2024 wird Carrie Schreiner ihre zweite Saison in der F1 Academy angehen. Wir haben im Interview mit ihr unter anderem über die anstehende Saison im Dunstkreis der Formel 1, die Machowelt Motorsport und finanzielle Herausforderungen gesprochen.
Carrie Schreiner, Sie haben jetzt in Barcelona Testfahrten zur neuen Saison in der F1 Academy absolviert. Wie ist Ihr Gefühl?
Carrie Schreiner: Ganz gut. Die Serie wird 2024 deutlich härter als im vergangenen Jahr. Es sind ein paar neue Fahrerinnen dazugekommen, die bereits erfolgreich in anderen Serien vorne mitgefahren sind, auch mit Jungs zusammen. Das bedeutet, dass es kein Zuckerschlecken wird. Wenn alles gut läuft, sollte ich auf jeden Fall immer in den Top Ten sein. Aber wenn man nicht aufpasst, ist man auch schnell mal weit hinten, weil es einfach so eng ist.
Sie sind nicht nur weiter in der F1 Academy am Start, sondern jetzt auch Teil der Sauber Academy – ist das Ihr wichtigster Karriereschritt?
Ja, das würde ich auf jeden Fall sagen. Hätte man mir vor ein paar Jahren gesagt, dass ich jetzt noch einen Vertrag bekomme bei einem Formel-1-Team, hätte ich das nicht geglaubt. Deshalb ist es auf jeden Fall eine riesige Ehre und ich bin mega stolz darauf, dass ich das geschafft habe.
Sauber hat einen exzellenten Ruf, was die Nachwuchsarbeit betrifft. Wie erleben Sie die Academy, wie sieht die Arbeit konkret aus?
Wir hatten zum Beispiel vor ein paar Wochen einen dreitägigen Workshop, bei dem es am Anfang eine Fabrik-Tour gab. Dann konnten wir uns mit verschiedenen Leuten des Teams austauschen. Sie haben in allen Bereichen sehr, sehr erfahrene und gute Leute, die mir extrem weiterhelfen können. Dann haben wir Medientraining bekommen und zusätzlich Fitnesstraining. Und wir durften den Formel-1-Simulator ausprobieren. Ansonsten besteht ein ständiger Kontakt und Austausch, also rund um die Tests und die Rennen. Es wird alles sehr genau beobachtet, was ich so mache.
"Vor- und Nachteile als Frau"
Wird der Druck größer, jetzt wo ein Formel-1-Team dahintersteht?
Am Anfang war es so. Denn natürlich will man nicht schlecht aussehen, weder für das Formel-1-Team, noch für sich selbst oder andere. Aber mittlerweile, weil ich das Gefühl habe, dass ich mich sehr gut vorbereite, sehe ich das eher als große Unterstützung und mehr als Rückenwind an.
Wie viel Genugtuung ist denn dabei, schließlich ist Ihr Weg bislang nicht immer einfach gewesen?
Ich bin stolz darauf und bin mir auch sicher, dass es viele gibt, die mir das gar nicht zugetraut haben. Ich hätte das auch nicht unbedingt erwartet. Aber Genugtuung würde ich es gar nicht nennen. Es bestätigt mich darin, dass nicht alles, was ich gemacht habe, schlecht war. Sondern dass ich bewiesen habe, dass ich ein Auto fahren kann. Und deswegen bin ich froh, dass ich das so weit gebracht habe bis jetzt.
Hat es bei den Schwierigkeiten auch eine Rolle gespielt, dass Sie eine Frau sind?
Es ist mit Sicherheit so, dass Frauen sich hier und da schwerer tun als Männer. Aber hin und wieder hat es natürlich auch Vorteile. Wenn du gut bist, dann wirst du eher gesehen. Wenn du zum Beispiel Dritter wirst, bringt das manchmal mehr Aufmerksamkeit als bei einem männlichen Sieger. Aber klar: Wenn du hinten bist, dann wird natürlich auch draufgehauen. Sicherlich muss man körperlich auch mehr tun als die Männer, weil man einen Nachteil hat. Es hat eben Vor- und auch Nachteile.
