Österreich hat ein Burnout-Problem: Von einer halben Million Kranken, einer Million gefährdeter Arbeitnehmer und Kosten von sieben Milliarden Euro ist die Rede. Was hinter der Krankheit steckt, wie verbreitet sie wirklich ist und was Betroffene tun können.
Drehte sich früher die Diskussion darum, ob Burnout überhaupt eine Krankheit ist, geht es heute um diagnostische Fragen, Ursachenforschung und um Prävention. Laut Statistik Austria leiden fünf bis sechs Prozent der rund 4,2 Millionen heimischen Arbeitnehmer an psychiatrischen Erkrankungen. Wie viele davon von Burnout betroffen sind, ist unklar: Es handelt sich dabei nicht um eine eigenständige Krankheit, sondern um eine Summe von Symptomen.
Laut dem Burnout-Network Österreich sind hierzulande 1,1 Millionen Menschen gefährdet. Laut Wifo kostet Burnout die heimische Wirtschaft rund sieben Milliarden Euro im Jahr. Betrachtet man das Problem unter dem Gesichtspunkt einzelner Berufsgruppen, fallen einige durch ein überdurchschnittlich hohes Erkrankungsrisiko auf. Dazu zählen etwa Lehrer und Ärzte, Führungskräfte und Politiker.
Sozialer Stress als Hauptursache
Burnout ist eine schleichende Erkrankung. Als Ursachen gelten vor allem äußere Faktoren wie ständiger Stress und Arbeitsüberlastung, das "Hamsterrad"-Syndrom, Mobbing, unklare Aufgaben, schwierige Arbeitsbedingungen, Unfairness und ein Mangel an Anerkennung der eigenen Leistungen. Negativ wirken außerdem persönliche Faktoren wie Selbstüberforderung durch zu hoch gesteckte Ziele und Anforderungen oder die Angst vor dem Scheitern.
Für Erich Hotter, Psychologe und Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft Burnout in Graz, liegt der Schlüssel zur Erkrankung vor allem im sozialen Stress: "Im Arbeitsumfeld gibt es fünf Grundsätze, die für eine funktionierende Gruppe essentiell sind: Bindung, Loyalität, Fairness, Schutz und Autorität. Sind diese Faktoren nicht gesichert, entsteht Stress." Der Umgang mit und das Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten sind also ausschlaggebend dafür, ob sich ein Mitarbeiter wohl fühlt oder - im schlimmsten Fall - erkrankt.
Phasen des Burnouts
Burnout verläuft in mehreren Phasen. Meist werden drei Abschnitte definiert, wobei am Ende der Zusammenbruch steht. "Der Burnout-Prozess ist ein Weg in eine schwere Depression", beschreibt Psychologe Erich Hotter. Die erste Belastungsstufe wird von Müdigkeit und Anspannung geprägt. Hier kann der Betroffene selbst gegensteuern: Es hilft, positive Dinge zu tun, Spaß zu haben, Freunde zu treffen.
In der zweiten Stufe sind Betroffene mit Abstumpfung, Erschöpfung, Tunnelblick und innerer Leere konfrontiert. Sie ziehen sich zurück und sehen keinen Ausweg aus ihrer Situation. Viele Betroffene bleiben sehr lange in dieser Phase, ehe Impulse von außen ihre Lage verbessern oder sich die Krankheit verschlimmert.
In der dritten Stufe kommen zu den psychischen Problemen körperliche Beschwerden hinzu, und der Patient befindet sich in einem Zustand ähnlich einer schweren Depression. Schon in der zweiten Phase ist es ratsam, einen praktischen Arzt aufzusuchen; in der dritten ist es praktisch unerlässlich.
Alarmsignale beachten
"Wenn Menschen sich zurückziehen, für ihre Arbeit länger brauchen als früher, keine Entscheidungen mehr treffen, Dinge unerledigt lassen oder eine zynische Haltung annehmen, so sind das ernste Warnzeichen", sagt Erich Hotter und verweist auf einen kostenlosen Test zur Überprüfung des eigenen Burnout-Risikos, den die Arge Burnout zur Verfügung stellt. In der Prävention sind besonders Unternehmen gefordert. Dazu gehört, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der sich Mitarbeiter akzeptiert, geschützt und zugehörig fühlen. Ein weiterer Punkt sind klare Organisationsstrukturen, die eine chronische Überlastung der Mitarbeiter verhindern. Beides hilft, hohe Kosten für Arbeitsausfälle, Krankenstände und Therapien zu vermeiden.
Die verstärkte Wahrnehmung von Burnout-Fällen bedeutet nicht zwingend, dass sich die Situation im Arbeitsumfeld in den vergangenen Jahren stark verschlechtert hat. Vielmehr haben die mediale Präsenz des Themas, die Vielzahl der angebotenen Beratungen und Seminare und die gesellschaftliche Akzeptanz der Krankheit dazu geführt, dass bei Auftreten von Problemen früher Rat und Hilfe gesucht werden.
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