Im Salzburger Land ist es vor wenigen Tagen zu einer Tragödie gekommen: Eine Frau wurde von Kühen überrannt und starb. Es ist nicht der einzige Vorfall dieser Art, weshalb Wanderer unbedingt wichtige Verhaltensregeln kennen sollten.

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Beim Wandern im Sommer treffen viele Urlauber und Ausflügler auf Kuhherden. Wer sich bei einer Begegnung richtig verhält, kann den Anblick der Tiere genießen. Doch falsches Verhalten gegenüber Kühen kann fatale Folgen haben – wie bei einem tragischen Unfall in Österreich, bei dem vergangene Woche eine 40-Jährige zu Tode getrampelt wurde. Die Einheimische war an ihrem Geburtstag mit ihren erwachsenen Töchtern und zwei Hunden im Gasteinertal im Pongau wandern, als eine Kuhherde die Gruppe attackierte.

Solche Vorfälle schüren Sorgen und werfen Fragen auf. Wie man sich beim Wandern verhalten sollte, wenn man auf eine Kuhherde trifft, erklärt Experte Florian Diel im Gespräch mit unserer Redaktion. Er ist Tiermediziner und arbeitet am Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung der LMU München.

Wie gefährlich sind Kühe?

Laut Florian Diel sind Rinder im Grunde ruhige und entspannte Tiere. "Die gehen nicht einfach so von sich aus in den Angriffsmodus", sagt er. Doch der Respekt vor den bis zu 750 Kilogramm schweren Tieren dürfe nicht abhandenkommen. Eine Alm sei kein Streichelzoo. Die Zahl von Zwischenfällen mit Kühen ist in den letzten Jahren gestiegen.

Laut EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius gibt es jährlich mehr Tote durch Kühe als durch Wölfe. 2014 hatte eine tödliche Kuhattacke auf eine deutsche Wanderin Schlagzeilen gemacht. Die Frau, die ebenfalls mit einem Hund unterwegs war, wurde auf der Stubaier Pinnis-Alm zu Tode getrampelt.

Wie verhält man sich, wenn man auf eine Kuhherde trifft?

"Man sollte die Tiere ruhig beobachten und bewusst mit ihnen umgehen", sagt Diel. Es bleibe immer ein unberechenbarer Faktor, wenn man auf Kühe treffe, ein Trigger könne zu einem Angriff führen. "Man weiß nicht, was für Vorerfahrungen die Tiere gemacht haben", so Diel. Konkret heißt das: an ihrem Anblick erfreuen – ja. Auf sie zugehen und versuchen, sie zu streicheln? Besser nicht!

Welches Verhalten sollte man vermeiden?

Diel rät dazu, die Herde genau in den Blick zu nehmen: Sind Kälber mit dabei? Sind es besonders junge Tiere? "Bei den meisten Angriffen fühlt sich ein Muttertier beziehungsweise ihr Kalb von etwas bedroht", sagt Diel. Das müsse keine bewusste Handlung eines Wanderers sein. "Schon schnelle Armbewegungen können reichen. Hektisches Verhalten kann als Bedrohung verstanden werden", so der Experte. Daher ganz wichtig: ausreichend Abstand einhalten zu Muttertieren mit ihren Kälbern.

Rinder hätten eine äußerst sensible Wahrnehmung für schnelle Bewegungen. Ihr Instinkt sei darauf ausgelegt, leichte, schnelle Bewegungen im Unterholz zu entdecken – genau das tun schließlich auch sich anschleichende Wölfe. Gerade besonders junge Tiere könnten ungestüm sein oder durch Schreckhaftigkeit noch intensiver auf hektische Bewegungen reagieren.

Welche Warnsignale zeigen Kühe vor dem Angriff?

Vorsicht ist aus Sicht des Experten geboten, wenn Rinder mit den Füßen über den Boden scharren oder den Kopf abgewinkelt nach unten senken und dabei die Hörner präsentieren. "Das ist ein klares Warnsignal, ein Angriffssignal", sagt Diel. Auch Kopfschütteln, Brüllen und zielgerichtete Schritte mit fixiertem Blick signalisierten: Alarmstufe Rot.

Wollen Kühe ihre Feinde töten?

Das Ziel der Kühe: eine Gefahr abschrecken und verjagen. Wenn die Warnsignale der Tiere früh erkannt werden, kann sich die Situation deeskalieren lassen, indem langsam zurückgewichen wird, ohne die Kuh aus den Augen zu verlieren. "Es geht der Kuh nicht darum, die Gefahr als Beute zu töten", stellt Diel klar. "Trotzdem kann das Trampeln oder der Einsatz der Hörner tödlich sein", warnt er.

Darf man Kühe anschauen oder macht sie das aggressiv?

Es sei ein Mythos, dass es Rinder aggressiv mache, wenn man sie anschaue, stellt Diel klar. "Rinder haben generell eine eher schlechte Sicht. Sie sind vielmehr auf schnelle Bewegungen gepolt", sagt er. Genau das sei auch das Prinzip des roten Tuchs des Toreros beim Stierkampf – es geht um die schnelle, hektische Bewegung und nicht um die Farbe.

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Auch Hunde können von Kühen als Raubtier fehlinterpretiert und deshalb als Gefahr wahrgenommen werden, sagt Diel. Dabei würden Kühe keinen Unterschied zwischen Dackel, Dogge und Labrador machen. "Die Tiere sind instinktgesteuert, die Hunderasse ist ihnen egal.

Kühe "setzen schnell Hunde mit Wölfen gleich", sagt er. Bei Wanderungen in den Bergen sollte man den Hund daher generell an der kurzen Leine führen und ruhig halten – auch, wenn er gut trainiert ist.

Mit einer Ausnahme: "Wenn eine Kuh Angriffssignale zeigt, sollte man den Hund von der Leine lassen und ihn freilaufen lassen. Die Kuh wird dann den Hund verfolgen – der entkommen kann –, anstatt den Menschen", sagt Diel. Genau das hat die Österreicherin, die Ende Juni ums Leben kam, nicht getan.

Sie ließ die Hunde nach ersten Ermittlungen angeleint. "Es ist fatal, wenn man mit dem angeleinten Hund versucht wegzulaufen oder ein kleines Tier auf den Arm nimmt – und dabei womöglich noch selbst stürzt", sagt Diel. Ratsam also: Hund ableinen und zügig, aber nicht hektisch, die Weide verlassen.

Über den Gesprächspartner

  • Dr. Florian Diel ist Tiermediziner und arbeitet am Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung der LMU München. Er hat den kostenlosen Online-Kurs "Auf Du mit der Kuh" der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf mitentwickelt, in dem das Verhalten gegenüber Kühen vertieft wird.
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