu erahnen. Erst vor vier Monaten hatte er seinen Kontrakt bis 2016 verlängert.

Gerne wird im Fußball darüber philosophiert, welche Handschrift ein Trainer seiner Mannschaft verpasst. Die von Roger Schmidt in Salzburg sah in etwa so aus: Attraktiver, offensiv ausgerichteter Fußball mit Versatzstücken von aggressivem Nach-vorne-Verteidigen, hohem Laufaufwand und einer beherzten Zweikampfführung. Das Besondere an der Salzburger Mannschaft ist neben ihrem austarierten Spielstil die Tatsache, dass der Kader mit dem Geld von Schöpfer und Gönner Dietrich Mateschitz eben nicht wie bei anderen großzügig alimentierten Klubs des Kontinents einfach nur pompös aufgerüstet wurde, nach dem Motto "Geld schießt Tore". Vielmehr sind die Spieler von RBS die Diener ihres Systems - dem von Roger Schmidt und Sportdirektor Ralf Rangnick.

Red Bull hat endlich jenen Standard erreicht, der es dem Klub nach Jahren des vergeblichen Anrennens erlaubt, den Sprung in die Königsklasse des Fußballs zu schaffen. Und gerade jetzt geht der Trainer von Bord. Die heimischen Bundesligisten werden durchatmen: Vielleicht wird die kommende Saison ja wieder eine Veranstaltung auf Augenhöhe. Die "Bullen" dagegen fürchten nun nicht zu Unrecht, dass der Weggang Schmidts die harte Arbeit der letzten Monate auf einen Schlag zunichte machen könnte.

Roger Schmidt stolperte zum Auftakt

Auch unter Schmidt war nicht sofort alles gut. Bei seinem und Rangnicks Amtsantritt flog Salzburg in der Champions-League-Qualifikation gegen die Luxemburger Nobodys von F 91 Düdelingen aus dem Wettbewerb. In der Folge trimmten die beiden Deutschen die Salzburger aber auf Linie.

Zwar will Rangnick niemanden abgeben, dennoch besteht die Gefahr, dass es Schmidt einige Spieler nachmachen könnten. Der Glaube und das Vertrauen in den Trainer waren am Ende schier grenzenlos. Ein neuer Coach bringt neue Ideen mit und wird unweigerlich Dinge verändern (müssen). Das dauert dann wieder seine Zeit - und bedeutet womöglich eine neuerliche Saison ohne Champions League.

Es droht eine Abwanderungswelle

Einer Handvoll Spielern ist die heimische Liga schon jetzt zu klein geworden. Andre Ramalho, Florian Klein, Kevin Kampl, Sadio Mane, Jonatan Soriano und Alan: Die halbe Stammelf steht bei größeren europäischen Klubs am Zettel. In den Verhandlungen mit den Spielern fehlt Red Bull ohne Schmidt nun ein eins der größten Argumente.

Die alles entscheidende Person ist ab sofort Ralf Rangnick. Es gibt nicht wenige, die den Sportdirektor schon bisher für deutlich wichtiger halten als Schmidt. Rangnick ist das Gehirn hinter den Schachzügen des Trainerteams, hat die grundlegende Spielidee entwickelt und die dafür passenden Spieler nach Salzburg geholt. Jetzt muss er nicht den 25. oder 26. Spieler für den Kader finden, sondern den wichtigsten Posten im Gefüge einer Mannschaft neu besetzen - und zwar so, dass möglichst wenig Reibungsverluste entstehen und die fundamentalen Eckpfeiler der Spielausrichtung bestehen bleiben können. Er sucht nach einem Trainer, der sich anpassen kann - ohne dabei angepasst zu sein. Die Liste der möglichen Kandidaten ist kurz.

"Wir wollen innerhalb der nächsten zwei, drei Wochen - also wenn die Mannschaft noch beisammen ist und die Saison zu Ende spielt - einen neuen Trainer präsentieren", sagt Rangnick. "Wir werden einen Nachfolger suchen, der unsere Spielphilosophie sowie die Weise, wie wir zuletzt aufgetreten sind, konsequent fortsetzen wird."

Von den vielen schwierigen Entscheidungen in der jüngeren Vergangenheit des Klubs dürfte das die schwierigste überhaupt werden. Ralf Rangnick wird sie fällen. Wie es danach weitergeht, erscheint aber mehr denn je ungewiss.

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