Zwei der ersten drei Saisonrennen in der Formel 1 hat Sebastian Vettel gewonnen. Bei Ferrari gelang das zuletzt Michael Schumacher. Die neue alte Stärke der Scuderia lässt sich erklären.

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Erst die deutsche, dann die italienische Hymne, so war das früher ständig in der Formel 1. Wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Es gab Zeiten, da hüpfte der Pilot im roten Overall jeden zweiten Sonntag aufs oberste Treppchen, und wenn er besonders froh gestimmt war, dieser Pilot, dann mimte er dort den Dirigenten der Komposition.

Michael Schumacher konnte sich das rausnehmen: Wer gewinnt, hat immer recht.

Michael Schumacher gewann zwölf von 13 Rennen

Heute offenbart Sebastian Vettel bei Ferrari verdächtig oft jenes Grinsen, das ihn vor Jahren zum Shootingstar des PS-Zirkus machte. Zwei von drei Rennen hat Vettel 2017 gewonnen, in Australien und Bahrain, in China wurde er Zweiter.

Für das Team aus Maranello ist es der beste Saisonstart seit 2008.

Dass ein Ferrari-Fahrer zu Beginn zwei von drei Läufe für sich entscheidet, ist noch länger her - 2004 war's, mit Schumacher, der damals die ersten fünf und dann sogar zwölf aus 13 Rennen gewann.

Am Ende stand der Titel, klar, sein siebter und letzter.

Nikolas Tombazis arbeitete von 2006 bis 2014 als Chef-Designer der Scuderia, er kann Vergleiche zum 2008er Auftakt ziehen.

"Die Triumphe von Vettel sind wertvoller, weil sie mit einer komplett überholten Organisation errungen worden sind", sagt der Grieche zur "Gazzetta dello Sport".

Ferrari: Binotto als goldener Schachzug

Mit 68 Punkten reist Vettel als WM-Spitzenreiter zum Grand Prix nach Russland, das Duell mit Lewis Hamilton (Mercedes, 61 Zähler) hat sich bereits als elektrisierend erwiesen.

Auch hier gleichen sich im Übrigen die Bilder: Rot gegen Silber, wie einst bei Schumacher...

"Es ist unheimlich befriedigend, mit Sebastian ganz oben zu sein", sagt Ferrari-Boss Sergio Marchionne.

Seine Truppe hat kräftig an Stellschrauben gedreht, damit Vettel wieder strahlen kann (und ein bisschen dirigieren).

Mitte 2016 wurde Technikchef James Allison vom Italo-Schweizer Mattia Binotto abgelöst, diese Besetzung gilt als goldener Schachzug.

"Unsere Vorgehensweise ist richtig. Wir haben Binotto befördert, seither ist Ruhe eingekehrt", sagt Marchionne.

Der in Lausanne geborene Binotto war schon unter Schumacher an Bord, er hat sich hochgedient zum besonnenen, einflussreichen und mit Kompetenz akzeptierten Ingenieur.

Guru der Schumacher-Ära zurück bei Ferrari

"Bei Ferrari läuft es jetzt, weil ein Schweizer die Italiener organisiert, ihnen aber gleichzeitig den Freiraum für Vorstellungskraft und Ideen lässt", lobt sogar Mercedes-Rivale Niki Lauda gegenüber der "Repubblica". Die Formel-1-Legende betrachtet Binotto als "Schlüsselfigur, kein Zweifel".

Daneben wurde mit dem 73 Jahre alten Aerodynamik-Guru Rory Byrne ein weiterer Mosaikstein der Schumacher-Ära von der Beraterrolle zur Festanstellung begleitet.

Die massiven Regel-Änderungen 2017 haben den Südafrikaner offenbar frisch motiviert und zu gewohnt gewinnbringender Kreativität animiert.

Weil Vettel zudem mit Form und Enthusiasmus aus Red-Bull-Tagen glänzt, kommt momentan eins zum anderen bei Ferrari.

"Es hat einfach klick gemacht", sagt der 29-Jährige, womit er natürlich genau nichts sagt. Die Italiener kultivieren ihre restriktive Kommunikation, und weil Ferrari nunmal Ferrari ist, wird diese Null-Transparenz-Politik bittersüß geduldet.

WM-Kampf als Rennen zwischen den Rennen

Sportlich ist die Scuderia stark auf allen Gebieten: das Auto ein Allround-Talent, die Reifennutzung unkritischer als zuvor, die Taktik cleverer.

"Wir dürfen nicht vergessen, dass Mercedes zwei von drei Rennen aufgrund strategischer Fehler verloren hat", wendet Tombazis ein. "Aber die Tatsache, dass Mercedes patzt, zeigt mir, dass sie von Ferrari wirklich unter Druck gesetzt werden."

Diese Saison umfasst 20 Rennen, Nummer vier steigt in Sotschi (Sonntag ab 14 Uhr). Noch ist es ein weiter Weg für den 44-fachen Grand-Prix-Sieger Vettel bis zum fünften Championat.

Dabei wird der WM-Kampf auch zu einem Rennen zwischen den Rennen - in den Fabriken, auf der Suche nach Zehntelsekunden. Tombazis sagt: "Weltmeister wird, wer am effizientesten entwickeln kann."

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