Hamburg - Die Nachricht macht schnell die Runde im Freundeskreis: Katja und Thomas haben sich nach sieben Jahren Beziehung getrennt. Was bedeutet das für die Freundschaften? Darf Max jetzt noch mit Katja feiern gehen, obwohl er Thomas' bester Freund ist?
Loyalitätskonflikt für Außenstehende
Häufig stellt sich nach einer Trennung die Frage, wer über wen in den Freundeskreis gelangt ist, sagt die Hamburger Psychologin Nele Sehrt. Dementsprechend fächern sich die Freundschaften wieder auf. Max wird sich also vielleicht weiter mit Thomas treffen, aber nicht mit Katja.
Wie sich das Liebes-Aus im Detail auf den Freundeskreis auswirkt, kommt auch maßgeblich auf die Art der Trennung an, sagt Clemens von Saldern. "Wenn das getrennte Paar in Kontakt bleibt, ist es auch für den Freundeskreis leichter, weil dann kein Loyalitätskonflikt entsteht", sagt der Paartherapeut aus Berlin.
Genau der ist nämlich das Hauptproblem für alle, die mit beiden Teilen des getrennten Paares weiter befreundet bleiben wollen, so die Nürnberger Familientherapeutin Valeska Riedel. Dabei hätten die wenigsten Lust, sich auf eine Seite zu schlagen, sagt von Saldern.
Trennt sich das Paar im Streit, wird von Freunden jedoch häufig genau das erwartet und eingefordert bis hin zur Instrumentalisierung und Manipulation. Nach dem Motto: Bist Du nicht für mich, bist Du gegen mich. "Fair ist das nicht", sagt Clemens von Saldern.
Eine Trennung im Freundeskreis kann dazu führen, die eigene Beziehung zu überdenken, sagt Valeska Riedel. Bei manch einem schürt das die Angst vor Veränderungen, andere zweifeln die eigene Beziehung ohnehin an und befürchten nun, ein Single oder eine Single in der Clique könne zur Bedrohung werden.
Gefühlschaos und Ausnahmezustand
Wie glimpflich sie auch abläuft, nach einer Trennung herrscht für alle Beteiligten Ausnahmezustand. Die Glückshormone und -Gefühle sind weg, man ist also auf Entzug und orientiert sich an Vergangenem. "Freunde sollten sich darauf einstellen, dass es ein hin und her wird, also mal sehnsuchtsvoll, mal freudig, dass alles vorbei ist", schildert Psychologin Nele Sehrt.
Dabei gelte es, die Emotionen zu würdigen, sich aber nicht zu Richter und Richterin aufzuspielen. So könne man Freund oder Freundin mitteilen: "Ich geh mit Deiner Wut mit, aber nicht mit Deinen Anschuldigungen." Sie rät zu Respekt vor der Trennung und den Gefühlen, aber Respektlosigkeit gegenüber Denunziationen.
Während einer Trennung sind Emotionen wie Wut, Enttäuschung, Trauer, Schmerz, Scham und Angst im Spiel. "All das wollen wir nicht fühlen, denn nach einer Trennung haben wir es häufig mit intensiven und derart widersprüchlichen Gefühlen zu tun, dass es schon mal zu viel werden kann", sagt Valeska Riedel.
Diese Vorgänge liefen meist unbewusst ab. Einerseits sei da Wut, andererseits auch die Sehnsucht und der Wunsch, dass alles wieder "gut" sein soll. "Diese widersprüchlichen Emotionen spiegeln sich uns dann im Freundeskreis."
Das könne helfen, weil sie in verschiedenen Personen des Freundeskreises auftauchten und nicht geballt auf einmal im eigenen Inneren. Das kann dabei helfen, seinen eigenen Standpunkt besser fassen zu können.
Wann stelle ich meine neue Flamme vor?
Generell können die Konstellationen nach einer Trennung so unterschiedlich sein, wie Menschen und ihre Art, Beziehungen zu führen, unterschiedlich sind, stellt Nele Sehrt klar. Dennoch lasse sich als Regel festhalten: Je fester die Struktur der Beziehung war - also beispielsweise nach Jahren der Ehe mit gemeinsamem Haus und Kindern - desto mehr Zeit dürfe man sich lassen, um im Freundeskreis jemand Neuen vorzustellen.
Clemens von Saldern rät, zunächst den Ex-Partner oder Partnerin darüber zu informieren, dass es eine neue Person im eigenen Leben gibt. "Fragen Sie sowohl im Freundeskreis als auch den oder die Ex, ob man sich schon kennenlernen will."
Trennungsprozess nachvollziehen
Fällt es einem schwer, jemand Neuen willkommen zu heißen, sei es als Freund und Freundin durchaus legitim zu schildern, dass man mit der Situation noch nicht umgehen könne, sagt Nele Sehrt. Es sei hilfreich zu erfragen, wie der Prozess der Trennung abgelaufen sei, um keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.
Zum Beispiel könnte es sein, dass man sich schon länger entliebt hatte, wegen der Kinder aber zusammenblieb. "Dann fühlt es sich auch richtig an, schnell jemand neuen zu haben, weil man innerlich schon länger getrennt war", sagt Sehrt. Je mehr man als nahestehende Person von dem Prozess wisse, desto eher könne man ihn nachvollziehen.
Neue Räume für Freundschaften suchen
Was aber tun, wenn einen das Gefühl beschleicht, aus der Clique aussortiert zu werden? Als frisch getrennte Person lohne es sich, den Wunsch nach bestehender Freundschaft zu äußern, rät Clemens von Saldern. Das sei hilfreich, damit keine Eigendynamiken entstünden. "Je früher das Signal kommt, desto besser."
Nele Sehrt sieht derartige Vorgänge als Einladung zur Selbstreflektion: Werde ich gerade als Person aussortiert? Oder liegt es daran, dass ich mich permanent so beschwert und über den anderen hergezogen habe, dass sich das niemand mehr anhören will? "Am besten pickt man sich eine Person aus dem Freundeskreis heraus, schildert, wie man sich gerade fühlt und bittet um eine ehrliche Antwort."
Valeska Riedel empfiehlt eine Bestandsaufnahme, sobald man dazu in der Lage ist: Aus welchen Motiven möchte ich die Freundschaft aufrechterhalten? Geht es nur um Einfluss auf den oder die Ex, ist das weniger sinnvoll. "Oft ist einem selbst genau das noch nicht gleich klar", sagt Riedel. Wenn die Bestandsaufnahme aber ergibt, dass einem die Person wichtig ist, sei es empfehlenswert, ihr das auch zu sagen. "Vielleicht muss man sich dann gemeinsam neue Räume für die Freundschaft suchen", sagt Riedel. © dpa
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