Zu einem Gütetermin erscheint der querschnittsgelähmte Mike Glemser selbst. Der frühere Eishockeyspieler will vom damaligen Gegenspieler Schmerzensgeld. Der Rechtsstreit geht nun so richtig los.
Im juristischen Streit des querschnittsgelähmten früheren Eishockeyspielers Mike Glemser ist eine Einigung gescheitert. Bei einem Gütetermin vor dem Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen in Anwesenheit des ehemaligen Spielers der Starbulls Rosenheim kam es zu keinem Vergleich. Das Gericht setzte in dem Rechtsstreit (21 Ca 470/24) mit einem Streitwert von 822.000 Euro einen Kammertermin an. Wann dieser stattfinden soll, ist noch offen. Es dürfte Monate dauern.
"Wir wollten eigentlich mit der Haftpflicht außergerichtlich verhandeln", bemerkte Glemsers Anwalt Oliver Negele, der sich nach der Verhandlung nicht mehr äußern wollte. "Selbst wenn ich mich auf irgendeine Art vergleichen würde, würde Regress auf meinen Mandanten zukommen", entgegnete der Anwalt des Beklagten Jan Niklas Pietsch, Wolfram Cech.
Glemser erscheint mit seiner Lebensgefährtin
Glemser war am 3. Februar 2023 im Oberligaspiel zwischen seinen Starbulls Rosenheim und dem SC Riessersee nach einem Foul von Gegenspieler Pietsch mit dem Kopf voran in die Bande gestürzt. Glemser brach sich dabei den vierten und fünften Halswirbel. Er lag zehn Tage im künstlichen Koma und kann seitdem Arme und Beine nicht mehr bewegen.
Der querschnittsgelähmte Glemser, der – obwohl gerichtlich nicht angeordnet – bei dem Termin mit seiner Lebensgefährtin Lara anwesend war, muss seither intensiv betreut werden. Im Sommer vergangenen Jahres reichte er beim Landgericht München II eine Klage gegen Pietsch auf Schmerzensgeld ein. Pietsch hatte für den Bandencheck eine fünfminütige Strafzeit erhalten.
Der Fall Glemser könnte Grundsatzwirkung haben
Glemsers Seite geht davon aus, dass Pietsch für den Arbeitsunfall schadenersatzpflichtig ist. Dafür ist Vorsatz Voraussetzung. "Diese Situation bei dem Icing kommt pro Spiel zehnmal vor. In jedem Eishockeyspiel werden 70 bis 100 Checks gefahren. Das ist eine Tragödie, das tut Herrn Pietsch auch leid", beschrieb Cech aus seiner Sicht den tragischen Unfall von Glemser.
Eishockey gehört wie auch Fußball zu Sportarten mit einem erheblichen Gefahrpotenzial. Der Fall ist deshalb so aufgeladen, weil eine mögliche Verurteilung von Pietsch Grundsatzwirkung haben könnte.
Pietsch wollte mit dem Eishockey aufhören
Da im Fall von Pietsch die private Haftpflicht darauf verweist, dass es sich um einen Arbeitsunfall handelt, müsste der heute 33-Jährige mit seinem Privatvermögen haften. Pietsch gehe es "nicht gut", meinte sein Anwalt. Der Eishockeyspieler habe wenige Wochen nach dem Unglück um Glemser einen ähnlichen Vorfall mit einem Gegenspieler gehabt, der die Zunge verschluckt habe. "Zum Glück ist nichts passiert. Er hat seinerzeit ernsthaft darüber nachgedacht, aufzuhören", erzählte Cech weiter.
In dem vorliegenden Fall seien "sehr hohe Summen im Spiel, und es gibt eine breite mediale Berichterstattung über den Prozess. Daher ist nicht auszuschließen, dass ein stattgebendes Urteil den einen oder anderen Profisportler veranlasst, seinen Kampfgeist auf dem Spielfeld in Zukunft zu zügeln", sagte Thomas Summerer, Präsident der Deutschen Vereinigung für Sportrecht, der Deutschen Presse-Agentur.
"Bei diesen gefährlichen Sportarten gilt der Grundsatz, dass jeder Teilnehmer diejenigen Verletzungen, selbst mit schwersten Folgen, in Kauf nimmt, die auch bei Ausübung nach den anerkannten Regeln der jeweiligen Sportart nicht zu vermeiden sind", erklärte Summerer.
Nicht der erste Eishockey-Fall vor dem Münchner Gericht
Anders sei es jedoch "bei grob fahrlässiger Regelwidrigkeit. In solchen Fällen kommt eine Haftung des Schädigers in Betracht, wenn er die Grenze zwischen noch gerechtfertigter Härte und unfairem Regelverstoß überschritten hat. Die Beweislast liegt beim Geschädigten. Maßgeblich ist nicht die Entscheidung des Schiedsrichters, sondern die unabhängige Verschuldensprüfung durch das Gericht", erläuterte der Sportanwalt weiter.
Der Fall Glemser vs. Pietsch ist nicht beispiellos. Das Oberlandesgericht München habe schon in einem Urteil aus dem Jahr 1989 die Haftungsmaßstäbe konkretisiert und in dem damaligen Eishockey-Fall auf Schmerzensgeld erkannt, bemerkte Summerer. "Auch das Amtsgericht Düsseldorf hat in einem Fall aus dem Jahr 2007 nach einem unkorrekten Körperangriff und Check gegen die Bande eine Schadensersatzpflicht bejaht und Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 Euro zugesprochen." (dpa/bearbeitet von msb und ms)
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