• Die WM-Saison 2022 wird für die Formel 1 angesichts von 23 Rennen die bisher längste und härteste.
  • Ein Mechaniker schildert bedenkliche Zustände in den Teams.
  • Ohne Tabletten oder Alkohol sei für viele Mitarbeiter der Stress nicht zu bewältigen.
  • Fahrer wie Sebastian Vettel warnen vor möglichen Folgen.
  • Die Verantwortlichen steuern mit einigen Maßnahmen dagegen.

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Die Handgriffe sitzen perfekt. Die Abläufe sind einstudiert, jeder Mechaniker weiß, was er zu tun hat. Zack. Zack. Zack. Und fertig: Nur etwa zwei Sekunden dauert ein Boxenstopp in der Formel 1. Der Bestwert aus der Saison 2021 liegt bei 1,93 Sekunden, der Rekord bei 1,82 Sekunden (2019). Beide Bestzeiten stellte das Team Red Bull Racing beim Reifenwechsel am Auto von Weltmeister Max Verstappen auf.

Die Choreografie ist eine immer wieder aufs Neue beeindruckende Komposition menschlicher Organisation in Kombination mit technischer Perfektion - und sie kann über Sieg und Niederlage entscheiden. Schlimmstenfalls aber auch über das Leben des Piloten. Fehler sind schon deshalb verboten.

Sie kosten in der Königsklasse des Motorsports aber auch eine Menge Geld. Dabei ist die Boxenstopp-Crew nur ein Rädchen im Rennstall-Business, das nicht nur perfekt abgestimmt, sondern vor allem auf Erfolg getrimmt ist. Doch der hat auch seinen Preis.

Was in dem knallharten Geschäft Außenstehenden weitgehend verborgen bleibt, ist die enorme Belastung für die Crew, die hinter den Piloten steht. Die Schattenmänner der Superstars sozusagen, die nicht nur Reifen in Rekordzeit wechseln, sondern das Auto abstimmen, umbauen, reparieren, perfektionieren, und das stets am Anschlag. Heißt: An einem Rennwochenende von Mittwoch bis Sonntag täglich zwölf Stunden. Mindestens. Und dabei geht es nicht nur um Mechaniker, sondern auch um die unzähligen weiteren Mannschafts-Mitglieder, die zu einem Rennstall gehören.

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Formel 1: Aus einer Leidenschaft wird eine Tortur

Der Job war schon immer hart, keine Frage. Wer in der Formel 1 arbeitet, weiß, dass es schnell an die Substanz gehen kann. Für viele Team-Mitglieder ist die einst so große Leidenschaft angesichts eines Rekord-Rennkalenders mit 22 Stationen 2021 und sogar 23 Rennen 2022 zu einer regelrechten Tortur geworden.

Alle rund um einen Rennstall arbeiten am Limit, unter enormem Druck, gehen an ihre Grenzen, physisch wie auch psychisch, und sie gehen oft genug auch darüber hinaus. Wie schwierig das sein kann, beschreibt ein anonymer Mechaniker in einem Beitrag auf "Formel1.de": "Man merkt gar nicht, was das mit einem macht, bis man wieder in der Fabrik arbeitet. Ein normaler Acht-Stunden-Tag ist fast schon komisch, weil er sich so kurz anfühlt!"

Die Folgen sind heftig, glaubt man dem unbekannten Mechaniker. Diese Folgen lassen einen tiefen Blick zu, der besorgen muss. Zutage tritt, wie unerbittlich das Geschäft sein kann und dass der Spaß im Milliardenzirkus durchaus auf der Strecke bleiben kann.

Schmerzmittel und Alkohol: Mechaniker betäuben Druck und Stress

"Du bist nicht nur mental ausgelaugt, sondern auch körperlich erschöpft. Mit fortschreitender Saison passieren eine ziemliche Menge Verletzungen. Die Teams haben zwar Ärzte und Physios, um auf dich aufzupassen, die einfachste Lösung ist aber, dich mit Schmerzmitteln vollzupumpen, damit du weitermachst", so der Mechaniker, der verrät: "Nicht in einer Million Jahre würden normale Ärzte dir das geben, was wir bekommen." Und wer nicht auf Schmerzmitteln weitermachen wolle, greife zum Alkohol, so der Mechaniker.

Besonders belastend sind die schweren Momente ohne die Familie oder Freunde, und diese Momente gibt es in Zeiten der sogenannten Triple-Header immer öfter. Dann finden drei Rennwochenenden hintereinander statt, Pause ist ein Fremdwort, die Belastung eine dauerhafte.

Tausende Kilometer durch elf Zeitzonen

So ging es zum Beispiel im November 2021 innerhalb von drei Wochen von Mexiko nach Brasilien und anschließend nach Katar - tausende Flugkilometer durch elf Zeitzonen inklusive. Das ergibt dann auch eine enorme logistische Herausforderung für die gesamte Truppe. Zu bewältigen sind während eines Triple Headers 80-Stunden-Wochen.

"Der Höhepunkt der Müdigkeit ist, wenn er eintritt, echt schrecklich. Wenn du so weit weg von deinen Liebsten und auf Achse bist, kannst du dich echt alleine fühlen", klagt der Mechaniker. Er verrät, dass immer mehr Mitarbeiter ans Aufhören denken, und dass die Atmosphäre leidet.

Das Verständnis der Fahrer für die nicht im Rampenlicht stehenden Team-Mitglieder ist vorhanden. "Das Ziel sollte sein, dass wir eine nachhaltige Art und Weise haben, unsere Saison durchzuführen, nicht nur für unsere Umwelt, sondern auch mit Blick auf die menschlichen Ressourcen", sagte Aston-Martin-Fahrer Sebastian Vettel.

Wohlbefinden des Menschen kollidiert mit den Bedürfnissen des Geschäfts

Den Job mache man, weil man den Rennsport liebe, so der Mechaniker, und natürlich wissen alle um den exklusiven Kreis, in dem sie sich bewegen: "Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem unser geistiges und körperliches Wohlbefinden Vorrang vor den Bedürfnissen des Sports haben muss, damit wir weiterhin Rennen fahren können."

Wie haben die Teams auf die rasante Fahrt in Richtung Belastungsgrenze reagiert? Beim Vettel-Team Aston Martin wurde zum Beispiel versucht, die Reisen angenehmer zu gestalten, es wurden mehr Aufgaben in die Fabrik verlagert, dazu gab es Rotationen. Generell arbeiteten Teams auch mit finanziellen Anreizen, Einzel- statt Doppelzimmern vor Ort oder festen Auszeiten nach den Rennwochenenden.


Teamchef Tost klagt über "einfache Fehler" bei Alpha Tauri

Andere helfen ihren Leuten, sehen es aber pragmatischer. "Was die Leute an der Rennstrecke angeht, sind wir in erster Linie ein Rennstall, sie sollten alle froh sein, dass wir so viele Rennen wie möglich haben", sagte Alpha-Tauri-Teamchef Franz Tost, der auf eine Rotation verzichtet. Eine doppelte Truppe sei sündhaft teuer, erklärte er. Und: "Jedes Mal, wenn es eine Rotation gab, gab es einfache Fehler", erklärte Tost. Denn auch die sind in der Formel 1 sündhaft teuer.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenzen
  • formel1.de: Ein Mechaniker erzählt: Die brutale Realität des Formel-1-Kalenders
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