Laute Musik, tobende Kinder, beißender Zigarettenrauch und generelle Lärmbelästigung: Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb sich Nachbarn in die Quere kommen. Oft einigen sich die Parteien auch wieder, doch manche Fällen gehen bis vor Gericht. Aber was darf man in einem nachbarschaftlichen Verhältnis überhaupt und was nicht? Wir klären mit Dr. Andreas Freilinger vom Mieterschutzverband Salzburg, welche Richtlinien gelten – und was man tun kann und sollte, um Streitigkeiten zu klären.

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Was gilt überhaupt als Lärm?

Eine ganz klare Definition von Lärm gibt es nicht, stattdessen ist im Mietgesetz von "Zumutbarkeit" die Rede. Zunächst sind natürlich die Tageszeiten wichtig: Von 22:00 Uhr abends bis 6:00 Uhr morgens gilt die Nachtruhe, mitunter können in der Hausordnung auch Wochenend-Ruhezeiten vereinbart sein. Zu dieser Zeit sind Geräusche in der Wohnung auf Zimmerlautstärke zu halten. "Zimmerlautstärke heißt, man sollte es nicht mehr durchhören in der Nachbarwohnung", so Dr. Freilinger. "Während des Tages kann es auch mal über die Zimmerlautstärke gehen, aber natürlich nicht die ganze Zeit – es kommt also einerseits auf die Lautstärke, andererseits auf die Dauer an."

Eine Lärmbelästigung besteht nicht unbedingt schon dann, wenn man sich persönlich gestört fühlt – manche Menschen sind empfindlicher als andere, manche reagieren nur auf bestimmte Geräusche und Probleme. "Es geht nicht um das subjektive Empfinden eines Nachbarn – und daraus entzünden sich meistens die Streitigkeiten", erläutert Dr. Freilinger. "Es geht darum, ob es auch objektiv störend ist – würden es alle als störend betrachten? Gibt es eine Überschreitung von Toleranzgrenzen?"

Dürfen die Nachbarn auf ihren Musikinstrumenten üben?

"Solang nicht im Mietvertrag oder durch die Hausordnung vereinbart ist, dass man nicht musizieren darf, darf man", so Dr. Freilinger. Das muss allerdings in einem zeitlichen Rahmen passieren, der mit etwa zwei Stunden pro Tag festgesetzt ist – abhängig auch davon, ob man Berufsmusiker ist und üben muss oder "nur" als Hobby musiziert. Wichtig ist dabei aber auch wieder die Lautstärke: Wer Blockflöte übt, wird seltener auf Probleme stoßen als jemand, der Klavier oder E-Gitarre spielt.

Kann Kinderlärm eine Lärmbelästigung sein?

Kinderlärm ist zunächst mal ein normales Haushaltsgeräusch. Kinder spielen, Kinder schreien, Kinder rennen – das gehört zu ihrem normalen Leben. Wenn allerdings die Kinder besonders aktiv sind und die Geräusche den ganzen Tag lang anhalten, muss man das als Nachbar nicht akzeptieren.

Darf ich ein Fest feiern, zum Beispiel eine Wohnungseinweihungsfeier?

In der Wohnung darf man prinzipiell feiern, im allgemeinen Garten beispielsweise ist aber eine Genehmigung der Hausverwaltung nötig. Um Problemen wegen etwaigem Partylärm vorzubeugen, rät Dr. Freilinger, die Nachbarn vorab zu informieren und sogar zur Feier einzuladen. Außerdem hilft eine Mitteilung im Haus, mit der auf die Feier hingewiesen wird und um Verständnis gebeten wird, dass es etwas lauter werden kann.

Können Küchengerüche eine Belästigung sein?

Wie bei allem kommt es auch hier auf das Maß an. "Wenn der Nachbar gerne scharf und würzig kocht und ich den Duft mal eine halbe Stunde lang hinnehmen muss, wird das tolerabel sein", führt Dr. Feilinger aus. "Wenn er aber den ganzen Tag kocht und ich 10-12 Stunden am Tag die Geruchsbelästigung habe, dann kann ich etwas dagegen unternehmen."

Zigarettenrauch ist doch sicher eine Belästigung, oder?

