Auf Mallorca gibt es zunehmend Proteste gegen den überhandnehmenden Tourismus. Gleichzeitig lebt ein großer Teil der Bewohner von den Reisenden. Können Verbote aus dem Dilemma führen? Und welche Konzepte gibt es für eine nachhaltige Form des Tourismus?

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"Mallorca ist nicht zu verkaufen". Mit diesem Slogan gingen Ende Mai rund 10.000 Menschen auf die Straße. Der Protest richtete sich gegen die Zerstörung der Insel durch die Massen an Touristen. Unter anderem machten die Demonstranten die stetig steigende Zahl der Besucher für die Wohnungsnot auf Mallorca verantwortlich. Der Grund: Immer mehr Wohnraum geht als Ferienwohnung an Inselfremde.

Palma
Einheimische protestierten bei einer Demonstration gegen den Massentourismus in Palma. (Archivbild von Mai 2024) © picture alliance/dpa/Clara Margais

Längst hat sich auf der Baleareninsel Widerstand gegen die nicht enden wollenden Touristenströme geformt. Die Mallorquiner haben genug vom Ballermann-Image und vom Finca-Ausverkauf. Dabei lebt die Insel zum großen Teil vom Tourismus. 45 Prozent der Wirtschaftsleistung werden laut "Spiegel" mit den Besuchern generiert.

Experte kritisiert: "Mit dem Trinktourismus konnte schnell viel Geld verdient werden"

"Tourismus ist ja erst einmal positiv, auch für die Einheimischen", sagt der Tourismus-Experte Stefan Gössling. "Es gibt mehr Restaurants, Aktivitäten, Steuereinnahmen und Arbeitsplätze. Aber es gibt eben auch den Punkt, wo die Nachteile größer werden als die Vorteile. Wir haben dann häufig eine Situation, in der bestimmte vom Tourismus stark profitierende Akteure diesen Sektor weiter ausbauen wollen, während immer mehr Einheimische die Nachteile verspüren."

Zu diesen Nachteilen gehören Jobs mit schlechter Bezahlung, Lärm, Schmutz, hohe Preise. Dazu kommt der Ausverkauf der Inselimmobilien. Vor allem aber wollen viele mit dem Ballermann-Image nichts mehr zu tun haben.

Gössling kritisiert, dass Mallorca bewusst eine dementsprechende touristische Kultur aufgebaut habe. "Mit dem Trinktourismus konnte halt auch schnell viel Geld verdient werden", so Gössling. "Kulturtourismus, der an Architektur, lokalem Essen oder Museen und Sehenswürdigkeiten interessiert ist, ist da schwieriger aufzubauen, auch in der Masse."

Massentourismus auf Mallorca: Bringen Verbote die Kehrtwende?

Weg vom Ballermann, hin zu nachhaltigeren Modellen – ist das überhaupt möglich? Der Bürgermeister von Palma, Jaime Martínez, will die Kehrtwende mit einem strikten Maßnahmenkatalog schaffen. Laut der "Tagesschau" gehören dazu etwa doppelte Gebühren für Kreuzfahrturlauber und ein absolutes Alkoholverbot auf den Straßen der gesamten Gemeinde. Außerdem will er die Zahl der Kreuzfahrtschiffe und Mietwagen beschränken.

Für Stefan Gössling können solche Verbote durchaus zu Erfolg führen. Jedoch schränkt er ein: "Ob die doppelte Gebühr reicht, oder ob man das 20-Fache nehmen muss, das bleibt abzuwarten." Und ob die Vorschläge von Martínez überhaupt Zustimmung erhalten, bleibt ebenfalls fraglich.

"Man baut einfach nicht über Jahrzehnte eine bestimmte Tourismuskultur auf und ändert diese dann in ein paar Jahren", sagt Stefan Gössling. "Es braucht Zeit, es müssen ja auch Alternativen geschaffen werden, die Insel für andere Touristen attraktiv gemacht werden. Das ist eher eine Aufgabe eines Jahrzehnts."

Protest gegen zu viel Tourismus: Einheimische besetzen die "Instagram-Bucht"

So lange wollen die Einwohner Mallorcas nicht warten. Und so gehen die Proteste weiter. Am 16. Juni etwa besetzten hunderte Einheimische laut "Mallorca Zeitung" die als "Instagram-Bucht" bekannte Caló des Moro im Südosten der Insel, um so ein Zeichen gegen den Massentourismus zu setzen. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Santanyí hatte zuvor klargestellt, dass sie den Protestierenden keine Hürden in den Weg stellen würde, wie die "Mallorca Zeitung" berichtete.

14,4 Millionen ausländische Urlauber reisten laut spanischem Statistikamt 2023 auf die Balearen. Tendenz steigend. Es ist absehbar, dass die bisherigen Konzepte nicht mehr greifen werden. Selbst die Präsidentin der Balearen, Marga Prohens (Volkspartei PP), erklärte jüngst, dass das Tourismusmodell auf den Inseln "an eine Grenze gekommen" sei, wie die "Mallorca Zeitung" schreibt. Doch welche nachhaltigen Modelle gibt es stattdessen?

Touristensteuer, Naturschutz, Moratorium – greifen die Maßnahmen auf Mallorca?

Seit 2016 versucht es die Insel mit einer Touristensteuer. Je nach Art der Unterkunft und saisonbedingt werden dabei pro Person und Nacht zwischen 0,50 und 2,00 Euro fällig. Das Geld fließt in den Umweltschutz und in Projekte, die den Ökotourismus auf der Insel fördern.

Dazu gehören etwa die Renaturierung des Naturparks S'Albufera und Maßnahmen zum Schutz der Dünenlandschaften im Naturschutzgebiet Es Trenc. Außerdem werden Solar- und Windkraftanlagen installiert, Fahrradwege angelegt und historische Gebäude saniert. Insgesamt 71 Projekte werden zurzeit gefördert.

Als weitere Maßnahme beschloss die linke Inselregierung 2022 ein vierjähriges Moratorium für neue Tourismuseinrichtungen. Die konservative Nachfolgeregierung wollte dieses Projekt zwar wieder stoppen, doch nun kam die 180-Grad-Wende. Wie die "Mallorca Zeitung" berichtet, sollen sogar 18.000 Gästebetten verschwinden.

Um das Problem des Overtourism in den Griff zu bekommen, werden diese Maßnahmen nicht ausreichen. Denn wie das "Majorca Daily Bulletin" berichtet, knackte die Anzahl der Mallorca-Besucher auch 2023 einen neuen Rekord.

"Wir brauchen für viele Tourismusregionen Visionen", sagt Stefan Gössling. "Dann kann man darauf hinarbeiten." Der Tourismus-Experte will weg vom "Business as usual", gesteuert von Einzelinteressen. "Es geht ja nicht nur um die Frage: wie viele Gäste und woher? Sondern auch darum, ob dies mit den Klimazielen vereinbar ist oder anderen Nachhaltigkeitszielen."

Über den Gesprächspartner

  • Stefan Gössling ist Professor an der School of Business and Economics der Linné-Universität im schwedischen Kalmar. Dort erforscht er die Zusammenhänge zwischen Tourismus, Verkehr und Nachhaltigkeit.

Verwendetet Quellen

Touristen auf Mallorca

Mallorca: Bürgermeister fordert harte Maßnahmen gegen Massentourismus

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