"Man darf nicht zart besaitet sein"
Wie haben Sie die Machowelt Motorsport persönlich erlebt?
Entweder man akzeptiert es oder man hört auf, auch wenn das jetzt hart klingt. Natürlich ist es nicht schön, wenn sexistische Sprüche kommen. Das ist immer noch ein Thema. Aber da muss man drüberstehen. Ich habe keine großen Probleme damit, aber ich habe auch nicht so viele schlechte Erfahrungen gemacht. Generell ist es immer noch ein Thema, und das nicht nur im Motorsport.
Muss man sich als Frau eine dicke Haut zulegen? Oder holt man sich den Respekt generell auf der Strecke?
Generell darf man nicht zart besaitet sein, ob nun auf oder neben der Strecke. Wer zart besaitet ist, wird aufgefressen.
Wie gehen die männlichen Konkurrenten mit Ihnen um?
Die meisten haben kein Problem mit einer Frau. Was aber schon öfter der Fall war: Wenn ich in der einen oder anderen Situation schneller war oder sogar ein Rennen gewonnen habe, hieß es natürlich sofort: ‚Das kann doch nicht sein, die fährt faul!‘ Denn damit kommt das männliche Ego in den meisten Fällen nicht klar. So etwas habe ich öfter mitbekommen. Aber sonst ist es eigentlich so, dass man gut behandelt wird.
Vom Formel- zum GT-Sport
Geht es unter Frauen eigentlich rabiater zu im Vergleich zu den Männern?
Ich bin eher eine entspannte Person, aber ich habe es auch schon erlebt, dass es hier und da Zickenkrieg gibt. Wo Männer halt vielleicht anders reagieren würden oder weniger Drama machen.
Sie sind in der Formel 4 unter anderem gegen Mick Schumacher gefahren, dann aber früh in den GT-Bereich gewechselt. Warum?
Ich hatte sicherlich meine Highlights, aber es war jetzt nicht so, dass ich regelmäßig in den verschiedenen Serien unter die ersten Fünf gefahren bin. Und der nächste Schritt wäre die Formel 3 gewesen. Und das hätte eine siebenstellige Summe gekostet. Das war einfach zu viel für uns. Und ich habe es damals realistisch gesehen, dass ich es nicht in die Formel 1 schaffe. Allein schon wegen des Budgets. Wir hatten aber trotzdem genug Budget, um etwas anderes zu machen. Deswegen war dann der nächste logische Schritt, in den GT-Sport zu wechseln. Es kam dann zur richtigen Zeit auch ein Angebot, dass ich in Asien fahren konnte, als Lamborghini-Junior-Fahrerin in der Lamborghini Super Trofeo. Und das war dann der richtige Weg für mich.
Warum dann vor der Saison 2023 der Wechsel zurück in die F1 Academy? Mussten Sie lange überlegen, in den Formelsport zurückzukehren?
Eigentlich war das nicht mein Plan, denn das hätte im Grunde keinen Sinn gemacht. Aber als das Angebot kam von einem Top-Team wie ART, in der Serie der Formel 1 zu fahren, konnte ich natürlich nicht Nein sagen. Ich bin jetzt älter als damals, habe mehr Erfahrung und stelle mich besser an. Deshalb habe ich den Schritt gewagt.
Mehr Aufmerksamkeit für Frauen
Die Rückkehr war dann aber nicht ganz so einfach…
Es war am Anfang ein bisschen schwierig, weil ich sechs Jahre lang kein Formelauto mehr gefahren bin, das habe ich ein bisschen unterschätzt. Aber ab Mitte der Saison hat es 'Klick' gemacht, und ich konnte auch ein Rennen gewinnen. Jetzt bin ich umso besser vorbereitet für dieses Jahr und denke, dass ich auf jeden Fall den Anschluss gefunden habe und sogar vorne mitmischen kann.
Was bringt so eine Serie im Rahmenprogramm der Formel 1, auch abseits des Racings?
