Wer merkt, es mit Betrügern zu tun zu haben, sollte vor allem eines tun: Sie so schnell wie möglich abwimmeln. Ein Kriminaldirektor erklärt, warum der nächste wichtige Schritt ist, den Vorfall sofort der Polizei zu melden.

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Schlagworte wie "Enkeltrick" könnten vermuten lassen, nur Senioren fallen darauf herein. Doch wahr ist: Betrug lauert überall und kann jeden treffen. Sei es in Form von Fake-Shops und -Anzeigen im Internet, an der Haustür oder am Telefon.

Beim sogenannten Schockanruf etwa überrumpeln die Kriminellen ihre Opfer mit einer erfundenen Notsituation und geben sich als Familienmitglied aus, das dringend Geld benötigt. Bekommt man einen solchen Anruf, heißt es: richtig reagieren. Doch was ist richtig? Einfach auflegen oder den Versuch unternehmen, Tätern Informationen für Ermittlungen zu entlocken und sie am Ende zu überführen?

Am wichtigsten sei, sich selbst zu schützen, betont Harald Schmidt, Geschäftsführer und Kriminaldirektor der Polizeilichen Kriminalprävention des Bundes und der Länder, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Es habe zwar schon Erfolge gegeben, wenn jemand Privatdetektiv oder "Miss Marple" gespielt hat – etwa wenn Angerufene die Polizei verständigten und die Täter in eine Falle lockten. "Dann erwischen wir zumindest die Komplizen, die als Geldbote eingesetzt werden und das Erbeutete abholen. Die Drahtzieher allerdings agieren häufig hochprofessionell aus Callcentern im Ausland."

Von diversen "Spielarten" während des Telefonats rät der Kriminaldirektor ab, etwa dem Täter erfundene Enkelnamen zu nennen, um zu sehen, ob er wiederum darauf hereinfällt. "Das ist alles viel zu kompliziert. Das einfachste und effektivste ist: Legen Sie schnell auf!" Danach empfiehlt es sich, das echte Familienmitglied unter der richtigen Telefonnummer noch mal zu kontaktieren und sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist.

Meldung bei der Polizei hilft, andere Menschen zu schützen

Auflegen also lautet der erste Rat bei Schockanrufen, dann aber den Anruf gleich unter der 110 der Polizei melden, fährt Schmidt fort: "Das gilt natürlich besonders, wenn Sie bereits Opfer geworden sind. So dürftig die Ermittlungschancen auch sein mögen: Nur in angezeigten Fällen können wir ermitteln. Sonst liegt die Misserfolgsquote bei 100 Prozent."

Auch könnte die Polizei auf diese Weise Fälle zusammenführen, was sich bei Ermittlungserfolg auch auf das Strafmaß der Täter auswirken kann. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik 2022 (PDF) lag die Aufklärungsquote im Bereich Betrug, in dem alle Arten von Betrug zusammengefasst werden, wobei 801.412 Fälle erfasst wurden, bei 58 Prozent.

Selbst wenn man nicht Opfer des Betrugs geworden ist, sollte man der Polizei von dem Vorfall berichten: "Das hilft uns, den Überblick zu bewahren und andere Menschen zu schützen: Welche Arten von Anrufen nehmen gerade wieder zu, wie verändern die Täter ihre Methoden, gibt es neue Maschen?" Die Polizei passe ihre Ratschläge an die Bevölkerung laufend an, könne dies aber eben nur aus bekannten Sachverhalten ableiten.

Betrugsmaschen treten häufig regional auf

"Hinzu kommt: Bei vielen der Betrugsdelikte werden Boten eingesetzt, die das Geld abholen. Ist eine Bande gerade sehr aktiv in Hamburg, müssen in dem Moment dort Komplizen einsatzbereit sein", schildert Schmidt. Deshalb häufen sich bestimmte Betrugsmaschen oft regional.

