Finnland ist uns in Sachen Bildung weit voraus: Das wissen wir seit der ersten PISA-Studie im Jahr 2000. Auch die anderen skandinavischen Staaten liegen deutlich vor dem übrigen Europa. Seither dient insbesondere das schwedische Modell als Vorlage für europäische Schulreformen – doch was ist so gut daran?
Ein Vergleich der Bildungssysteme in Finnland und Schweden mit Österreich zeigt grundlegende Unterschiede: Während in Österreich Kinder mit sechs Jahren schulpflichtig werden und nach vier Jahren Volkschule schon die Entscheidung über ihre weitere Schulbildung - Hauptschule, Neue Mittelschule oder Gymnasium - treffen müssen, beginnen die Kinder in Finnland und Schweden ihre Schulzeit erst mit sieben Jahren. Sie bleiben neun Jahre lang auf einer Gesamtschule, ehe sie sich für ein dreijähriges Gymnasium oder eine Berufsausbildung entscheiden.
Schwedischen und finnischen Eltern steht vom Säuglingsalter an ein - kostenloser - Betreuungsplatz für ihr Kind zu. Dieses Gemeinschaftserlebnis und die frühe Förderung prägen die Kinder und bereiten sie auf die Schule vor. In den ersten Schuljahren gibt es weder in Finnland noch in Schweden Noten. In beiden Ländern findet der Unterricht in kleinen Klassen statt - in Finnland sind es rund 15 Schüler pro Klasse.
Der Einsatz von Notebooks, multimedialer Technik und E-Learning ist in Skandinavien selbstverständlich. Der Unterricht basiert auf gemeinsamer Arbeit und individueller Lernförderung: Hier kommt ein Team von Sonderpädagogen, Assistenten und Schülertutoren ins Spiel. Die Lehrpläne lassen Regionen, Schulen und Lehrern viel Freiraum für selbständiges Handeln. Schulbusse, Unterrichtsmaterial und ein warmes Mittagessen für die Kinder sind kostenlos.
PISA 2012: Finnland führt, Schweden stürzt ab
Während Finnland seine Spitzenposition 2012 halten konnte, rutschte Schweden im PISA-Test signifikant ab: Platz 38 in Mathematik, Platz 32 in Naturwissenschaften und Platz 35 in Lesekompetenz. Damit liegt es deutlich hinter Österreich, das die Plätze 18, 23 und 27 belegte.
Als Ursache für das schwedische Desaster vermuten Experten eine Schulreform der 1990er-Jahre: Damals wurde eine freie Schulwahl eingeführt, um den Wettbewerb unter den Schulen zu fördern. Heute wird ein Fünftel der Schulen privat geführt und muss um Schüler werben. Daraus resultiert eine Selektion, die eine Entstehung staatlicher "Problemschulen" mit bis zu 100 Prozent Ausländeranteil begünstigt. Von Chancengleichheit kann dabei keine Rede sein: Integration findet nicht mehr statt, regionale Unterschiede sind enorm und der soziale Ausgleich greift nicht.
In Finnland hingegen gibt es kaum Privatschulen. Der finnische Staat investiert rund 6,5 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Qualität seiner Bildung und besetzt Führungspositionen im Bildungswesen nur mit erfahrenen Lehrern, die das System im Detail kennen. Die finnische Bildungsministerin Krista Kiuru war beispielsweise elf Jahre lang hauptberuflich als Lehrerin tätig.
Neustrukturierung in Österreich
Das österreichische Bildungssystem setzt traditionell auf Konkurrenz. Chancengleichheit und sozialer Aufstieg gibt es nur in geringem Maß; der Beruf des Lehrers genießt mäßiges Ansehen, und die Lehrerausbildung steht am Beginn einer seit Jahrzehnten überfälligen Reform.
Dennoch basiert die laufende Bildungsreform in ihren Grundzügen auf dem skandinavischen Vorbild: mit dem Schuljahr 2015/16 läuft die Hauptschule aus. Künftig gibt es nur noch Neue Mittelschulen, die sich am Leistungsanspruch der AHS orientieren und meist schulische Tagesbetreuung anbieten. Alle AHS-Unterstufen sind eingeladen, auf die Neue Mittelschule umzusteigen - ein erster Schritt in Richtung Gesamtschule.
Parallel dazu erhalten künftig alle Lehrer eine gleichwertige Ausbildung in einem Bachelor-Studium, müssen einen mehrstufigen Eignungstest durchlaufen und mehr praktische Erfahrung sammeln. Wer als Lehrer eine Festanstellung anstrebt, muss ein Masterstudium absolvieren.
Ein Vergleich der Bildungsausgaben gibt schließlich Aufschluss über den Stellenwert von Bildung in den drei Ländern: Laut OECD-Statistik gaben Finnland und Schweden 2010 jeweils 6,5 Prozent ihres BIP für Bildung aus. Und Österreich? Da waren es nur 5,8 Prozent.
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