"In meiner Wohnung darf ich grundsätzlich rauchen", sagt Dr. Feilinger. Im Gang und im Stiegenhaus greifen Vorschriften aus der Hausordnung, die das meistens untersagt. "Am Balkon darf ich dann rauchen, wenn ich den Nachbarn nicht übermäßig belästige. Wenn ich Kettenraucher bin, stundenlang am Balkon qualme und nebenan sitzt eine Familie mit Kindern, zu denen das herüberzieht, dann kann das problematisch werden."

An wen kann ich mich wenden, wenn ich ein Problem mit dem Nachbarn habe?

"Grundsätzlich sollte man denjenigen mal darauf ansprechen", ist Dr. Feilingers erster Ratschlag. Wenn das nichts hilft, sollte man die Hausverwaltung oder den Hausbesorger einbeziehen und anschreiben. Auch eine dritte Instanz kann helfen – wie der Mieterschutzverband, der auch anbietet, sich mit der anderen Partei zusammenzusetzen, und als Mediator fungiert.

Wie können Lärmprobleme gelöst werden? Was sollte man nicht tun?

Oft helfen kleine praktische Arrangements. Man kann zum Beispiel Zeiten vereinbaren, zu denen man Klavier üben kann, wenn der Nachbar z.B. ohnehin nicht zuhause ist. Bei Musik und Fernsehen helfen ab einer gewissen Uhrzeit Kopfhörer. Vor allem bei hellhörigen Wohnungen können solche Vereinbarungen helfen, weil weder Mieter noch Vermieter etwas für die Probleme können.

Man sollte allerdings keine Gegenreaktionen starten – also nicht selber auch das Radio laut aufdrehen, klopfen oder den anderen absichtlich ärgern. "Das wäre kontraproduktiv", warnt Dr. Feilinger. "Das schaukelt sich auf und führt meist zu keinem Ergebnis, sondern zu einem Streit, und der kann sogar vor Gericht enden".

Was kann ich machen, wenn der Streit anhält und keine Einigung erfolgt?

"Wenn das alles nicht hilft, kann man den Nachbarn auch mit einer Besitzstörungsklage belangen – eine Lärmerregung kann auch eine Besitzstörung sein", erklärt Dr. Feilinger. "Wenn das Verhalten bewiesen werden kann, wird derjenige vom Gericht dazu angehalten, dieses Verhalten zu unterlassen." Diese Klage kann man allerdings nur 30 Tage nach Kenntnis des Störers und der Störung einbringen.

Außerdem kann der Mieter von seinem Vermieter Abhilfe verlangen. Wenn die nicht geschaffen wird, kann eine Mietminderung erfolgen: "Wird ein Mietobjekt durch einen Mangel schadhaft oder ist die Wohnqualität beeinträchtigt, also auch durch Lärm, kann der Mieter die Miete mindern. Das Ausmaß hängt natürlich vom Ausmaß der Beeinträchtigung ab."

Wie kann ich nachweisen, dass ein Nachbar Probleme verursacht?

"Beweisen muss es natürlich derjenige, der es behauptet", erklärt Feilinger. Das ist mitunter nicht ganz leicht. "Ich empfehle meist dem betroffenen Mieter, es mit dem Tonband aufzunehmen", empfiehlt der Mietrechtexperte. "Oder dokumentieren Sie zumindest die Zeiten, an denen es laut ist. Sammeln Sie Unterschriften, wenn es mehrere Parteien gibt, die betroffen sind." Um den Beweis zu erbringen, ist vieles möglich, aber nicht alles erlaubt: "Zum Beispiel darf ich den Nachbarn nicht mit einer Videokamera überwachen – das wäre datenschutzrechtlich problematisch", warnt Dr. Feilinger. "Ich darf auch nicht gegen seinen Willen in seine Wohnung hinein."

Was rät der Experte generell?

"Kommunikation ist alles", betont Dr. Feilinger. "Man muss nicht über jede Kleinigkeit streiten – man kann sich Sachen auch schnell ausreden und sich einigen. Nicht alles soll und kann der Gesetzgeber regeln."

Dr. Andreas Feilinger arbeitet beim Mieterschutzverband in Salzburg (www.mieterschutzverband.at). Seit 1999 ist er als Fachberater für Mietrecht tätig.
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