Im letzten Jahr konnten in Österreich 600 freie Lehrstellen nicht besetzt werden, durch die geburtenschwachen Jahrgänge wird der Lehrlingsmangel zusätzlich verschärft. Der ORF "Report" ging der Frage nach, was hier schief läuft und wie Betriebe auf diese Herausforderung reagieren.
Geeignete Lehrlinge werden immer mehr zur Mangelware. Viele Schüler drängen in eine höhere Schule, die mit Matura abschließt. Denen, die sich für eine Lehre interessieren, fehlt es hingegen oft an schulischen Grundkompetenzen wie rechnen, schreiben und lesen.
Deshalb schulen immer mehr Firmen Lehrlinge im eignen Betrieb in diesen Fertigkeiten und versuchen, dem Problem mit den fehlenden schulischen Grundkompetenzen aktiv entgegenzuwirken.
In betriebsinternen Maßnahmen und Berufsschulen wird versucht, den Jugendlichen dabei zu helfen, Bildungsdefizite auszugleichen.
Kleine Betriebe können sich Nachhilfe nicht leisten
"Wenn wir die Lehrlingszahlen anschauen, müssen wir feststellen, dass wir seit 2008 etwa 130.00 Lehrlinge weniger haben und wir haben über 11.000 betriebliche Ausbildungsplätze weniger, also Betriebe die sich gänzlich von der Lehrlingsausbildung verabschiedet haben", erklärt Egon Blum, Unternehmer und Lehrlingsbeauftragter der Bundesregierung von 2003 bis 2008 im Report.
"Jene Betriebe die groß sind, die können sich das leisten, Nachhilfeunterricht zu machen, die brauchen die Leute auch. Das bezahlt sich in der Folge. Aber die Klein- und Mittelbetriebe, die eine Ausbildung anbieten, die Leute dann aber nicht behalten können, für die rechnet sich das niemals", so Blum.
Fast zwei Drittel der Betriebe geben an, dass das Bildungsniveau der Lehrlinge in den letzten Jahren schlechter geworden ist, so eine Bedarfsanalyse der Wirtschaftskammer. Wenn Jugendliche nach der Schule in die Arbeitswelt kommen, fehlt es oft an den einfachsten Kenntnissen, weiß Linda Bläuel vom Berghotel Tulbingerkogel.
So würden viele Lehrlinge soziale Umgangsformen wie etwa das Grüßen nicht beherrschen. In der Küche sei es wichtig, das Einmaleins zu beherrschen, um Mengen zu berechnen - für viele Jugendliche keine leichte Aufgabe.
Arbeitgeber stoßen hier oftmals an ihre Grenzen, da sie den Bildungsauftrag nicht vollständig übernehmen können und sie der zusätzliche Aufwand abseits der eigentlichen Ausbildung überfordert.
Mankos der Lehrlinge ausgleichen
"Ich glaube, wir haben hier ein gesellschaftspolitisches Thema. Das Bildungssystem muss auf neue Beine gestellt werden. Ich finde, dass es richtig ist, dass Kinder solange wie möglich in der Schule bleiben. Das Thema der Bildungspflicht anstelle der Schulpflicht ist in meinen Augen ein ganz elementares. Das könnte man innerhalb eines Jahres umsetzen", so Stefan Ehrlich Adam, Geschäftsführer des Schlüsselherstellers Evva im Report. Evva bildet jährlich zwei Lehrlinge aus.
Die Sparakademie blickt auf eine lange Tradition zurück und ist der größte private Lehrausbilder in Österreich. Derzeit werden in Wien rund 300 Lehrlinge aus 34 Nationen ausgebildet.
Für viele Jugendliche ist es attraktiv bei Spar Lehrling zu sein. Obwohl Spar jährlich aus tausenden Bewerbern auswählen kann, gibt es auch hier bei manchen Lehrlingen Nachholbedarf. "Wir unterstützen hier als Arbeitgeber, das heißt wir organisieren Seminare wo die Jugendlichen diese Mankos, die es vielleicht gibt, weil sie erst kurz in Österreich sind oder weil sie doch in der Pflichtschule nicht so aufgepasst haben, einfach aufholen können", so Robert Renz, Leiter der Spar-Akademie im "Report".
Spar nennt diese Unterstützungsangebote bewusst nicht "Förderkurs" oder "Deutschnachhilfekurs", sondern man hat sich für die Titel "Kommunikationstraining" und "Social Skills Training" entschieden, da diese Begriffe laut Spar peppiger klingen und sich die Jugendlichen damit wohler fühlen.
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