Ein Jahr nachdem Luka Doncic sie ins NBA-Finale führte verpassen die Dallas Mavericks die Playoffs. Der Slowene musste im Februar unter Tränen gehen und von Dirk Nowitzki getröstet werden. Geblieben ist ein Scherbenhaufen - und Manager Nico Harrison, der den Kummer der Fans nicht versteht.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Schulte-Bockum sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Noch vor einem Jahr führte Luka Doncic die Mavericks in die NBA Finals. Heute spielt er – für viele immer noch kaum zu glauben – für die Los Angeles Lakers.

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Der Trade im Februar kam nicht nur für Fans aus dem Nichts, sondern auch für Doncic selbst. "Ich dachte zuerst, es sei ein Aprilscherz", sagte er kürzlich in einem Interview mit ESPN-Moderatorin Malika Andrews. Anders als im europäischen Fußball können NBA-Spieler nicht selber über Transfers entscheiden.

Dass Dallas den Publikumsliebling einfach zu den Lakers abschob, traf Doncic wie ein Schlag – und sein iPhone, das er wütend zu Boden warf, trug danach sichtbare Risse. "Mein Herz war gebrochen", sagte der 26-Jährige.

Streit in Dallas: Mark Cuban und Dirk Nowitzki gegen Mavs-Manager Nico Harrison

Drei Monate später ist aus der Schocknachricht eine offene Schlammschlacht geworden – mit General Manager Nico Harrison im Zentrum, Dirk Nowitzki auf Distanz und einem tief verletzten Doncic, der vor wenigen Wochen in seinem ersten NBA-Game als Auswärtsspieler in Dallas 45 Punkte gegen die Mavs machte - nachdem ihm vor dem Spielbeginn dicke Tränen über die Wangen gekullert waren, als das Team, wo er seine ganze Karriere verbringen wollte, ihn mit einem Abschiedsvideo würdigte.

Der Weg zum Bruch zwischen dem jungen Slowenen und der Chefetage der Dallas Mavericks war ein schleichender. Wie ESPN-Journalist Tim MacMahon in einem neuen Bericht enthüllt, begannen die Spannungen zwischen Doncics Umfeld und dem Mavs-Manager Nico Harrison bereits weit vor dem Trade.

Im Zentrum: der Rauswurf von Casey Smith, Dallas' langjährigen Teamarzt und Vertrauensmann sowohl von Doncic als auch von Mavericks-Legende Nowitzki.

Nowitzki-Vertrauter wird per Videocall entlassen

Smith wurde nach fast zwei Jahrzehnten im Herbst 2023 abrupt entlassen – laut ESPN per Videotelefonat, während er in Ohio seine sterbenskranke Mutter pflegte.

Dirk Nowitzki und der langjährige Mavs-Arzt Casey Smith bei einem NBA-Spiel 2009.
Dirk Nowitzki und der langjährige Mavs-Arzt Casey Smith bei einem NBA-Spiel 2009. © iZUMA Wire/imago sportfotodienst

Es war der erste Dominostein in einer Reihe von Entlassungen im medizinischen und sportlichen Stab, die nicht nur Nowitzki, sondern auch Doncic, tief trafen. Immer wieder wurde dem Slowenen ein ungesunder Lebensstil und Übergewicht nachgesagt, der medizinische Stab habe dem 26-Jährigen dies stets durchgehen lassen, wurde gemunkelt.

Im Umfeld des Franchise hieß es dagegen, Harrison habe den einflussreichen Teamarzt Smith als zu kritisch und negativ empfunden.

Mark Cuban verkaufte Großteil seiner Anteile an den Dallas Mavericks an Casino-Milliardären

Im neuen ESPN-Bericht des Dallas-Insiders MacMahon war der Tenor jedoch ein anderer: Smith sei schlicht zu einflussreich gewesen.

Ein Dorn im Auge des neuen Managements um Harrison, der zuvor eine lange Karriere bei Nike hatte, und Patrick Dumont, ein Casino-Milliardär, der 2023 ein Gros der Anteile am Franchise vom äußerst beliebten Mark Cuban erworben hatte.

Fan-Proteste in der Woche nach dem Doncic-Trade
Fan-Proteste in der Woche nach dem Doncic-Trade: Harrison mit Clown-Nase und "Go Back to Vegas"-Plakate (links) gegen Mavs-Eigentümer Dumont. © IIMAGO/Austin McAfee/Icon Sportswire

Für Nowitzki war dies offenbar der Wendepunkt. Der sonst so loyale Ex-Spieler, der eng mit Smith und Cuban befreundet ist, zog sich zurück, beendete seine Rolle als informeller Berater. Die Mavericks-Legende sagte kurz nach dem Doncic-Abgang in seinem Podcast "Campus 41": "Man sah bereits seit einem Jahr, dass das Team sich in eine andere Richtung bewegt [...]. Jetzt sehen wir das Ergebnis".

