Eine abfällige Bemerkung hier, ein demotivierendes Feedback da: Eltern können Kinder mit kleinen Sätzen tief treffen – mit teils schwerwiegenden Folgen.

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Die Zeiten, als der Lehrer im Klassenzimmer den Rohrstock schwingen durfte, sind zum Glück längst vorbei. Doch ein bestimmtes Maß an körperlicher Züchtigung finden erstaunlich viele Eltern bis heute sinnvoll. Dabei ist für Forschende längst belegt, dass Körperstrafen für die Erziehung nicht hilfreich sind und die Kinder im schlimmsten Fall für ihr Leben zeichnen.

Darauf will der Tag für gewaltfreie Erziehung am Dienstag (30.4.) aufmerksam machen. Die Wissenschaft nimmt inzwischen noch einen weiteren Bereich in den Fokus: emotionale Gewalt. Die Schwelle dafür kann im täglichen Erziehungs-Trubel oder im Sportverein relativ schnell überschritten werden.

"Eine Ohrfeige hat noch niemandem geschadet" findet viel Zustimmung

Die Zustimmung zu körperlichen Strafen in der Erziehung ist im Laufe der Jahre in Deutschland zwar stetig zurückgegangen aber verschwunden sind vor allem vermeintlich leichte Strafen wie eine Ohrfeige noch längst nicht.

In einer Untersuchung der Universitätsklinik Ulm im Jahr 2020 stimmten 52,4 Prozent der 2.500 Befragten der Aussage zu, ein Klaps auf den Hintern habe "noch niemandem geschadet". 23,1 Prozent fanden es in Ordnung, ein Kind im Rahmen der Erziehung zu ohrfeigen. 7,2 Prozent halten eine Tracht Prügel für eine akzeptable Erziehungsmaßnahme.

Unter Männern ist die Zustimmung zu solchen Körperstrafen dabei deutlich höher als unter Frauen. Und: Wer als Kind selbst körperlich gezüchtigt wurde, macht das bei seinen Kindern oft ähnlich. Bei der Aussage, ein Klaps auf den Hintern habe noch keinem Kind geschadet, war die Zustimmung unter den Befragten mit eigenen Gewalterfahrungen in der Kindheit 16 Mal so hoch wie bei Befragten, die als Kind keine Körperstrafen erlebt haben. Die Ulmer Wissenschaftler sprechen deshalb von einem "Teufelskreis der Gewalt".

Einen pädagogischen Nutzen habe eine solche Bestrafung jedenfalls nicht, betont Tobias Hecker, Professor für Klinische Psychologie und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. "So eine Strafe führt eigentlich immer in einen Machtkampf, der wenig Lerneffekt und viel Widerstand bei einem Kind hervorruft."

"Erwachsene verfügen über unendlich viele Möglichkeiten, ein Kind in Angst und Schrecken zu versetzen, ohne es je einmal anzurühren."

Sabine Andresen, Präsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes

"Jetzt stell dich nicht so an!": Was solche Sätze auslösen können

In vielen Fällen läuft das, was Wissenschaftler als Gewalt gegenüber Kindern bezeichnen, aber viel subtiler und ohne Handgreiflichkeiten ab etwa mit abfälligen Bemerkungen oder demotivierendem Feedback. "Das wird häufig gar nicht als Gewalt wahrgenommen", sagt Hecker. "Aber wenn man die Folgen anschaut, dann ist das für die psychische Gesundheit mindestens genauso schwerwiegend vielleicht sogar schwerwiegender."

Meist finde emotionale Gewalt durch kleine, fast beiläufige Sätze statt. "Erwachsene verfügen über unendlich viele Möglichkeiten, ein Kind in Angst und Schrecken zu versetzen, ohne es je einmal anzurühren", sagt Sabine Andresen, Präsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes. "Das schaffst du eh nicht!" sei so ein Satz. Oder: "Jetzt stell dich nicht so an!" Oder: "Wenn du nicht mitkommst, dann gehe ich ohne dich!"

