Tourismus und Klimawandel verändern die Berge. Welche Risiken steigen dadurch und was ist in Notfällen oder bei Gewitter zu tun? Ein Experte der Bergwacht gibt Tipps.
Unfälle im Gebirge häufen sich. Das hat auch damit zu tun, dass immer mehr Menschen die Berge für sich entdecken. Bei der Bergwacht Bayern beobachtet man den Trend seit 15 rund Jahren.
Auch der Klimawandel verändert die Bergwelt. Wetterextreme und damit verbundene Gefahren wie umstürzende Bäume, Murenabgänge und Felsstürze in Hochgebirgslagen nehmen zu.
Klimawandel in den Bergen – diese Gefahren drohen
Klimaforscher warnen seit Jahren vor dem erhöhten Aufkommen von Naturkatastrophen in den Alpen. Ein zentraler Faktor für häufiger auftretende Felsstürze ist schmelzender Permafrost. In höheren Lagen hält Permafrost das Gestein wie eine Kittmasse zusammen und trägt zur Stabilität von Hängen bei. Schon geringe Erwärmungen des Permafrosts können Felsstürze auslösen.
Wie ist die Situation in den Bayerischen Alpen? Steigt das Risiko für Bergsportler in Zeiten des Klimawandels? Roland Ampenberger, Pressesprecher der Bergwacht Bayern und erfahrener Bergsportler, sagt: "Permafrost ist ein großes Thema. Es betrifft natürlich nur Regionen, in denen Permafrost vorhanden ist. Im Zugspitzbereich gab es in den letzten Wochen beispielsweise einen größeren Felssturz."
In den allermeisten Gebieten der Bayerischen Alpen sei schmelzender Permafrost ein weniger großes Problem." Denn: In den Alpen gibt es Permafrost an Nordhängen erst oberhalb von etwa 2.400 Metern, an Südhängen ab etwa 2.900 Metern.
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In Bayern sieht Ampenberger eher eine andere Gefahr: "Wir haben natürlich auch das Thema Starkniederschläge. Überall, wo Wasser läuft, kann es gefährlich werden – beispielsweise auch an Wegverläufen durch Murenabgänge. Ein höheres Unfallgeschehen durch das Klima lässt sich aktuell aber nicht beschreiben. Die Gefahren an sich nehmen dadurch aber natürlich zu."
Sicherheitstipps für Bergtouren
Der Club Arc Alpin (CAA) ist der Dachverband von acht führenden Bergsportverbänden des Alpenbogens. Um Bergsportler für die Gefahren im alpinen Gelände durch den Klimawandel zu sensibilisieren, hat der CAA folgende Empfehlungen herausgegeben:
- Tourenplanung mit aktuellen Karten und Informationen gut vorbereiten. Wichtig: Ältere Wegbeschreibungen sind möglicherweise durch landschaftliche Veränderungen wie geschmolzene Gletscher nicht mehr aktuell.
- Warn-Apps und aktuelle Wettervorhersagen beachten.
- Steinschlagspuren großzügig umgehen. In Risikogebieten sind Bergsteigerschutzhelme eine Option.
- Auf ausreichend Hitze- und UV-Schutz für Augen, Haut und Kopf achten. Bei Hitze oder Dehydrierung Schatten aufsuchen. An heißen Tagen früh aufbrechen und Südseiten meiden.
- Anhaltender Regen erhöht das Risiko von Erdrutschen, Muren und Steinschlägen. Nach und während Starkregen sollten Gefahrenstellen wie Mulden, Bachbette und Wege und Täler an steilen Hängen gemieden werden.
- Wintersportler sollten den Lawinenlagebericht tagesaktuell lesen und nach starkem Schneefall steile Hänge meiden. Besondere Unfallgefahr droht auch auf und neben vereisten Pisten.
Gewitter in den Bergen – so verhalten Sie sich richtig
Ob erfahrener Alpinist oder ambitionierter Freizeitwanderer – zur Tourenplanung zählt auch der Blick aufs Wetter. Der Deutsche Alpenverein (DAV) empfiehlt den Wetterbericht von offiziellen meteorologischen Instituten wie dem DWD oder das DAV Bergwetter mit speziellen Prognosen für die Alpen.