Öffentlich äußert Nowitzki sich kaum noch zu den Mavs. Nur zweimal wurde er in dieser Saison im Stadion gesehen: beim Lakers-Debüt von Doncic in LA und bei dessen Rückkehr nach Dallas am 9. April.

Mavs-Boss: "Wusste nicht, wie wichtig Luka für die Fanbase ist"

In der Osterpressekonferenz diese Woche versuchte Harrison Schadensbegrenzung nach einer enttäuschenden Saison zu betreiben – mit mäßigem Erfolg. Besonders eine Aussage ließ die Fans sprachlos zurück: "Ich wusste, dass Luka wichtig für die Fanbase ist – aber nicht, wie sehr." Ein Satz, der Fragen aufwirft über das Verständnis eines Managers für die Emotionalität und Geschichte seines eigenen Teams.

Jason Kidd, Nico Harrison, Mark Cuban und Luka Doncic auf einer PK im Jahr 2021.
V.l.n.r.: Mavs-Coach Jason Kidd, Manager Nico Harrison, der damalige Klub-Eigentümer Mark Cuban und Luka Doncic auf einer Pressekonferenz 2021. © IMAGO/Sipa USA Collection

Die Anhänger hatten sogar einen symbolischen Sarg zur Arena getragen, als bekannt geworden war, dass der 26 Jahre junge Doncic, für viele Experten einer der drei besten Basketballer der Welt, nach LA abgegeben wurde - und im Gegenzug der sechs Jahre ältere Anthony Davis, der als großartiger Verteidiger gilt, nach Dallas kommen solle. Als letztes Puzzlestück eines "Championship Teams", wie Harrison sagte.

Davis verletzte sich gleich in seinem ersten Spiel für Dallas und der zweite Superstar der Mavs, Kyrie Irving, fehlt aktuell mit einem Kreuzbandriss. Das Team, das Doncic vor einem Jahr ins Finale der NBA führte, ist vergangene Woche bereits im Play-In-Tournament, einer Art Qualispiel für die Playoffs, gescheitert, die Saison vorzeitig zu Ende.

Cuban ergreift Partei: "Dirk ist Dallas"

Doch Harrison bleibt überzeugt, das Richtige getan zu haben. Unterdessen führte Doncic die Lakers als drittbestes Team der Western Conference souverän in die Playoffs.

Die Fans haben längst Partei ergriffen – gegen Harrison, für Doncic. Und nicht nur sie: Auch Cuban, der ehemalige Mehrheitseigner, äußerte sich ungewohnt deutlich. "Dirk ist Dallas – damals, heute und für immer", schrieb er auf X, nachdem Harrison den Deutschen auf einer Pressekonferenz im März mit dem Satz, "ich kann nicht auf den Rat von jemandem warten, der nicht täglich im Gebäude arbeitet", abgekanzelt hatte.

Eine überlebensgroße Statue von Dirk Nowitzki thront vor der Mavericks-Arena in Dallas.
Eine überlebensgroße Statue von Dirk Nowitzki thront vor der Mavericks-Arena in Dallas. © IIMAGO/Jerome Miron

Der Übergang von Nowitzki zu Doncic galt lange als Paradebeispiel einer gelungenen Staffelübergabe in der NBA. Ein Europäer folgt auf einen anderen, beide auf und neben dem Court charismatisch, beide mit herausragender Spielintelligenz. In Doncics Rookie-Saison 2019 spielten beide sogar Seite an Seite – ein symbolischer Staffelstab-Wechsel.

Kronprinz Luka sollte in Dallas den König Dirk beerben

Nowitzki nannte Doncic einen "Wunderknaben", Doncic bezeichnete Nowitzki als "Legende" und "Vorbild". Heute scheint es, als hätte das neue Management dieses Erbe leichtfertig verspielt.

Die Mavericks stehen nun vor einem Neuanfang, der keiner ist. Denn das Team wurde durch den Trade des Offensivstars Doncic gegen den Defensivfelsen Davis nicht verjüngt oder aufgewertet.

Es ist ein wenig so, als hätte der FC Bayern seinen Publikumsliebling und Stardribbler Jamal Musiala gegen Liverpools Abwehrchef Virgil van Dijk eingetauscht. Mit viel Phantasie und Gutwillen wäre das ein Poker auf den kurzfristigen Erfolg - allerdings zulasten der langfristigen Zukunft und Attraktivität des Teams.

Der Riss zwischen Fans, Vereinsführung und ehemaligen Ikonen ist tief. Doncic will "einfach nur abschließen" mit Dallas und Harrison, sagte er zuletzt. Kein Wunder, er hat noch locker zehn Jahre NBA vor sich, spielt beim berühmtesten Basketball-Team der Welt an der Seite von LeBron James.

Doch Dallas wird diese Episode noch lange beschäftigen. Nowitzki steht als überlebensgroße Statue auf dem Vorplatz der Arena. Still, aber präsent. Als Mahner, als Fan – und als letzter Anker eines NBA-Teams, das seine Seele verloren zu haben scheint.

Verwendete Quellen: