Zwölf Stunden am Tag arbeiten: Wer will das nicht? Das ist schlicht der Traum aller Arbeitnehmer, Schwiegermütter und ehemaliger Finanzminister. Nur: Wie soll das funktionieren?
Das österreichische Arbeitszeitgesetz ist also nicht flexibel genug. Deshalb braucht es die Möglichkeit, die Tageshöchstarbeitszeit auf zwölf Stunden hochzuschrauben. Derzeit sieht das Gesetz eine maximale Arbeitszeit von zehn Stunden vor.
Europa - und auch Österreich - habe, anders als andere Weltgegenden, keinen Hunger mehr, sich wirtschaftlich zu verbessern, sagt Georg Kapsch, Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung (IV). "Es schadet keinem Menschen, wenn er dann und wann zwölf Stunden arbeitet", urteilt er. Das gelte freilich "nicht andauernd und immer mit entsprechendem Zeitausgleich". Es brauche Reformen, um mehr Flexibilität und Freiheit für Menschen und Firmen zu schaffen. Damit könne man beispielsweise Auftragsspitzen leichter abarbeiten.
Das neue Arbeitszeitgesetz soll praktisch für alle Branchen gelten - nicht nur für jene, in denen es Auftragsspitzen abzuarbeiten gilt. Betroffen sind alle, die keine fix geregelten Arbeitszeiten haben. Und das sind sehr viele. Zwar könnten Arbeitnehmer theoretisch vier Tage lang länger arbeiten und so ihr Wochenende auf drei Tage ausdehnen, das funktioniert aber nur, wenn der Arbeitgeber diese Möglichkeit auch einräumt.
Im Durchschnitt arbeitet ein Vollzeiterwerbstätiger in Österreich 41,7 Stunden pro Woche - und das Problem Burnout wird immer drängender. Glaubt man dem Burnout-Network Österreich, erleben rund 27 Prozent der Bürger ungesunden Stress am Arbeitsplatz und sind Burnout-gefährdet. Das sind 1,1 Millionen Menschen.
Europaweit werden jährlich 240 Milliarden Euro an Kosten veranschlagt, die durch psychische Erkrankungen verursacht werden. 136 Milliarden davon entfallen laut der Gesundheitsagentur der EU auf Produktivitätseinbußen und krankheitsbedingte Abwesenheit. Rund dreieinhalb Milliarden Euro kostet Burnout die heimische Wirtschaft im Jahr - schätzt die Arbeiterkammer. Das Wifo verdoppelt diese Schätzung und rechnet alle ein, die versuchen, ihre Situation medikamentös in den Griff zu bekommen. Schon jetzt sind also viele Österreicherinnen und Österreicher mit ihrer Arbeitslast überfordert. Und schon heute arbeiten viele Menschen mehr als zwölf Stunden pro Tag. Das betrifft nicht nur Ärzte und Pflegekräfte.
Geht es bei der Neuregelung des Arbeitszeitgesetzes primär darum, eine Art Missstand zu beseitigen, etwa bei Dienstreisen, die heute ebenfalls unter die Zehn-Stunden-Grenze fallen? Oder öffnet man an der einen oder anderen Stelle Missbrauch Tür und Tor? Gibt es Studien, die Aufschluss geben, was es mit dem Körper macht, wenn er regelmäßig von 7:00 Uhr früh bis 19:00 Uhr abends Höchstleistungen bringen soll? Zeitausgleich ist schön und gut, reduziert aber nicht die Mehrbelastung. Und es bleibt auch die Frage: Ist das "immer mehr" wirklich nötig?
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