Luis Bauer ist Bestatter und Influencer. Auf TikTok, Instagram und Youtube lässt der 19-Jährige seine Followerinnen und Follower an seinem Arbeitsalltag teilhaben.
Luis Bauer ist 19 Jahre jung und in seinem Beruf doch schon ein alter Hase: Seit Jahren arbeitet er als Bestatter im Unternehmen seines Vaters. Auf seinen Social-Media-Kanälen gibt der Fürther Einblicke in seine Arbeit. Millionen klicken auf seine Videos.
Im Interview verrät er, was er mit seinen Videos erreichen möchte, ob er als Bestatter immer in Schwarz kommt und wie genau die Versorgung von verstorbenen Menschen abläuft. Die Redaktion erreichte den Influencer telefonisch, als er gerade am Cargo Terminal am Flughafen in Nürnberg steht und auf eine Urne wartet.
Luis, wo erwische ich Dich gerade?
Luis Bauer: Im Moment stehe ich am Nürnberger Flughafen und warte am Cargo-Terminal auf eine Urne, die aus dem Ausland ankommen soll.
Passiert das öfter, dass Du zum Flughafen musst?
Ja, das kommt schon vor, aber nicht jede Woche. Wir holen ab und zu jemanden in der Urne oder im Sarg vom Flughafen ab oder wir bringen Verstorbene zum Flughafen, damit sie in das Land geflogen werden, in dem die Bestattung stattfinden soll.
In der Luftfahrt ist das einheitlich geregelt: Ganz egal ob Urne oder Sarg, beides fällt unter Luftfracht. Ich habe die Dokumente dabei, damit ich die Urne in Empfang nehmen darf. Ich kann sie dann einfach mitnehmen, beim Sarg würde jetzt der Gabelstapler anrollen. Davor muss ich aber noch schauen, ob es etwas zu verzollen gibt und schon geht's zurück zum Bestattungswagen.
"Wäre ich nicht Bestatter geworden, hätte ich versucht, Pilot zu werden"
Du bist Bestatter in der sechsten Generation und arbeitest in eurem Familienbetrieb – gab es für Dich überhaupt je einen anderen Berufswunsch?
Ich habe tatsächlich noch nie gedacht, ich wäre jetzt lieber was anderes geworden. Für mich passt alles so, wie es ist. Ich habe das erste Mal im Alter von ungefähr 13 Jahren im Betrieb mitgeholfen, Vollzeit bin ich dann mit 16 eingestiegen, weil's mich einfach interessiert hat. Wäre ich nicht Bestatter geworden, hätte ich versucht, Pilot zu werden, weil mich alles rund um die Luftfahrt sehr interessiert.
Bist Du als Bestatter immer im schwarzen Anzug unterwegs?
Nein (lacht). Schick angezogen bin ich schon, das gehört sich auch, dass man gut gekleidet kommt. Aber es muss keinesfalls immer der schwarze Anzug sein. Ich laufe natürlich nicht super bunt rum. Jetzt gerade trage ich eine graue Hose und ein blaues Hemd mit Muster. Ein cooles Muster auf dem Hemd geht schon auch mal.
Und bei der Versorgung der Verstorbenen habe ich sogenannte Bereichskleidung an, also das, was man in Krankenhäusern oder Arztpraxen auch sieht.
Wenn Du nicht gerade am Flughafen auf eine Urne wartest: Wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?
Sehr bunt gemischt tatsächlich. Ich kümmere mich um die Versorgung der Verstorbenen. Das heißt, ich desinfiziere, wasche und kleide sie an. Vielleicht ist auch eine Einbalsamierung dabei, weil die verstorbene Person ins Ausland überführt werden muss, da ist das Pflicht. Dann steig ich mit meinem Kollegen ins Auto und hole Verstorbene ab. Je nachdem, wo sie verstorben sind: ob zu Hause, im Altenheim oder im Krankenhaus.
Während der Autofahrten überlege ich mir meistens schon mal, welches Video ich als nächstes auf Social Media hochlade. Und zwischen den Abholungen kümmere ich mich noch nebenbei um die Traueranzeigen. Jeder Tag ist anders.
"Ich will die Menschen über den Tod aufklären und ihnen etwas Spannendes erzählen"
Wann hast Du mit Social Media angefangen?
Im Februar 2021. Das erste Video ging direkt viral.
Mittlerweile hast Du auf TikTok, Instagram und Youtube über 1,7 Millionen Followerinnen und Follower. Was möchtest du mit Deinen Videos erreichen?
Ich will die Menschen über den Tod aufklären und ihnen etwas Spannendes erzählen, manchmal vielleicht auch etwas Verrücktes. Sodass die Zuschauer am Ende jedes Videos vielleicht sagen können: "Hey, cool, das wusste ich noch nicht".
Videos zu machen war schon immer eines meiner Hobbys. Ich drehe meistens nach Feierabend, also wenn der Tagesbetrieb vorbei ist.
Lesen Sie auch
- Was viele nicht wissen: Auch der Mietvertrag wird vererbt
- Sie begleitet Kinder auf ihrem Weg in den Tod
Du machst auch einen Podcast mit deinem Vater, der gleichzeitig Dein Chef ist. Worum geht es in eurem Podcast?
Den Podcast haben wir neu aufgelegt. Er heißt "Um Leben und Tod" und darin geht es, wie der Name schon sagt, auch um das Thema Tod und Sterben, aber bisschen mehr in die True-Crime-Richtung. Anders als bei meinen Videos haben wir im Podcast viel mehr Zeit, um über die Dinge zu sprechen.
