Verdienen Frauen tatsächlich so viel weniger als Männer? Wird mein Kollege besser bezahlt bei gleicher Arbeit? Diese Fragen zu beantworten ist oft nicht ganz leicht. Über das Gehalt spricht man in hierzulande ungern. In Schweden ist das anders – ein Vorbild für Österreich?
Was am Ende des Monats am Gehaltszettel steht, darüber spricht man am Arbeitsplatz normalerweise nicht. Und so wissen die wenigsten, wie sie im Vergleich zu den Kollegen beim Gehalt abschneiden. Wird gleiche Arbeit auch gleich entlohnt - oder gibt es gar Unterschiede aufgrund des Geschlechts?
Verdienen Frauen ein Viertel weniger als Männer?
Am alljährlichen "Equal Pay Day" wird auf die Lohnunterschiede bei Frauen und Männern aufmerksam gemacht. Laut dem "Gender Pay Gap" von Eurostat verdienen Frauen 23 Prozent weniger als Männer. Umgerechnet bedeutet das: 62 Tage arbeiten Frauen nach dieser Rechnung länger als Männer. Doch die Methoden, die zur Berechnung herangezogen werden, werden auch häufig kritisiert. Es würden nur die Durchschnittseinkommen von Männern und Frauen verglichen - Faktoren wie etwa Qualifikation, Branche, Berufserfahrung oder die Art der Beschäftigung, zum Beispiel Teilzeitarbeit, würden außer Acht gelassen.
Nach einer Studie der Universität Linz beträgt der bereinigte "Gender Pay Gap" nur etwa 12 Prozent. Der Unterschied zwischen Männer- und Frauengehältern ist also nicht so groß wie immer angegeben – aber er existiert.
Wie kann man vergleichen?
Seit 2011 gibt es in Österreich das Einkommenstransparenzgesetz. Damit sind Unternehmen mit mehr als 150 Mitarbeitern verpflichtet, den Personalräten regelmäßig Berichte über die Gehaltsstruktur vorzulegen - anonymisiert, aber nach Geschlecht aufgeschlüsselt. Ob die Berichte zu mehr Transparenz beitragen ist fraglich, denn sie bleiben intern und unterliegen einer Verschwiegenheitspflicht.
Außerdem bestimmt das Gesetz, dass in Stellenanzeigen das Mindestgehalt und mögliche Überzahlungen angegeben sind. Daran hält sich nach einer Untersuchung der Arbeiterkammer im letzten Jahr ein Großteil der Betriebe. Doch die gesetzlichen Vorgaben sind vage und erfordern nur ein Mindestmaß – und die Betriebe gehen in den Stellenanzeigen nicht darüber hinaus. Um einen Anhaltspunkt zu bekommen, wie viel die eigene Arbeit wert ist, kann man den Online-Gehaltsrechner nutzen.
Über Geld spricht man nicht? In Schweden schon
Nach einer Umfrage der Jobbörse "Careesma" von 2014 bestätigen 70 Prozent der befragten 700 Österreicher, dass das Gehalt auch unter Bekannten und Freunden ein Tabuthema ist. Neun von zehn Personen wünschen sich mehr Transparenz von Unternehmen und 62 Prozent hätten nichts dagegen, wenn auch ihre Kollegen über ihr Gehalt Bescheid wüssten. In Schweden ist das seit Jahrzehnten Realität: Bei Einkommen gilt dort die totale Transparenz. Das schwedische Finanzamt "Skatteverket" sammelt alle steuerpflichtigen Einkünfte und macht sie öffentlich. Ein Anruf genügt und man erfährt, was der Nachbar oder ein Politiker verdient. Auch die Steuererklärung geht dort schnell und lässt sich sogar mit einer Smartphone-App erledigen. Ein transparentes System, das nur eine Ausnahme macht: Die Einkünfte von König Carl Gustav und Königin Silvia bleiben geheim.
Mehr Transparenz für Österreichs Gagen?
Das schwedische Modell lässt sich schon allein wegen Datenschutzgründen nicht ohne Weiteres auf Österreich übertragen. Außerdem ist bei den Skandinaviern die Steuermoral sehr hoch – anders als in Österreich. Trotzdem gibt es Verbesserungsmöglichkeiten: Zum Beispiel eine Verschärfung des Einkommenstransparenzgesetzes wie es die Arbeiterkammer fordert. Unternehmen müssten dann zum Beispiel in Stellenanzeigen klarer über die Gage Auskunft geben anstatt nur das Mindestgehalt zu nennen. Bei den Einkommensunterschieden von Männern und Frauen gibt es Nachholbedarf, allerdings bräuchte es hier eher ein gesellschaftliches Umdenken was Teilzeitarbeit und Karenz angeht. So bald wird Österreich nicht Schweden. Die gute Nachricht zum Schluss: Im Jahr 2015 sollen die Gehälter in Österreich um 3 Prozent steigen – im Schnitt.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.