- Der Cockpitschutz Halo hat am vergangenen Wochenende in Silverstone wohl zwei Leben gerettet.
- Der "Heiligenschein" wird zu Recht gefeiert, doch das war nicht immer so.
- Ex-Weltmeister John Surtees kämpfte für den Halo, die Skepsis am Anfang war riesig.
Oft ist man im Nachhinein schlauer. Dann wirkt das zuvor Gesagte falsch, oberflächlich oder auch schlicht peinlich. Wie bei der Debatte um die Einführung des Halo, der Cockpitschutz im Motorsport. Da forderte Mercedes-Teamchef Toto Wolff noch 2018 eine Kettensäge, um den "Heiligenschein" abzuschneiden.
Der Begriff "verhasst" trifft die damals herrschende Abneigung tatsächlich ganz gut. Doch wie sich die Zeiten ändern: Inzwischen wird der Halo als Lebensretter gefeiert und verehrt. Und das völlig zu Recht.
John Surtees wäre glücklich
Ex-Weltmeister John Surtees erlebt den Erfolg des Halo leider nicht mehr. Er starb 2017, im Alter von 83 Jahren, kurz vor der offiziellen Einführung. In der damals so heiß diskutierten Probephase hat er sogar noch versucht, Hamilton davon zu überzeugen, dem Cockpitschutz eine Chance zu geben und sowohl die Vorteile des Systems betont als auch auf Hamiltons Verantwortung als Weltmeister hingewiesen.
Surtees wäre sicher glücklich über die Entwicklung, auch wenn der Halo für seinen Sohn zu spät kam, denn Henry Surtees war 2009 in Brands Hatch im Alter von 18 Jahren bei einem Rennen der Formel 2 durch einen herumfliegenden Reifen tödlich getroffen worden. Der Halo hätte ihn ziemlich sicher gerettet. Papa Surtees war nach dem Verlust seines Kindes ein Verfechter eines Kopfschutzes.
Doch trotzdem dauerte es noch ein paar Jahre und es mussten noch zwei weitere Fahrer sterben, bis es Ergebnisse gab. Formel-1-Pilot Jules Bianchi erlag im Juli 2015, ein Jahr nach seinem Crash in Suzuka, seinen schweren Kopfverletzungen Er war im Rennen gegen einen Bergungskran geprallt. Kurz nach Bianchis Tod verstarb Justin Wilson, nachdem er bei einem IndyCar-Rennen von einem herumfliegenden Frontflügel am Kopf getroffen wurde.
Der Automobil-Weltverband FIA intensivierte die Forschungen nach einem passenden Schutz des Fahrerkopfes daraufhin noch einmal. Heraus kam der Halo, ein sieben Kilogramm schwerer Titanring, der dem Gewicht von zwei afrikanischen Elefanten (bei zwei männlichen Tieren rund zwölf Tonnen) und einem vollen Koffer, der mit 225 km/h abgefeuert wird, standhalten muss. Er basierte auf einem Konzept von Mercedes. Erste Tests an den Formel-1-Autos wurden 2016 durchgeführt, seit 2018 ist er offiziell der Lebensretter der FIA-Formelrennserien.
Gegner des Cockpitschutzes verstummten
"Sicherheit ist unsere oberste Priorität", betont der neue FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem. Sein Vorgänger Jean Todt, unter dem der Halo eingeführt wurde, ist "froh, dass ich meiner Überzeugung gefolgt bin, den Halo trotz einer starken Opposition durchzusetzen", schrieb er auf Twitter.
Die Opposition wurde nach den anfänglichen Lästereien ganz schnell immer leiser. In der Halo-Debütsaison 2018 hob Fernando Alonsos McLaren nach dem Start in Spa ab und schoss über den Alfa Romeo von Charles Leclerc. Die Spuren auf dem Schutzbügel hinterließen die visuell eindringliche Mahnung, was ohne die Sicherheitsvorkehrung hätte passieren können.
Die Gegner verstummten endgültig. "Ich war nie ein großer Halo-Fan, aber ich muss sagen, dass ich unglaublich froh bin, ihn in diesem Fall über meinem Kopf gehabt zu haben", sagte Leclerc. Nico Rosberg stellte damals klar: "Wir können die Diskussionen um den Halo nun beenden. Er wird Leben retten."
Mehrere Male schon rettete der Halo Leben
Das tat er noch mehrere Male, sehr spektakulär zum Beispiel bei Romain Grosjeans Feuerunfall 2020 in Bahrain, und auch bei Hamilton 2021, als das linke Hinterrad von Max Verstappens Red-Bull-Renner über seinen Kopf rollte. Jetzt in Silverstone kamen Roy Nissany in der Formel 2 und Guanyu Zhou in der Königsklasse nach ihren Horror-Crashs mit dem Schrecken davon.
"Der Halo hat heute vermutlich zwei Leben gerettet", sagte Ferrari-Pilot Carlos Sainz nach seinem Sieg in Silverstone und betonte mit Blick auf die aktuellen Sicherheitsmaßnahmen: "Ich bin sehr glücklich, in dieser Zeit in der Formel 1 zu fahren."
Arbeit an Sicherheit im Motorsport wird nie erledigt sein
Auch wenn der Halo heute nicht mehr verhasst ist, sondern verehrt wird – zurücklehnen kann sich trotzdem niemand, wie Alfa-Teamchef Frederic Vasseur betonte: "Die Arbeit daran, die Sicherheit in unserem Sport zu verbessern, ist nie erledigt. Dieser Tag erinnert uns daran, wie wichtig das ist." Und wie unwichtig Ästhetik doch sein kann, wenn es um die Sicherheit geht.
Verwendete Quellen:
- TV-Übertragung Sky
- Pressekonferenzen
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