Beim 13. Saisonrennen in Ungarn feierte McLaren einen Doppelsieg, der Traditionsrennstall hat das beste Auto im Feld. Es war aber nicht alle glücklich, denn das Team steckt in einem Dilemma. Das sich in Zukunft noch ausweiten könnte.

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Die Szene sprach Bände. Denn Lando Norris war genervt. So genervt, dass er den sogenannten "Cool-down-Room" vor der Siegerehrung dringend benötigte. Der Brite pampte seinen Landsmann Lewis Hamilton an, als der Mercedes-Pilot den Konkurrenten McLaren für das schnelle Auto lobte. Zudem warf Norris seine Kappe für den zweiten Platz beim 13. Saisonrennen in die Ecke. "Du hattest vor sieben Jahren auch ein schnelles Auto und hast das Beste draus gemacht. Jetzt sind wir dran!", zischte Norris.

Die Überraschung ob der Schärfe war Hamilton deutlich anzusehen. "Ich wollte mich nicht beschweren, sondern euch einfach nur loben", sagte er. Und schwieg dann lieber, denn von Norris kam nur noch ein genervtes Seufzen. Er war nicht für Lob empfänglich, hatte Hamilton in dem Moment komplett falsch verstanden.

Die schlechte Laune war trotz des zweiten Platzes in gewisser Weise verständlich, so kurz nach der Hitze des Gefechts. Denn Norris hatte das Rennen im letzten Teil angeführt, gab den Sieg aber an seinen McLaren-Teamkollegen Oscar Piastri ab. Das Team hatte Norris angewiesen, dem Australier Platz zu machen. Es gab daher kurz nach dem Doppelsieg des Traditionsrennstalls in Ungarn nicht nur strahlende Gesichter bei McLaren.

Durch die Strategie an der Spitze

Der Hintergrund: Die Strategie hatte Norris an die Spitze gespült, als er in Runde 45 an die Box kam. Der 24-Jährige sollte seinen zweiten Platz gegen die Konkurrenz absichern, was aber gleichzeitig zu einem sogenannten Undercut gegen den zu dem Zeitpunkt führenden Piastri führte. In der Zeit bis zu dessen Boxenstopp zwei Runden später hatte Norris mit frischen Reifen Zeit aufgeholt und den Teamkollegen überholt. Eine durch die Taktik geschenkte Führung, die Norris auf Anweisung des Teams zurückgeben sollte. Denn Piastri hatte Polesetter Norris bereits beim Start überholt und das Rennen angeführt.

Doch das sorgte am Funk für rundenlange Diskussionen zwischen den Fahrern und ihren Renningenieuren, und Norris machte bis kurz vor dem Ende keine Anstalten, seinen Teamkollegen passieren zu lassen. Vielmehr musste er mit einer Mischung aus Geduld und deutlichen Ansagen an vor dem Rennen getroffene Vereinbarungen erinnert werden. Hinzu kam, dass Piastri den Anschluss verlor und bis zu sechs Sekunden hinter Norris lag und nicht selbst die Lücke zufahren konnte. Doch das Bild, das McLaren abgab, war in dem Moment ein unglückliches. Auch Norris wirkte wenig souverän.

Zum richtigen Zeitpunkt der Schnellere

Doch Fakt ist auch: Norris ist der erste Verfolger des WM-Führenden Max Verstappen (Red Bull Racing), der nur Fünfter wurde. "Lando war zum richtigen Zeitpunkt der Schnellere. Deshalb sage ich, das war die falsche Entscheidung", sagte Ralf Schumacher bei Sky: "Jetzt haben wir endlich jemanden, der Verstappen Paroli bieten kann, und dann unterstützt ihn das Team nicht. Wir werden sehen, ob die sieben Punkte am Ende des Jahres womöglich fehlen." Der Rückstand von Norris auf den Titelverteidiger liegt bei 76 Punkten, 68 hätten es sein können. Doch McLaren nutzte zwar die Teamorder, allerdings nicht zugunsten der zumindest nach Punkten teaminternen Nummer eins.

"Das ist nicht ohne für Meisterschaft", sagte Ex-Weltmeister Nico Rosberg bei Sky. "Oscar nimmt Lando Punkte weg. So wie Alonso und Hamilton bei McLaren 2007. Damals profitierte Ferrari und Kimi Räikkönen wurde Weltmeister." Das McLaren-Dilemma: Der Piastri-Sieg mag moralisch richtig sein, aus sportlicher Sicht kann man sich auch auf die Norris-Seite schlagen.

Auch Norris sah es wohl lange so, und natürlich widerstrebt es dem Charakter eines Rennfahrers sowieso massiv, einen Sieg freiwillig abzugeben. Offiziell gab er sich als Teamplayer. "Ich wollte bis zur letzten Kurve warten, um Oscar vorbeizulassen", verriet er auf der Pressekonferenz. "Dann kamen sie mit dem Argument, dass ein Safety Car den Plan zunichtemachen könnte, also musste ich es früher erledigen, denn wir wollten ja nicht wie Idioten aussehen." Deshalb tat er es drei Runden vor Ende, nachdem er damit über 20 Runden lang gewartet hatte.

Norris gibt sich als Teamplayer

Er habe den Platztausch am Funk hinterfragt, für ihn sei aber immer klar gewesen, dass er den Platz zurückgebe, erklärte er: "Es war die richtige Entscheidung vom Team. Ich habe den Sieg nicht beim Platztausch verloren, sondern schon am Start, als Oscar mich überholt hat. Sie (McLaren; Anm. d. Red.) haben mir die Führung geschenkt, aber ich habe sie zurückgegeben. Natürlich gingen mir die sieben Punkte durch den Kopf, aber ich habe den Sieg heute nicht verdient."

Auch Piastri sagte nach seinem ersten Sieg in der Formel 1: "Wir waren am Ende auf verschiedenen Strategien, um verschiedene Leute zu covern. Ich denke, dass es fair war, uns zurückzutauschen." Er habe volles Vertrauen in das ganze Team gehabt, erklärte er: "Auch in Lando."

Und was sagt Teamchef Andrea Stella? "Lando weiß, dass es auch für ihn selbst die richtige Entscheidung war. Wenn er um die WM kämpfen will, muss er das ganze Team, auch Oscar, hinter sich haben. Manchmal braucht man etwas mehr Weisheit, auch wenn das Visier unten ist", sagte Stella.

Knallt es bald?

Doch es ist nicht von der Hand zu weisen, dass McLaren ebenfalls Weisheit benötigt, da man sonst mit dem nun besten Auto im Feld Probleme bekommen könnte. Denn die Gemengelage mit zwei Siegfahrern birgt jede Menge Konflikt-Potenzial. Keiner weiß das besser als Mercedes-Teamchef Toto Wolff, der das mit Hamilton und Rosberg lange mitmachen musste.

"Die Klarheit ist wichtig. Wir waren in der gleichen Situation und es ist schade, weil es einen Schatten auf den Doppelsieg wirft. Die Klarheit im Team ist wichtig, und sie lernen es jetzt", sagte der Österreicher, der nach wiederholten Unfällen seiner Fahrer feste Regeln festlegen ließ, an die sich beide Piloten strikt halten mussten. McLaren sei nun so schnell in eine Position gerückt, dass man mit beiden Autos gewinnen könne, so Wolff, "dass man die Regeln festhalten muss". Damit man sich im Titelkampf am Ende nicht selbst im Weg steht.

Verwendete Quellen

  • Pressekonferenz
  • TV-Übertragung Sky
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