Für die Polizei sei das immer das Signal, die Bevölkerung dort "aus gegebenem Anlass" zeitnah und möglichst detailliert zu warnen und beispielsweise über die Medien möglichst konkret zu Wachsamkeit aufzurufen.

Wichtige Tipps der Polizei

An jüngere Menschen appelliert er, auch Senioren regelmäßig über Betrugsmaschen aufzuklären. Am wichtigsten sind diese generellen Hinweise:

  • Immer misstrauisch sein, wenn Sie eine Nummer nicht kennen oder sich Anrufer am Telefon nicht mit Namen melden.
  • Lassen Sie sich nicht drängen und unter Druck setzen. Nehmen Sie sich Zeit, um die Angaben des Anrufers zu überprüfen.
  • Alarmglocken sollten klingeln, wenn sich Personen am Telefon als Verwandte oder Bekannte ausgeben. Legen Sie auf und rufen Sie denjenigen unter der echten Telefonnummer an.
  • Raten Sie nie, wer anruft. "Maxi, bist du das etwa?" Alles, was sie preisgeben, machen sich die Täter im Laufe des Gesprächs oder bei weiteren Anrufen zunutze.
  • Geben Sie keine Details zu Ihren familiären und persönlichen sowie finanziellen Verhältnissen preis. Vor allem: Verraten Sie niemals Passwörter oder Kreditkarten- oder Bankdaten!
  • Wenn ein Anrufer Geld oder andere Wertsachen von Ihnen fordert: Besprechen Sie dies mit Familienangehörigen oder anderen nahestehenden Personen.
  • Übergeben Sie niemals Geld oder Wertsachen wie Schmuck an unbekannte Personen oder Menschen, die sich beispielsweise als Polizisten an der Haustür ausgeben.

Vorsorglich Überweisungslimit bei Bank festlegen

Zur Vorbeugung geben die Experten außerdem folgende Tipps:

  • Täter wählen ihre Opfer häufig per Telefonbuch aus, sie nehmen bevorzugt Menschen mit älteren Vornamen wie Wilhelmine oder kurzen Telefonnummern. Beides sehen sie als Hinweis, dass sich ältere Menschen hinter diesen Einträgen verbergen. Hier kann es helfen, den Vornamen im Telefonbuch abzukürzen (aus Herta Schmidt wird beispielsweise H. Schmidt) oder den Vornamen ganz wegzulassen.
  • Noch besser ist es laut Polizei, sich aus dem Telefonbuch austragen lassen: "Ihr Umfeld hat Ihre Telefonnummer und muss diese nicht nachschlagen." Wer sehr häufig derartige Anrufe erhält, sollte darüber nachdenken, seine Rufnummer zu ändern.
  • Bewahren Sie Ihre Wertsachen (etwa höhere Geldbeträge und andere Wertgegenstände) nicht zu Hause auf, sondern auf der Bank oder im Bankschließfach.

Wie Senioren wertvolle Zeit gewinnen

In einer Variante des Enkeltricks gibt sich ein Anrufer als Bankmitarbeiter aus, der Überweisungen direkt durchführen will und dafür erforderliche Daten abfragt. Die Verbraucherzentrale Brandenburg warnt davor und rät: "Vereinbaren Sie ein tägliches Überweisungslimit mit Ihrer Bank. So lässt sich der finanzielle Schaden schon vorab begrenzen. Und im Notfall haben Sie dadurch etwas mehr Zeit, die Bank zu kontaktieren und Ihr Konto sperren zu lassen. Denn eine Anhebung des Limits kann etwas dauern."

Diese gewonnene Zeit sei für Senioren wertvoll: Oft werden sie sich zwar nicht in dem Moment, aber bald nach dem ersten Schock bewusst, dass etwas nicht stimmt.

Zur Person: Harald Schmidt ist Geschäftsführer und Kriminaldirektor der Polizeilichen Kriminalprävention des Bundes und der Länder.

Verwendete Quellen:

  • Polizeiliche Kriminalstatistik 2022
  • Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes: "Vorsicht vor falschen Enkeln"
  • dpa
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