Die ganze Aufmerksamkeit von Frauen im Motorsport ändert sich langsam. Es wird mehr beleuchtet, auch das Ziel der F1 Academy mit den Programmen wie 'Discover Your Drive'. Damit sollen junge Mädchen für das Kartfahren begeistert werden, weil es immer noch ein Problem ist, dass es zu wenig Nachwuchs gibt. Deshalb hat es ja so lange gedauert, bis es überhaupt mal Frauen gab, die ansatzweise in die Richtung Formel 1 denken können. Jetzt wird alles dafür getan, dass es in ein paar Jahren so weit ist, dass es Frauen in die Formel 1 schaffen können. Für mich ist es ein ganz wichtiger Schritt, darauf aufmerksam zu machen, damit mehr Mädchen es cool finden, was mit Autos zu machen.
Was nehmen Sis sich für die zweite Saison vor?
Ich möchte weiter vorne sein in der Meisterschaft als im letzten Jahr. Die Top fünf sind ein Ziel. Und ganz generell möchte ich die Herausforderungen der neuen Saison gut meistern.
"Will vom Motorsport leben können"
Und was haben Sie generell für die nächsten Jahre geplant?
Mein Ziel ist es, vom Motorsport leben zu können. Ich bin für alle Richtungen offen. Trotzdem denke ich, dass es für mich schwer wird, noch mit 25 Jahren in die Formel 1 zu kommen. Aber ich hoffe natürlich, dass ich mich durch die F1 Academy für andere Dinge bewerben kann, wo ich gute Chancen habe, irgendwann auch meinen bezahlten Platz zu bekommen.
Wie kompliziert ist der Motorsport aus finanzieller Sicht?
Ich habe gute Sponsoren, ich habe auch immer wieder Deals mit Firmen, Social-Media-Kooperationen zum Beispiel. Es ist so, dass ich eine sehr, sehr gute Unterstützung bekomme. Aber damit ist gerade mal die Saison finanziert. Die Reisekosten müssen wir bereits selbst tragen. Das heißt, es ist schon noch ein Weg, bis ich damit Geld verdienen kann.
Wie schwierig ist es für eine Frau, Sponsoren zu gewinnen?
Es ist im Moment sehr herausfordernd, denn das Umweltthema erschwert es extrem. Ich weiß nicht, ob es nur daran liegt, aber es ist auf jeden Fall schwieriger, Sponsoren zu finden, vor allem eine Kaltakquise ist wirklich sehr, sehr kompliziert.
Sie haben sich mit zehn Jahren erstmals für Motorsport begeistert, auch durch Ihren Vater. Mit all den Erfahrungen von heute: Würden Sie das nochmal so machen?
Ja, ich denke schon. Sicherlich war es nicht immer einfach. Aber ich denke, dass es mich auch für alles andere, was noch kommt, extrem gestärkt hat. Dass ich mit Herausforderungen besser klarkomme, weil ich mich schon oft durchbeißen musste.
Was muss noch getan werden, um mehr Frauen in den Sport zu bringen und dann auch nach oben?
Ich denke, dass das alles schon auf dem richtigen Weg ist. Gerade durch so Programme wie 'Discover Your Drive' oder durch die F1 Academy selbst. Ich glaube, dass die eine oder andere, die aktuell mitfährt, schon sehr großes Potenzial hat, weiterzukommen. Und das ist der erst Anfang, das zweite Jahr der Serie. Und je mehr Frauen in den Sport kommen, desto mehr Möglichkeiten gibt es, desto größer ist die Chance, dass es irgendwann eine Frau in die Formel 1 schafft.
Wann sehen wir eine Frau in der Startaufstellung der Formel 1?
Das ist schwer zu sagen, wir nähern uns aber dem Moment. Möglicherweise ist es in fünf Jahren soweit.
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Über die Gesprächspartnerin:
- Carrie Schreiner ging im Nachwuchsbereich den Weg über den Kartsport in die Formel 4, wechselte dann aber in den GT-Sport. Vor der Saison 2023 kehrte sie in den Formelsport zurück und fährt nun unter anderem in der F1 Academy, eine Rennserie der Formel 1 nur für Frauen, die im Rahmenprogramm der Königsklasse ausgetragen wird. 2024 startet sie erneut in der F1 Academy, diesmal als Mitglied der Sauber-Nachwuchsakademie für Campos Racing.
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