Zwar liefern Wetter-Apps oft sehr genaue Angaben, trotzdem handelt es sich um Prognosen. Deshalb sollte der Himmel vor Beginn der Tour und unterwegs beobachtet werden.
Die Wolkenbildung sagt viel über die Gewitterneigung aus: Verbinden sich kleine Schönwetterwolken in kurzer Zeit zu einem Wolkenturm oder zu einer ambossförmigen Wolke und frischt der Wind plötzlich auf, sollte umgehend ein sicherer Ort aufgesucht werden.
Roland Ampenberger rät, möglichst früh aufzubrechen und auch einen Notabstieg und mögliche Zufluchtsorte wie Schutzhütten in die Tourenplanung einfließen zu lassen. Schafft man es nicht rechtzeitig an einen sicheren Ort, gelten bei einem Gewitter im Gebirge folgende Empfehlungen:
- Gipfel, ausgesetzte Stellen und Grate, seilversicherte Steige, wasserführende Areale und erhöhte Felsblöcke zügig verlassen.
- Waldränder und freistehende Bäume und Felsblöcke meiden. Besser: In einer Mulde auf einer freien Wiese oder tiefer im Wald aufhalten.
- Metallische Gegenstände wie Steigeisen aus dem Rucksack entfernen und weit entfernt ablegen.
- Abstand zu anderen Personen vergrößern.
- Schutzposition einnehmen: Mit angezogenen Beinen auf den Rucksack oder ein Kletterseil kauern, um möglichst wenig Bodenkontakt zu haben.
- In Felsenhöhlen 1,5 Meter Abstand zur rückwärtigen Wand halten, da herabfließendes Wasser einen Blitz leiten kann.
Notfall im Gebirge: Notruf, Signale und Verhaltensregeln
Ob durch einen Unfall, einen extremen Wetterumschwung oder Orientierungsverlust – wer im Gebirge in Not gerät oder eine verunglückte Person auffindet, sollte zunächst vor allem eins: die Situation analysieren. Wenn Erste-Hilfe-Maßnahmen, Abstieg oder Bergung nicht erfolgreich oder möglich sind, muss ein Notruf über die 112 abgesetzt werden. Die Notrufnummer gilt europaweit. Über die kostenlose App "SOS-EU-Alp" kann in Tirol, Südtirol und Deutschland ebenfalls ein Notruf mit Standort- und Kontaktdaten an die zuständige Rettungsleitstelle übermittelt werden.
Notrufnummern im DACH-Raum
- Deutschland: 112 (gilt europaweit)
- Österreich: 140
- Schweiz: +41 333 333 333 (mit ausländischem Telefon) oder 14 14 (mit Schweizer Telefon)
"Wer einen Notruf absetzt, sollte für die Leitstelle, den Einsatzleiter der Bergwacht oder für die Hubschrauberbesatzung erreichbar und am Standort bleiben", sagt Roland Ampenberger von der Bergwacht. Und warnt vor einem Risiko: "Bitte nicht alle Bekannten gleich über den Notfall informieren". So soll verhindert werden, dass das Netz belegt ist oder die Akkuleistung unnötig aufgebraucht wird – oder man in ein Funkloch gerät.
Ist kein Notruf möglich, kann mit dem alpinen Notsignal versucht werden, auf sich aufmerksam zu machen: Pro Minute wird sechs Mal ein Signal mit Licht, Pfeife oder Händen gesendet. Dann folgt eine Minute Pause.
Wenn der Rettungshubschrauber kommt
Sucht eine Rettungsgruppe mit dem Hubschrauber nach Personen, helfen diese Signale der Besatzung bei der Orientierung:
- Wenn Sie nicht involviert sind, halten Sie einen Arm diagonal in die Höhe und den anderen Arm diagonal nach unten. Das so gebildete "N" steht für "No" und signalisiert der Rettungsbesatzung, dass es sich nicht um die Unfallstelle handelt und sie weitersuchen müssen.
- Haben Sie den Notruf abgesetzt und befinden sich an der Unfallstelle? Strecken Sie die Arme in die Luft und bilden Sie ein "Y" für "Yes".
