Obwohl sich SPÖ und ÖVP einig sind, dass sie die Einkommen der Österreicher entlasten wollen, führt anscheinend kein Weg zu einem Kompromiss. Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger bestehen auf entgegengesetzte Positionen darüber, wie eine Reform umzusetzen sei. Gründe dafür gibt es viele.
Das Doppelbudget 2014/2015 ist darauf ausgelegt, 2016 eine ausgeglichene Bilanz zu schaffen. Dem entsprechend sieht der Koalitionsvertrag Steuerentlastungen vor. Jetzt soll die Regierung mit Verhandlungen zur Steuerreform starten - und gelangt schon an ihre Grenzen. Auf beiden Seiten sehen Schwarzmaler die Koalition gefährdet und unken, es könnte schon 2015 Neuwahlen geben.
Es ist ein altbekanntes Problem: Allerorts äußert jemand Begehrlichkeiten. In den "roten" Bundesländern Wien, Steiermark, Oberösterreich und Burgenland stehen kommendes Jahr Landtagswahlen an - und die Landeshauptleute erhoffen sich von vorgezogenen Steuererleichterungen Vorteile. Andererseits warnen Wirtschaftsexperten vor den Folgen allzu großer Großzügigkeit ohne strukturelle Änderungen.
Kanzler Werner Faymann wie Vizekanzler Michael Spindelegger stehen also innerparteilich unter enormen Druck: Sie versuchen jeweils, ihre Wählerschaft zu vertreten, was zu gegensätzlichen Lösungsansätzen führt. Vordergründig propagiert die SPÖ die "Reichensteuer" als alleiniges Allheilmittel für budgetäre Probleme, während die ÖVP darauf beharrt, dass eine Steuerreform "zuerst leistbar sein muss". Dahinter stehen sehr viel komplexere Zusammenhänge.
Die Lohn- und Einkommensteuer wurde 2009 zuletzt gesenkt. Infolge der kalten Progression - die daduch entsteht, dass Bürger durch Inflationsabgeltung in eine höhere Steuerklasse rutschen - ist der Effekt jedoch inzwischen verloren gegangen. Dabei ist es unbedingt nötig, Tarife zu senken, Einkommen zu entlasten und vor allem geringere Einkommen zu sichern. Dieser Schritt kann nicht als reine Wahlkampfmaßnahme abgetan werden.
Die von der SPÖ geforderte Reichensteuer soll hier sofortige Steuererleichterungen bringen, indem Vermögen von mehr als einer Million Euro höher besteuert werden. Zusätzlich will man die Erbschaftssteuer wieder einführen. Unklar ist jedoch, ob diese Maßnahme als Gegenfinanzierung tatsächlich ausreichen kann.
Die von der ÖVP angestrebte Verwaltungsreform will hingegen ohne neue Steuern auskommen und basiert vor allem auf Einsparungen: Man will die Verwaltung vereinfachen, Doppelgleisigkeiten bei Förderungen abschaffen, Subventionen - etwa bei den ÖBB - kürzen und den Pensionsantritt nach hinten verschieben.
Zwar haben beide Parteien mit ihren jeweiligen Forderungen Recht, vermeiden aber sorgfältig jede Belastung der eigenen Wählerschaft. So läuft die SPÖ gegen Einsparungen im Bereich der ÖBB Sturm, während die ÖVP keinesfalls über Subventionsreformen in der Landwirtschaft nachdenken will. Eine reine Umverteilung ohne weit reichende strukturelle Veränderungen würde aber langfristig wohl nur noch größere Budgetprobleme heraufbeschwören.
Die Aufgabe der Steuerreformkommission muss es daher sein, einen tragfähigen Steuerplan auszuarbeiten, der alle notwendigen Reformen auf den Weg bringt und dabei Möglichkeiten schafft, Einkommen schnell und dauerhaft zu entlasten. Die Möglichkeiten dafür wären vielfältig: eine Reform der Grundsteuer, das Aufheben von Ausnahmen im Steuerrecht oder eine Systemvereinfachung im Steuerrecht.
Zusammen mit Reformen im Förder- und Subventionswesen, in der allgemeinen Verwaltung und im Gesundheits- und Schulwesen besteht die Chance für eine echte, konsequente und leistbare Steuerreform. Diese Chance sollte nicht durch parteipolitische Grabenkämpfe vertan werden.
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