Spielberg - Wenn das Ergebnis eines Formel-1-Rennens erst mehr als fünf Stunden nach der Zieldurchfahrt feststeht, muss etwas gehörig schiefgelaufen sein.
Weil rund 1200 Fälle mit dem Vorwurf des unerlaubten Verlassens der Strecke überprüft werden mussten, kam es im Nachgang des Grand Prix von Österreich zu einem noch nie dagewesenen Strafen-Chaos. Allein acht Fahrer wurden im Regel-Wirrwarr nachträglich sanktioniert, Rekordweltmeister
Bei jeder Einheit seit Freitag hatten die Fahrer auf dem Red-Bull-Ring große Schwierigkeiten, in den Kurven acht und neun nicht zu weit vom Kurs abzukommen. Sobald alle vier Räder die Fahrbahnmarkierung überschreiten, ist das verboten. Nirgendwo sei es so schwer, innerhalb der Pistengrenzen zu bleiben wie in der Steiermark, hatte Weltmeister
"Beispiellose Situation"
Hunderte solcher Fälle gab es an einem ansonsten eher unspektakulären Wochenende. Rundenzeiten wurden gestrichen, Zeitstrafen verteilt. Immer und immer wieder. Irgendwann kamen die Regelhüter im Hauptrennen nicht mehr hinterher. Ein Sprecher des Motorsport-Weltverbands Fia erklärte, dass eine "beispiellose Situation" entstanden sei. Es war unmöglich, alle potenziellen Vergehen noch während des Wettkampfs zu überprüfen. Selbst ohne den Protest des Rennstalls von Aston Martin, der gegen die Rennwertung vorging, hätte man sich alle strittigen Szenen noch einmal angeschaut, versicherte die Fia.
"Man schaut auf die weiße Linie, kann sie aber nicht spüren", sagte Mercedes-Fahrer George Russell. "Man spürt Kies und Gras, aber nicht die weiße Linie. Man muss einfach diszipliniert sein." Einfach abfinden dürfte man sich mit der Situation aber nicht, sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "So geht es gar nicht", sagte der Österreicher. Er schlug höhere Randsteine vor, "dass du das Auto richtig beschädigst" und man automatisch einfach anders fährt. "Dann gibt es überhaupt keine Diskussionen mehr", sagte Wolff.
Abhilfe nur durch Umbau
Doch warum gab es so viele Verstöße? Dazu hätten die Besonderheiten der Streckenführung und die Neigung vieler Fahrer zur schnellsten Linie beigetragen, urteilte der Weltverband. Abhilfe könnte nun ein Umbau schaffen. Den Streckenbetreibern des Red-Bull-Rings wurde dringend empfohlen, am Ausgang der Kurven neun und zehn ein neues Kiesbett zu installieren. Dann dürften die Piloten von ganz allein langsamer fahren, da sie es nicht mehr riskieren würden, im Kies festzustecken. Höhere Randsteine hätten einen ähnlichen Effekt.
Besonders ärgerlich für die Fans: Erst gegen 21.45 Uhr wurde das finale Klassement eines Rennens veröffentlicht, das Dauersieger Max Verstappen von der Spitze dominierte und in dem er seine Führung in der WM-Wertung ausbaute. Zu diesem Zeitpunkt war es längst dunkel, die Garagen verlassen und die Fahrer auf dem Heimweg. Kritik am Prozess gab es auch deshalb kaum, weil alle von der Strafenflut überrascht wurden und niemand mehr vor Ort war.
Hamilton & Co. verlieren Punkte
Rekordweltmeister Hamilton von Mercedes, Sainz von Ferrari und Pierre Gasly von Alpine verloren WM-Punkte, auch außerhalb der Top Ten fielen Piloten zurück. "Mehrmaliges Verlassen der Strecke ohne triftigen Grund" hieß die offizielle Begründung. Schon während des Rennens wurden acht Strafen ausgesprochen und rund 100 Rundenzeiten gestrichen. Stunden danach folgten zwölf weitere Sanktionen für acht Fahrer.
Immerhin: Der überlegene Weltmeister Verstappen fuhr regelkonform und blieb der Sieger des neunten Saisonlaufs vor Ferrari-Star Charles Leclerc und Sergio Pérez im zweiten Red Bull. Die empfindlichste Sanktion erhielt der Franzose Esteban Ocon von Alpine, der mit vier Strafen belegt wurde. Insgesamt wurden auf seine Rennzeit 30 Sekunden aufaddiert, zehnmal war er verbotenerweise neben der Piste gefahren. Außerdem wurden Verstöße von Nyck de Vries (Alpha Tauri/15 Sekunden), Hamilton (10), Gasly (10), Sainz (10), Logan Sargeant (Williams/10), Alexander Albon (Williams/10) und Yuki Tsunoda (Alpha Tauri/5) geahndet. Sainz verlor die meisten Punkte, weil er von Rang vier auf sechs zurückfiel.
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