Vor 20 Jahren wurde ein lang gehegter Traum wahr: Am 6. Mai 1994 wurde der Eurotunnel unter dem Ärmelkanal eröffnet. 13 Milliarden Euro kostete der gigantische Bau. Mit seinen 50 Kilometern Länge ist er nicht der einzige Rekordbau unter der Erde.
Die ersten Visionen einer "trockenen" Verbindung zwischen Europa und England stammten aus den ersten Tagen des 19. Jahrhunderts. Kriege, technische Probleme und Geldmangel machten eine schnelle Verwirklichung des gigantischen Projektes jedoch unmöglich. Denn der Bau von Tunneln ist alles andere als einfach, was sich auch an den folgenden Rekordzahlen ablesen lässt.
Längster Unterwasser-Fahrweg
Der Eurotunnel zwischen Frankreich und England ist einer der längsten Europas und einer der längsten Unterwasser-Fahrwege der Welt. Seine drei Röhren sind gut 50 Kilometer lang, etwa 38 Kilometer davon liegen unter Wasser – bis zu 45 Meter tief. In den beiden äußeren Röhren liegt je ein Gleis. Der mittlere Tunnel, ein Sicherheitstunnel, ist für Rettungsfahrzeuge gedacht. Im Unterschied zu den Bahntunneln mit einem Durchmesser von 7,6 Metern hat er nur 4,6 Meter. Alle 375 Meter liegen Querverbindungen.
Nach der feierlichen Eröffnung am 6. Mai 1994 dauerte es übrigens noch Monate, bis die extra gebauten Züge – 774 Meter lang – durch die Fahrröhren rollen konnten. Es gab viele Anlaufschwierigkeiten, mehrere schwere Unfälle und Brände. Heute durchfahren jährlich mehr als 20 Millionen Passagiere den Kanal.
Der längste Eisenbahntunnel
Der Seikan-Tunnel in Japan ist derzeit mit seinen knapp 54 Kilometern der längste Tunnel der Welt. Er wurde am 13. März 1988 eröffnet und verbindet die japanischen Inseln Hokkaido und Honshu. Der Eisenbahntunnel liegt unter der Tsugaru-Straße und kommt auf eine Unterwasser-Strecke von etwa 23 Kilometern. Damit kann er auf den zweitlängsten untermeerischen Abschnitt verweisen – nach dem Eurotunnel.
Doch ab 2016 bekommt der Japaner Konkurrenz. Dann wird ihn der schweizerische Gotthard-Basistunnel auf Platz zwei verweisen: Der Eisenbahntunnel soll Anfang Juni 2016 fertiggestellt werden und es dann auf stolze 57 Kilometer Länge bringen.
Der tiefste Tunnel
Der Tunnel unter dem Bosporus ist der weltweit tiefste Tunnel, der mit versenkbaren Elementen geschaffen wurde. Er ist das Herzstück des "MarmaRay"-Projektes und hat die Verbindung zwischen Asien und Europa in der Millionenmetropole Istanbul geschaffen. An seiner tiefsten Stelle liegt er – seit 29. Oktober 2013 in Betrieb – 56 Meter unter der Wasseroberfläche. Insgesamt ist er mehr als elf Kilometer lang, 1.400 Meter liegen unter dem Bosporus.
Während der Bauzeit des ehrgeizigen und fast drei Milliarden Euro teuren Projektes musste nicht nur die Erdbebengefahr einkalkuliert werden. Man grub sich auch durch 8.500 Jahre Siedlungsgeschichte. Archäologische Entdeckungen sorgten für Verzögerungen.
Der gefährlichste Tunnel
Die Guoliang Tunnel Road ist ein Kuriosum mit einer höchst gefährlichen Konstruktionsgeschichte. Die "Straße" in der chinesischen Provinz Henan ist 1,2 Kilometer lang und liegt mitten im Berg – von außen erkennbar nur an 30 Fenstern. Weil das Dorf Guoliang lange isoliert und nur durch einen halsbrecherischen Fußweg mit dem Rest Chinas verbunden war, hatte man die Regierung um den Bau einer Straße ersucht. Diese lehnte ab.
Nach der Absage machte sich das Oberhaupt des Dorfes mit den 13 stärksten Männern – nur mit Hämmern und Meißeln bewaffnet – selbst an die Arbeit. Es dauerte fünf Jahre. Tödliche Unfälle blieben nicht aus. Aber Ende der 1970er Jahre konnte die nur vier Meter breite und fünf Meter hohe Straße eingeweiht werden. Heute ist der spektakuläre Tunnel eine Touristenattraktion.
Der höchste Tunnel
Der Fenghuo-Tunnel ist der höchstgelegene Eisenbahntunnel. Er gehört zur Strecke der Lhasa-Bahn, die die Volksrepublik China mit dem autonomen Tibet verbindet. Er misst 1.338 Meter in der Länge und liegt etwa 5.000 Meter über dem Meeresspiegel.
Alle Personenwaggons der Lhasa-Bahn von Golmud nach Lhasa sind mit Sauerstoffgeräten ausgestattet, weil die Fahrt durch die "dünne Luft" sonst lebensbedrohlich sein könnte. Die Fahrzeit auf der 2006 eröffneten Strecke beträgt etwa zwölf Stunden.
Der älteste Eisenbahntunnel
Mit der Entwicklung der Eisenbahn gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstanden erste Tunnel. Damals wurden die Wagen noch von Pferden gezogen. Der vielleicht älteste Eisenbahntunnel der Welt wurde von Archäologen in der englischen Grafschaft Derbyshire entdeckt. 1793 war er zwischen den Orten Crich und Bullbridge auf etwa zweieinhalb Kilometern durch den Berg getrieben worden. Die Strecke diente dazu, Kalk aus den Steinbrüchen in Crich zum Cromford Canal in Bullbridge zu befördern. Dann transportierte man das Gestein nach Ripley zu den Butterley Works, wo es bei der Eisengewinnung verwendet wurde.
Die Schienenwagen wurden von Pferden durch den Tunnel gezogen. Dieser war von dem Ingenieur Benjamin Outram, Gründer der Butterley Company, geplant worden und wurde bis in die 1930er Jahre genutzt.
Der erste Autotunnel
Der Stuttgarter "Schwabtunnel" wurde am 29. Juni 1896 fertiggestellt. Damals war er der breiteste Tunnel Europas. Vor allem aber gilt er als erster Tunnel der Welt, durch den je ein Automobil gefahren ist. Zwischen 1902 und 1972 verkehrten sogar Straßenbahnen in der 125 Meter langen Röhre.
Der spektakulärste Bankraub-Tunnel
Tunnel sind keineswegs dem schweren Verkehr auf Straßen und Schienen vorbehalten. Sie werden auch aus ganz anderen Gründen gegraben. So dienten Tunnel schon immer als Fluchtweg – etwa während des Kalten Krieges von Ost nach West – oder als Weg, um unbemerkt in Gebäude einzudringen. Ein besonders abenteuerlicher Tunnel-Bankraub hat sich im Januar 2013 in Berlin-Steglitz ereignet. Die Einbrecher gruben einen fachmännischen, 50 Meter langen Tunnel von einer nahegelegenen Tiefgarage zum Tresorraum einer Volksbank-Filiale. Dort räumten sie 277 Schließfächer aus. Der spektakuläre Überfall erinnert an ein Hollywood-Plot und ist bisher nicht aufgeklärt.
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