Bentwisch - Der Aktienmarkt war in den vergangenen Monaten besonders turbulent. Nicht zuletzt der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die Energiekrise haben viele Wertpapiere zwischenzeitlich auf Talfahrt geschickt.
Manche Anleger haben dadurch Verluste hinnehmen müssen. In einem bestimmten Fall können sie das Minus aber für sich nutzen, um die Kapitalertragsteuer, die 25 Prozent beträgt, zu reduzieren. Dabei gilt es, einige Regeln zu beachten.
Sinkt der Wert einer Aktie im Depot, ist das erst einmal unglücklich. Denn mit ihrem Investment spekulieren Anlegerinnen und Anleger in aller Regel auf steigende Kurse, um ihr Geld zu vermehren. Wer aber glaubt, er könne sein Geld bei einer anderen Aktie sinnvoller einsetzen, oder Angst hat, dass die abstürzende Aktie weiter an Wert verliert, kann die Position verkaufen.
So, und nur so, können die Aktienverluste Einfluss auf die zu zahlende Kapitalertragsteuer nehmen. Denn Anlegerinnen und Anleger können die Verluste aus den Aktienverkäufen in diesem Fall mit Gewinnen aus anderen Aktienverkäufen in der Steuererklärung verrechnen, teilt Ulf Knorr vom Steuerberaterverband Mecklenburg-Vorpommern mit.
Verbleiben die Wertpapiere mit negativem Vorzeichen im Depot, können diese sogenannten unrealisierten Verluste nicht geltend gemacht werden. Der Grund: Die Papiere könnten zu einem späteren Zeitpunkt wieder an Wert gewinnen.
Bei unterschiedlichen Banken ist Verlustbescheinigung nötig
Wer seine Wertpapiere in einem einzigen Depot bei einer inländischen Bank halte, brauche für den steuerlichen Ausgleich nichts weiter zu tun. "Die Bank verrechnet Gewinne und Verluste aus Verkäufen während des Jahres automatisch", sagt Knorr. Am Ende erhalte der Kunde eine Jahressteuerbescheinigung über seine Kapitalerträge.
Etwas komplizierter wird es, wenn Anlegerinnen und Anleger bei mehreren inländischen Banken Depots halten. "Ab dem Moment, in dem Depots auf mindestens zwei Banken verteilt werden, geschieht die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten nicht mehr automatisch", sagt Rolf Müller, Steuerberater aus Nürnberg.
In diesem Fall müssten Investoren ihre Gewinne und Verluste aus Verkäufen über ihre Steuererklärung geltend machen. "Dafür müssen sie eine Verlustbescheinigung bei der Bank beantragen, bei der der Verlust entstanden ist", sagt Müller. Dieser Antrag muss für das laufende Jahr spätestens bis zum 15. Dezember eingereicht werden. Sinnvoll sei es, den Sparerpauschbetrag im Blick zu behalten: Einkünfte aus Kapitalanlagen sind für Singles bis zu 1000 Euro und für zusammen veranlagte Ehepaare bis zu 2000 Euro steuerfrei.
Fällt der Ertrag in einem Jahr höher aus als der Freibetrag, kann er möglicherweise durch die Verrechnung von Verkaufsgewinnen und -verlusten so gesenkt werden, damit keine Kapitalertragsteuer anfällt.
Sitz des Kreditinstituts nicht von Bedeutung
Wichtig zu wissen: Es besteht kein Zwang, die Verluste sofort zu verrechnen. "Der Verlust ist mit einem Depot verbunden, er klebt quasi daran", sagt Müller. Es gebe also die Möglichkeit, das Minus erst in einem der folgenden Jahre zu verrechnen. Ein zeitlicher Verfall droht nicht. Das könne für diejenigen interessant sein, die zu einem späteren Zeitpunkt mit Gewinnen aus Verkäufen rechnen, sagt Müller.
"Wenn keine Verlustbescheinigung zum Verrechnen mit anderen Banken beantragt wird, wird der Verlusttopf automatisch auf das folgende Jahr übertragen, um dann die Verluste mit künftigen Verkaufserlösen zu verrechnen", sagt Jürgen Drescher, Vermögensverwalter aus Frankfurt.
Übrigens: Für die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten spielt es keine Rolle, in welchem Land das Kreditinstitut seinen Sitz hat. Entscheidend sei ausschließlich, dass der Anleger seinen Wohnsitz in Deutschland hat, sagt Knorr.
Verrechnung von Verlusten mit Dividenden nicht möglich
Für verheiratete Paare gilt: Wer steuerlich gemeinsam veranlagt ist, dessen Verluste und Gewinne aus Aktienverkäufen werden ebenfalls gemeinsam verrechnet. "Bei Ehepartnern erfolgt - sofern ein gemeinsamer Freistellungsauftrag besteht - ein Verlustausgleich bei der gleichen Bank auch bei getrennten Depots", erklärt Drescher. Bestehe kein gemeinsamer Freistellungsauftrag, würden die Gewinne und Verluste aus Aktien und sonstigen Wertpapieranlagen einzeln ermittelt, also analog dem Vorgehen bei einem Single.
All das gilt aber ausschließlich für die Verrechnung von Verlustverkäufen mit Gewinnverkäufen. Es ist nicht möglich, etwa Verkaufsverluste von Aktien mit Einnahmen aus Dividenden zu verrechnen, sagt Knorr. Hierüber wird zwar gestritten und der Bundesfinanzhof hat dazu das Bundesverfassungsgericht angerufen. "Aber bis zu einer Entscheidung kann es noch Jahre dauern", so Knorr.
Verlustreiche Aktien halten oder nicht?
Bleibt die Frage: Ist es taktisch geschickt, verlustreiche Aktien über Jahre zu halten, um sie möglicherweise zusammen mit gewinnträchtigen Papieren zu veräußern? Experten äußern sich dazu skeptisch. "Wenn eine Firma insolvent ist oder ihre Aktien dauerhaft schlecht bewertet werden, ist es sinnvoller, sie loszuwerden", rät Müller. Zudem seien die Aktien auch nur handelbar, solange ein Unternehmen noch börsennotiert ist, sagt Knorr.
Was aber generell überlegenswert sein kann: Zum Jahresende wenig rentable Aktien verkaufen, um so Gewinne auszugleichen, empfiehlt Knorr. "Im Zweifel kann man sie - aufgrund einer neuen Investitionsentscheidung - im Folgejahr wieder zurückkaufen."
Besonders bei komplexeren Depotverbindungen kann es sinnvoll sein, für die Steuererklärung einen Steuerberater hinzuzuziehen. "Nur dieser darf und kann die steuerliche Beratung umfassend durchführen", sagt Witt. © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.