Gerade in einer Phase, in der Kinder Selbstbewusstsein entwickeln sollen, könnten solche Sätze eine verheerende Wirkung haben, sagt Andresen. "Wenn man solche Sprüche über Jahre hört, dann kann das in allen Bereichen massive Folgen haben, auch für die Bildungschancen eines Kindes oder Jugendlichen", betont Andresen, die als Professorin für Sozialpädagogik und Familienforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main lehrt.

"Emotionale Gewalt hinterlässt keine sichtbaren Spuren."

Sabine Andresen, Präsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes

Mehr als 60 Prozent erleben psychische Gewalt im Verein

Anders als bei körperlicher Gewalt wissen Forschende bislang noch relativ wenig über Verbreitung und Folgen von emotionaler Gewalt in Familie oder Schule. Die Sporthochschule Köln und die Universitätsklinik Ulm haben 2022 aber den Vereinssport unter die Lupe genommen. 4.300 Mitglieder von Sportvereinen wurden repräsentativ befragt. Immerhin 63 Prozent gaben an, psychische Gewalt im Verein erfahren zu haben die meisten sogar mehrfach. Gemeint sind etwa Sätze wie "Du ziehst das ganze Team runter" oder abfällige Bemerkungen über das Gewicht eines Kindes.

"Oft fehlt es den Erwachsenen an Bewusstsein dafür, wie sehr solche Sätze die Kinder entwürdigen und demotivieren", sagt Andresen. In einer internationalen Studie hätten die befragten Kinder gesagt, einmal eine Ohrfeige zu bekommen, sei weniger schlimm, als in einem Klima emotionaler Gewalt leben zu müssen.

Auch Depressionen, Ängste und ein überhöhtes Stress-Empfinden im Erwachsenenalter würden inzwischen in Zusammenhang gebracht mit Erfahrungen von emotionaler Gewalt in Kindheit und Jugend.

Alle Erwachsenen müssten aufmerksamer werden für die Wirkung solcher Sätze, fordert Andresen. "Emotionale Gewalt hinterlässt keine sichtbaren Spuren." Deshalb blieben die Kinder mit den Folgen noch viel häufiger allein als bei körperlicher Gewalt.

"Kindern sind ihre Regelbrüche eigentlich immer bewusst."

Tobias Hecker, Professor für Klinische Psychologie und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld

Wie viel Strenge in der Erziehung ist erlaubt?

Die Mahnung zu einer gewaltfreien Erziehung heiße aber nicht, dass man den Kindern alles durchgehen lassen müsse, betonen die Experten. "Kinder brauchen Orientierung. Es ist wichtig, ihnen Grenzen zu setzen und Regeln für das Miteinander zu vermitteln", betont Hecker. "Wenn das Kind solche Regeln nicht einhält, dann darf das Konsequenzen haben."

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Wichtig sei, möglichst konkret aufzuzeigen, welche negativen Folgen ein Fehlverhalten hat. Wenn sich Geschwisterkinder prügeln, könnten Eltern anschließend helfen, bei den Kindern Verständnis füreinander zu schaffen. Wenn ein Kind sein Zimmer anders als verabredet nicht aufgeräumt hat, dann könne die Konsequenz sein, dass es eben noch nicht zu einem Freund zum Spielen gehen darf.

Eltern nutzen Strafe, um die eigenen Gefühle zu regulieren

"Kindern sind ihre Regelbrüche eigentlich immer bewusst", sagt Hecker. Daraus entstehe dann auch ein Lerneffekt. "Eine Strafe ist hingegen eher eine Strategie der Eltern, die damit ihre eigenen Gefühle regulieren wollen."

Wer trotzdem mal aus der Haut fährt, habe deshalb nicht sofort als Vater oder Mutter versagt. "Jedes Elternteil wird irgendwann mal ein Kind anschreien", sagt Hecker. "Wenn das mal passiert, hat es für ein Kind nicht gleich schädliche Folgen. Aber es ist schon wichtig, sich nach so einer Situation zu reflektieren."

Kinder und Jugendliche könnten sehr gut unterscheiden, ob die Eltern sie immer von oben herab behandeln oder ob sie in einer stressigen Situation mal überreagieren, betont auch Andresen. "Dann sollte einem aber auch kein Zacken aus der Krone brechen, anschließend zu sagen: Ich wollte nicht so harsch sein, es tut mir leid." (dpa/mak)

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