Nahrungsergänzungsmittel für Kinder sehen harmlos aus, beinahe wie Gummibärchen, doch sind es oft überhaupt nicht. Die Stiftung Warentest warnt aktuell vor den Produkten, die die Gesundheit von Kindern eigentlich unterstützen sollen.

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Besonders in der Erkältungssaison oder in stressigen Zeiten, wie beispielsweise Prüfungsphasen, geben Eltern ihren Kindern öfter Nahrungsergänzungsmittel. Diese sollen das Immunsystem stärken und für eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen sorgen.

Das Problem: Untersuchungen der Stiftung Warentest kamen zu dem Ergebnis, dass die für Kinder empfohlenen Mengen dabei oft überschritten werden, wie die Tester auf einer Pressekonferenz berichten.

Besorgte Eltern greifen zu Nahrungsergänzungsmitteln

Viele Kinder essen lieber Nudeln, Toastbrot und Süßes als Gemüse und Obst. Manchen Eltern fällt es da schwer, ihre Kinder zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung zu bewegen. Die Sorge der Eltern, ihrem Kind könnte es an Vitaminen mangeln, werde von der Nahrungsergänzungsmittel-Industrie ausgenutzt, sagt Nicole Merbach, Ressortleiterin Bereich Ernährung und Gesundheit bei der Stiftung Warentest.

Eine Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI) ergab, dass mehr als fünf Prozent aller Sechs- bis Elfjährigen in Deutschland Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. "Das hört sich nach nicht viel an, entspricht in der Praxis aber Hunderttausenden Kindern", betont Merbach. Die Mittel sind über Onlinehändler, Apotheken und Drogerien leicht zugänglich. Zudem sprechen sie sowohl Eltern als auch Kinder direkt an.

EasyVit Easy Fishoil Multi
Fröhlich, bunt - aber nicht harmlos: das Kinder-Nahrungsergänzungsmittel von EasyVit. © Stiftung Warentest / Thomas Voss

Bunte Bilder und verniedlichende Titel wie "Denkbärchen" lassen die Mittel harmlos erscheinen. Eltern werden zudem mit Wirkversprechen wie einer höheren Konzentrationsfähigkeit des Kindes geködert. Doch wie harmlos und sinnvoll sind Nahrungsergänzungsmittel für Kinder wirklich?

Von fünf Produkten wird unbedingt abgeraten

Die Stiftung Warentest hat für ihre Untersuchung 18 Produkte unter die Lupe genommen. Von fünf raten die Tester nach Auswertung ihrer Ergebnisse unbedingt ab – was jedoch nicht bedeutet, dass die anderen empfehlenswert seien. Denn wie etliche Studien zeigen, benötigen Kinder im Normalfall keine Nahrungsergänzungsmittel.

Von diesen fünf Produkten rät Stiftung Warentest explizit ab

  • Easyvit, Easy Fishoil, Multi
  • Doppelherz System, Omega-3 Family
  • Centrum, Kids Multi Vitamin, Gummies
  • Hübner, Multivital Kids
  • Orthomol, Junior C Plus

In den vier erstgenannten Produkten konnten die Tester zu viel Vitamin A feststellen. Laut Stiftung Warentest wird in diesen Produkten sogar die vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfohlene Menge für Erwachsene deutlich überschritten; bei Doppelherz (für ab 7-Jährige) und Easyvit sogar um die doppelte Menge. Ein Überschuss an Vitamin A reichert sich im Körper an und kann zu Kopfschmerzen, Haut-, Knochen- und Leberproblemen führen.

Orthomol Junior C Plus
In Orthomol Junior C Plus fanden die Tester Kupfer. © Stiftung Warentest / Thomas Voss

In dem Produkt von Orthomol konnten die Tester Kupfer feststellen. Zu viel Kupfer im Körper kann zu Übelkeit und Erbrechen führen. Durch einen langfristigen Überschuss können zudem Leberschäden entstehen.

Auch zehn weitere getestete Mittel überschreiten nach Angaben von Stiftung Warentest die empfohlenen Mengen des BfR oder der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), werden allerdings als weniger problematisch eingestuft. Nur ein einziges Produkt hält sich an die Mengenempfehlungen: Abtei, Kinder Vitamin D3. Zusätzliches Vitamin D wird von Ärzten und Ärztinnen jedoch nur Kindern bis zwei Jahren empfohlen.

Keine gesetzliche Regelung bei Nahrungsergänzungsmitteln

"Unsere Untersuchung zeigt, dass die strengere Regulierung für Nahrungsergänzungsmittel überfällig ist", sagt Holger Brackemann, Bereichsleiter Untersuchungen bei der Stiftung Warentest. Es gebe zwar eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2002, die Nahrungsergänzungsmittel regeln würde, jedoch nicht die Höchstmengen. Die Richtlinie sehe nur vor, dass eine Regelung für die Höchstmengen erarbeitet wird, erklärt Brackemann.

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Eine solche Regelung wäre wichtig für die Marktaufsichtsbehörden, die nur tätig werden können, wenn eine rechtliche Grundlage besteht. Die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) forderte daher Anfang des Jahres unter anderem, Nahrungsergänzungsmittel einem Prüfverfahren vor dem Inverkehrbringen zu unterziehen. "Dieser Forderung schließt sich auch die Stiftung Warentest an", so der Bereichsleiter.

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