War der TSV 1860 München ein Nazi-Verein? Diesen Eindruck gewannen die Zuschauer des Fußball-Dramas "Landauer – Der Präsident", das gestern in der ARD ausgestrahlten wurde. Im Film geht es um den ehemaligen Präsidenten des FC Bayern München, Kurt Landauer. Wir haben den Film in unserem Faktencheck unter die Lupe genommen.
Circa drei Millionen TV-Zuschauer (Marktanteil: 10,4 Prozent) sahen gestern in der ARD den Spielfilm "Landauer – Der Präsident". Im Untertitel wird die Person Kurt Landauer als "der Mann, der den FC Bayern erfand" beschrieben. Kurt Landauer war als Vereinspräsident eine der prägenden Figuren in der frühen Geschichte des FC Bayern München. Der von den Nazis verfolgte Jude war vor allem dafür verantwortlich, dass die Bayern nach dem 2. Weltkrieg wieder den Spielbetrieb aufnehmen konnten. Damit legte er den Grundstein für den späteren Erfolg des heutigen Rekordmeisters. Seine bemerkenswerte Geschichte wurde erst durch den Einsatz von Bayernfans, u.a. vom "Club Nr. 12" und der Ultra-Gruppe "Schickeria", wieder ins kollektive Gedächtnis gerufen.
Aufgrund der nötigen Dramaturgie weicht das TV-Format allerdings in einigen Teilen von der historischen Wahrheit ab. Wir haben drei zentrale Motive des Films auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft:
War der TSV 1860 München ein Nazi-Verein?
Der Film stellte den Lokalrivalen der Bayern, den TSV 1860 München, als Nazi-Verein dar. Die "Löwen" sollen von 1933 bis 1945 eng mit Hitlers Regime verbunden gewesen sein und sich dadurch Vorteile verschafft haben. Fakt ist: 1860 war ein Verein, der den Nazis nahe stand. Das bestätigen Historiker. Heute bekennen sich die Verantwortlichen zur düsteren Vergangenheit. "Es gibt keinen Grund, warum wir uns als Verein nicht der Geschichte stellen", sagt 1860-Geschäftsführer Markus Rejek der "Bild": "Dieses unrühmliche Kapitel hat der Verein unter anderem in dem Buch 'Die Löwen unterm Hakenkreuz' aufgearbeitet." Heute spricht sich der Verein gegen jede Art von Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus aus. Dennoch gab es auch es auch in jüngster Vergangenheit vereinzelt Probleme mit rechtsextremen Gruppen im Stadion.
Saß Landauer wirklich zusammen mit dem 1860-Chef im Gefängnis?
Eine Szene sticht im Film besonders heraus: Landauer und 1860-Präsident Alfred Radschuweit werden im Nachkriegs-München von der amerikanischen Militärpolizei verhaftet, da sie verbotenerweise ein Derby zwischen den beiden Lokalrivalen organisiert hatten. Die Szene ist jedoch reine Fiktion. Das sagt Drehbuchautor Dirk Kämper. Die beiden Präsidenten saßen nie zusammen im Knast. Die Szene sollte die Spannung gegen Ende des Films steigern.
Verschwand Landauer nach 1951 komplett von der Bildfläche?
Leicht verbittert tritt Kurt Landauer 1951 von der Fußballbühne ab und zieht sich ins Privatleben zurück. So zeigt es jedenfalls der Film. In Wirklichkeit betätigte sich Landauer aber etwas länger beim FC Bayern. Fußballhistoriker Dietrich Schulze-Marmeling sagt im Gespräch mit den "Westfälischen Nachrichten": "Landauer kehrte noch einmal zurück und hielt beispielsweise 1955 eine große Rede." Diese Episode fällt im Film der Dramaturgie zu Opfer. Danach geriet der "Erfinder des FC Bayern" aber tatsächlich in Vergessenheit. In Chroniken tauchte er kaum auf. Eine öffentliche Würdigung seiner Verdienste fand beim FC Bayern nicht statt. Erst die Bemühungen der Fans ließen die Erinnerung an den ehemaligen jüdischen Präsidenten aufleben. 2013 wurde er schließlich zum Ehrenpräsidenten ernannt.
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