Es gibt Tage, an denen fehlt es einem an Motivation für die Arbeit – man hat, salopp gesagt, einfach keinen Bock. In manchen Firmen reicht das tatsächlich als Begründung, um nicht bei der Arbeit zu erscheinen. Was hinter sogenannten "Null-Bock-Tagen" steckt.

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Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgens auf, draußen ist es noch dunkel und Sie haben absolut keine Lust, zur Arbeit zu gehen. Anstatt sich jetzt jedoch aus dem Bett quälen und den Tag lustlos in der Arbeit verbringen zu müssen, greifen Sie einfach nach dem Handy und melden sich spontan bei Ihrem Arbeitgeber ab. Als Grund nennen Sie: keinen Bock.

Klingt absurd, ist bei manchen Unternehmen allerdings Realität. Besonders in den USA haben sich "Null-Bock-Tage" in großen Firmen bereits durchgesetzt, doch auch manche deutsche Unternehmen trauen sich an das Konzept heran.

Was steckt hinter "Null-Bock-Tagen"?

Der Name ist Programm: Wer "null Bock" hat, zu arbeiten, kann das seinem Arbeitgeber melden und muss an diesem Tag dann auch nicht erscheinen. Krankheitstage sowie Urlaubstage sind davon unabhängig

"Null-Bock-Tage" sind also zusätzliche freie Arbeitstage, die spontan genommen werden können - und auch noch bezahlt sind. Kann das gut gehen?

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In den USA gibt es bereits einige Unternehmen, die als Vorreiter dienen. Dazu zählen beispielsweise Nike, LinkedIn, Netflix, Microsoft oder Google. Je nach Unternehmen werden diese Tage anders bezeichnet und unterschiedlich gehandhabt.

So bezeichnet Microsoft die zusätzlichen freien Tage als "Discretionary Time Off" (dt.: Freizeit nach eigenem Ermessen). In diesem Fall bedeutet das, dass US-Mitarbeitende ihre Freizeit individuell gestalten können und sich so viele Tage freinehmen können wie sie wollen, schreibt etwa das US-Magazin "The Verge". Grund für diesen Schritt sollen die aktuellen Veränderungen in der Arbeitswelt sein, wie beispielsweise Homeoffice oder die Vier-Tage-Woche.

In Großbritannien gibt es bereits sogenannte "Reset Days", an denen man zwar arbeitet, jedoch angibt, nicht an Meetings teilnehmen zu wollen oder durch Anrufe gestört zu werden. Die britische Unternehmensberatung MTD prognostiziert, dass "Null-Bock-Tage" die Erweiterung dieses Konzepts werden könnte.

Auch in Deutschland ist das Konzept angekommen, wenn auch erst bei wenigen Firmen. Das Unternehmen Einhorn, das Periodenprodukte und vegane Kondome herstellt, nutzt "Null-Bock-Tage" bereits seit acht Jahren.

"Null-Bock-Tage" sollen die Produktivität steigern

Philip Siefer, Gründer von Einhorn, sagte im Gespräch mit der "Welt": "Ich habe gemerkt, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die keinen Bock haben, gerade hier zu sein, ist total ätzend. Und dann haben wir gesagt, wenn du keinen Bock hast zu kommen, brauchst du nicht zu kommen."

Das Unternehmen setzt auf Eigenverantwortung und gegenseitiges Vertrauen. Ein Limit für "Null-Bock-Tage" gibt es nicht, doch das sei bisher auch nicht nötig gewesen. Die Tage werden genutzt, aber nicht ausgenutzt.

"Wenn ich jetzt viermal die Woche keinen Bock hab, dann würden wir irgendwann mal fragen, ob es dir gut geht und ob wir was für dich tun können. Weil es dann natürlich irgendwann teuer wird und dir geht’s schlecht und das ist dann irgendwie für alle nicht so toll", so Siefer.

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Gegenüber RTL sagte Markus Wörner von Einhorn, dass Arbeitnehmern durch das Konzept viel Vertrauen entgegengebracht werde - der Arbeitgeber es umgekehrt aber auch zurückbekomme.

Mitarbeiter würden auf diese Weise mit Lust und Leidenschaft an ihre Arbeit gehen, anstatt sich unmotiviert durch den Arbeitstag zu schleppen. Bei Einhorn sei auf diese Weise die Produktivität gestiegen – trotz gesunkener Arbeitsstunden.

Unternehmen kämpfen um junge Mitarbeiter

Homeoffice, verkürzte Arbeitszeiten, Sportkurse, Sabbatical – Unternehmen lassen sich immer mehr Anreize einfallen, um junge Menschen für sich zu gewinnen. Der Fachkräftemangel ist akut und verlangt Firmen einiges ab. Auf Social-Media-Plattformen wie LinkedIn oder TikTok wird immer mehr über eine gesunde Work-Life-Balance gesprochen.

Für Firmen, die "Null-Bock-Tage" bereits eingeführt haben oder für die das Konzept Sinn ergeben würde, ist es eine neue Möglichkeit, Arbeitskräfte für sich zu begeistern. Doch wie sieht es in anderen Berufssparten aus, wo das nicht so einfach ginge? Was ist beispielsweise mit Lehrkräften oder Pflegepersonal?

Unternehmensberater Thomas Jansen sagte dem WDR, ihm falle kein Bereich ein, in dem ein solches Modell nicht umsetzbar wäre. Eine gute Gesprächsbasis innerhalb des Unternehmens und unter den Mitarbeitenden sei die Grundlage für ein solches Arbeitskonzept. Zudem müssten Kernprozesse geklärt seien: Also wer erledigt die Arbeit stattdessen oder kann sie vielleicht noch einen Tag warten?

Doch ist das wirklich realistisch?

Ein Ökonom und ein Arbeitsrechtler sehen das komplett anders. Wettbewerbsökonom Jens Südekum sagte zur "Welt": "Das passt überhaupt nicht in diese Zeit und ist ein ziemlich absurder Vorschlag." Und auch Arbeitsrechtler Michael Felser äußerte sich gegenüber dem WDR kritisch: Arbeitnehmende hätten ja schon jetzt durch eine Krankmeldung die Möglichkeit, zu Hause zu bleiben, wenn sie sich arbeitsunfähig fühlten. Eine ärztliche Krankschreibung bräuchte es per Gesetz schließlich erst ab dem vierten Tag. Diese Regelung basiere ebenso auf einem Vertrauensverhältnis wie "Null-Bock-Tage".

Felser kritisiert zudem die Verantwortung, die dadurch an die Arbeitnehmenden abgegeben werde sowie den Begriff "Null-Bock-Tage", der ein falsches Signal sende. Sein Vorschlag: Unternehmen, die an einer Entlastung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter interessiert seien, sollten eher über zusätzliche Urlaubstage nachdenken.

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