Wenn der Helikopter landet, sollten diese Punkte beachtet werden:
- Ein Hubschrauber benötigt eine Aufsetzfläche von etwa 25 x 25 Metern. Beim Landeanflug in ausreichend Entfernung eine kniende Haltung an einer möglichst ebenen Stelle einnehmen.
- Ausrüstung und Kleidung gut festhalten und den Kopf schützen, da der Wind des Propellers Gegenstände in Bewegung setzen kann.
Notruf in den Bergen – wie lange dauert es, bis Hilfe kommt?
Wer im Gebirge einen Notruf abgesetzt hat, sollte sich darüber bewusst sein, dass nicht pauschal gesagt werden kann, wie lange es dauert, bis die Retter vor Ort sind. "Das hängt von vielen Faktoren wie Tageszeit, Erreichbarkeit der Unfallstelle oder der Wettersituation ab", sagt Roland Ampenberger.
"Rettungshubschrauber fliegen bei uns im Gebirge in der Regel nur von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Der Flug in der Nacht ist spezialisierten Besatzungen, etwa der Polizei, vorbehalten. Da ein Hubschrauber auf Sicht fliegt, ist ein Einsatz bei Nebel unter Umständen nicht möglich. Es kommen aber auch geländegängige Rettungsfahrzeuge zum Einsatz – und dann geht man natürlich auch zu Fuß. Manchmal geht es sehr schnell, manchmal dauert es wesentlich länger."
Wer zahlt die Bergrettung?
Wer nicht verletzt ist und vom Berg gerettet werden muss, etwa, weil er sich verstiegen oder übernommen hat und keine entsprechende Zusatzversicherung hat, muss die Rechnung für die Bergrettung selbst begleichen.
Anders sieht es bei Verletzungen aus. "Wenn sie verletzt sind und in Deutschland verunglücken, egal ob das am Münchner Marienplatz ist, bei einem Verkehrsunfall auf der Autobahn oder auf einem Berg, werden die Kosten sowohl für die Bergrettung als auch für den Hubschrauber von der Krankenkasse bezahlt", sagt Roland Ampenberger.
"Wenn sie im Ausland unterwegs sind, dann übernimmt die deutsche Krankenkasse in der Regel auch hierfür die Kosten. Es kann aber auch zu Mehrkosten kommen. Dann ist es gut, eine Zusatzversicherung zu haben, die die Rettung abdeckt."
Vielleicht werden weniger erfahrene Bergfreunde von waghalsigen Touren abgehalten, wenn sie sich die durchschnittlichen Kosten für eine Helikopterrettung vom Berg vor Augen führen. In Deutschland kostet die Bergung mit dem Hubschrauber durchschnittlich 3.120 Euro, in Österreich rund 5.000 Euro.
Laut Roland Ampenberger sollte neben der Kostenfrage auch bedacht werden, dass die Rettung und Hilfe überwiegend durch Freiwillige und Ehrenamtliche ermöglicht wird. "Das sind Menschen, die selbst viel und häufig am Berg unterwegs sind und sich gerade deswegen auch für in Not Geratene engagieren. Für die Gesamtfinanzierung sind Bergrettungsorganisationen wie die Bergwacht auf Spenden und staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen. Die Verrechnung von Einsätzen ist nicht kostendeckend – der Hauptaufwand entsteht durch die Vorhaltung."
Über den Experten
- Roland Ampenberger ist Pressesprecher der Bergwacht Bayern und Vorstand der Stiftung Bergwacht. Seit 30 Jahren ist er ehrenamtlich bei der Bergwacht engagiert, in den vergangenen zehn Jahren im Schwerpunkt bei der Krisenintervention. Privat ist er zu jeder Jahreszeit im Gebirge unterwegs – beim Wandern, Bergsteigen, Tourenskifahren oder Klettern.
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Roland Ampenberger von der Bergwacht Bayern
- Deutscher Alpenverein: Wenn es blitzt und donnert
- Deutscher Alpenverein: Sicher unterwegs im Gebirge in Zeiten des Klimawandels
- Deutscher Alpenverein: Gletscherrückgang und tauender Permafrost
- Deutscher Alpenverein: Mit Herz, Hand und Verstand
- Alpenverein Österreich: Immense Kosten bei Helikopterbergungen – Alpenverein rät zu Versicherungsschutz
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