Erfurt/Freiburg - Ist eine Arbeitnehmerin schwanger, darf ihr nach dem Mutterschutzgesetz nicht gekündigt werden. Weiß sie selbst zum Kündigungszeitpunkt noch nichts von der Schwangerschaft, kann der Schwangerschaftsbeginn rückwirkend bestimmt werden - und zwar indem 280 Tage vom voraussichtlichen Entbindungstermin zurückgerechnet wird. Das geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt (Az: 2 AZR 11/22) hervor, über die der Fachverlag Haufe.de berichtet.
Im konkreten Fall kündigte der Arbeitgeber einer Mitarbeiterin fristgerecht innerhalb der Probezeit. Die Beschäftigte klagte gegen ihre Kündigung, da sie zum Zeitpunkt der Kündigung bereits schwanger gewesen sei, ohne davon zu wissen.
Der Arbeitgeber vertrat jedoch die Auffassung, dass die Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht schwanger war. Zudem sei die Mitteilung darüber an den Arbeitgeber zu spät erfolgt. Diese muss innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens erfolgen. Der Anwalt der Arbeitnehmerin reichte allerdings erst rund drei Wochen nach der Kündigung eine Schwangerschaftsbestätigung beim erstinstanzlich befassten Arbeitsgericht Heilbronn nach.
Zeitpunkt des Eisprungs spielt keine Rolle
Sowohl das Arbeitsgericht Heilbronn wie auch das in zweiter Instanz mit dem Fall befasste Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Az: 4 Sa 32/21) erklärten die Kündigung zunächst für wirksam. Sie rechneten dafür 266 Tage vom voraussichtlichen Entbindungstermin zurück - und kamen so auf einen Schwangerschaftsbeginn vier Tage nach Zugang der Kündigung. Diese Berechnung begründete das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg damit, dass der durchschnittliche Zeitpunkt des Eisprungs beim 12. bis 13. Zyklustag liegt.
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt kassierte das Urteil und verwies es zur erneuten Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zurück. Denn zur Bestimmung des Schwangerschaftsbeginns müsste 280 Tage vom Entbindungstermin zurückgerechnet werden. Dies sei die äußerste zeitliche Grenze, innerhalb derer bei normalem Zyklus eine Schwangerschaft vorliegen kann.
Zwar könne diese Berechnung auch Tage einbeziehen, bei denen das Vorliegen einer Schwangerschaft eher unwahrscheinlich sei. Bei der Berechnung sei aber von der für Arbeitnehmerinnen günstigsten Berechnungsmethode auszugehen, so das Gericht.
Ob die Kündigung insgesamt unwirksam ist, ließ das Bundesarbeitsgericht hingegen offen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg muss hierfür prüfen, ob die Arbeitnehmerin oder ihr Anwalt die Schuld an der verspäteten Mitteilung an den Arbeitgeber trägt. © dpa
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