Das läuft gerade richtig gut an, ich bin gespannt, wie es weitergeht. Eventuell wird es auch mal eine kleine Live-Tour geben. Zu hören gibt's den Podcast überall, wo es Podcasts gibt.
"Alles in allem kümmern wir uns darum, dass die verstorbene Person so natürlich wie möglich aussieht"
Kommen wir zum Eingemachten: Wie genau läuft so eine Versorgung der Verstorbenen ab?
Der Verstorbene wird auf den Versorgungstisch gehoben und entkleidet. Dann werden Zugänge aus dem Krankenhaus und Verbände oder Pflaster entfernt. Danach wird desinfiziert und gewaschen. Also so wie bei einer richtigen Dusche mit Shampoo und Duschgel. Die Männer werden außerdem rasiert. Im Anschluss werden alle Körperöffnungen mit Watte tamponiert, damit keine Körperflüssigkeiten mer austreten können.
Wenn sich die Familie nochmal verabschieden will, soll es nicht wie auf einer Fußballstadiontoilette riechen. Und damit es natürlicher aussieht, nähen wir auch den Mund des Verstorbenen zu. Die kleine Naht sieht man aber nicht. Alles in allem kümmern wir uns darum, dass die verstorbene Person so natürlich wie möglich aussieht.
Setzt ihr dafür auch Schminke ein?
Ja, das ist aber nicht zu vergleichen mit normaler Schminke wie Lippenstift oder Make-up. Das machen wir auch, wenn das die Familie möchte und wir lackieren auch Nägel oder sprühen Parfüm. Aber die Verstorbenenschminke ist nochmal was anderes. Die ist hauptsächlich dazu da, um unschöne Flecken wie zum Beispiel Hämatome zu verbergen.
Und was passiert bei einer Einbalsamierung?
Durch eine Einbalsamierung wird der verstorbene Körper haltbarer gemacht. Was viele nicht auf dem Schirm haben: Ab dem Zeitpunkt des Todes verändert sich der Körper mehr oder weniger stark und schnell. Da trocknen die Finger ein, die Augen fallen ein, manchmal geht das sogar soweit, dass man die verstorbene Person gar nicht mehr erkennt.
Durch die Einbalsamierung lässt sich das hinauszögern. In den Körper wird dafür eine spezielle Lösung injiziert. Bei einer Überführung ins Ausland ist das, wie gesagt, Pflicht, weil der Körper da lange Zeit ungekühlt unterwegs ist und sonst zu schnell verwest.
"Die Leute trauern ganz unterschiedlich, da muss man flexibel sein"
Durch Deine Arbeit wirst Du tagtäglich mit Tod und Trauer konfrontiert. Wie gehst Du damit um?
Ich fühle mit den Angehörigen mit, aber ich trauere nicht mit ihnen mit. Innerlich ziehe ich da eine Grenze. Wenn ich bei jedem Verstorbenen mittrauern würde, dann hätte ich definitiv den falschen Beruf gewählt. Natürlich denke ich mir, es ist scheiße, was die Angehörigen gerade durchmachen. Aber es ist nicht mein Opa oder meine Oma, die da verstorben sind.
Ich versuche mich, auf die Angehörigen individuell einzustellen. Die einen brauchen das, die anderen eher das. Die Leute trauern ganz unterschiedlich, da muss man flexibel sein.
Lesen Sie auch
Gibt es auch Menschen, die vor ihrem Tod zu euch ins Bestattungsinstitut kommen, um sich zu informieren?
Ja, klar. Und das sind nicht unbedingt Menschen, die akut krank sind und in absehbarer Zeit sterben werden, sondern auch teilweise Ehepaare, die sich vorher schon mal Gedanken machen wollen. Es kam auch schon vor, dass eine Person im Sarg Probeliegen wollte, um zu wissen, wie es sich später mal anfühlt (lacht).
Und darf man das?
Ja, klar, warum nicht? Wir sind da relativ offen, aber das ist sicher nicht für jeden was. Wenn man jetzt der 80-jährigen Oma sagt, leg dich doch mal rein zum Testen, dann wird dir die wahrscheinlich den Vogel zeigen.
"Ich würde nicht sagen, alle sollten sich unbedingt mit dem Tod beschäftigen"
Sprechen wir in der Gesellschaft zu wenig über den Tod?
Hm (überlegt kurz). Es würde sicher nicht schaden, mehr über das Thema zu sprechen. Es würde vielen guttun, sich mehr mit dem Thema zu beschäftigen, um einem ein bisschen die Angst davor zu nehmen und den Umgang damit zu erleichtern. Aber ich würde nicht sagen, alle sollten sich unbedingt mit dem Tod beschäftigen. Ich bin niemand, der anderen das Thema aufdrängen will.
Und wie möchtest du später selber mal bestattet werden?
Wenn ich mich jetzt entscheiden müsste, dann würde ich eine Erdbestattung wählen, weil mir alles andere zu abstrakt ist. Aber eigentlich können die Hinterbliebenen machen, was sie wollen. Ich bekomme das ja nicht mehr mit, deshalb ist es mir eigentlich egal.
Zur Person
- Luis Bauer ist Bestatter und Influencer. Der 19-Jährige aus Fürth in Mittelfranken (Bayern) arbeitet im Bestattungsinstitut seines Vaters und gibt in den Sozialen Medien Einblicke in seine Arbeit. Als sogenannter Thanatopraktiker kümmert er sich um die Versorgung verstorbener Menschen.
Hilfsangebote
- Anlaufstellen für verschiedene Krisensituationen im Überblick finden Sie hier.