Karlsruhe - Wer nach einem Geschäft über die Internetplattform Ebay verärgert ist, kann seine Kritik - rechtlich abgesichert - auch mit harschen Worten und überzogen formulieren. Diese darf nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) nur keine Schmähkritik sein, also nicht rein der Herabwürdigung des Verkäufers dienen.
Werturteile seien durch die Meinungsfreiheit im Grundgesetz geschützt, entschied der achte Zivilsenat in Karlsruhe. "Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung." (Az. VIII ZR 319/20)
In dem Fall hatte ein Mann über Ebay bei einem Unternehmen aus Bayern vier Gelenkbolzenschellen gekauft. Von den gezahlten 19,26 Euro waren 4,90 Euro Versandkosten. Als Bewertung schrieb er nach Erhalt der Produkte im Bewertungsprofil: "Ware gut, Versandkosten Wucher!!"
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Ebay heißt es zum Thema Bewertungen: "Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die von Nutzern abgegebenen Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten." So werden Äußerungen genannt, bei denen es nicht um die Sache geht, sondern das Herabwürdigen im Vordergrund steht. Beide Seiten hatten den AGB zugestimmt.
AGB lassen zu viel Interpretationsspielraum
Der Wortlaut der AGB sei nicht eindeutig, sagte die Vorsitzende Richterin Rhona Fetzer. Mehrere Interpretationen seien möglich. Was sachlich sein soll, sei nicht weiter definiert. Fetzer räumte ein, der Begriff Schmähkritik sei nicht eindeutig. Hier komme es etwa darauf an, ob jemand "jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll".
BGH-Anwalt Thomas Kofler als Vertreter des Kunden hatte in der Verhandlung am Vormittag argumentiert, AGB dürften nicht die Meinungsfreiheit einschränken. Wie hoch die Versandkosten sind, könne jeder potenzielle Käufer einfach nachprüfen.
Die Vertreterin der Gegenseite, Brunhilde Ackermann, zielte auf die Wortwahl ab: ""Wucher" ist schon ein scharfes Geschütz." Da gebe es keinen Bezug zur Sache, sagte sie. Der Kunde habe die Versandkosten von Anfang an gekannt und das Geschäft dennoch abgeschlossen.
Die Verkäuferin, die Schlauchland GmbH, hielt die Bewertung für unzulässig und wollte, dass der "Wucher"-Kommentar entfernt wird. Das Amtsgericht in Weiden in der Oberpfalz hatte das abgelehnt. Die Bewertung sei in einen Zusammenhang mit den Versandkosten gestellt.
Das Landgericht in Weiden wiederum entschied im Berufungsverfahren, es handele sich um eine überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug, weil für einen objektiven Leser nicht erkennbar sei, warum die Versandkosten "Wucher" sein sollen. Gegen das Urteil ging der Käufer in Revision. BGH-Richterin Fetzer betonte, anders als vom Landgericht angenommen müssten Kunden ihre Kritik nicht begründen.
Eine Art Präzedenzfall
Aus Sicht von Rechtsanwalt Sebastian Lehr, der die Firma in Weiden vertrat, handelt es sich um eine Art Präzedenzfall. Solche Bewertungen stellten ein erhebliches Ärgernis für nahezu den gesamten Online-Handel dar, hatte der Jurist vor der Verhandlung mitgeteilt. Viele Kunden vertrauten auf die Bewertung vormaliger Käufer. Das sei teils wichtiger als der Ruf einer Marke oder eines Unternehmens.
Ungerechtfertigte negative Bewertungen seien demzufolge erheblich geschäftsschädigend, betonte Lehr. Der finanzielle Schaden sei nicht abzuschätzen, weil unklar sei, wie viele potenzielle Kunden sich auf diese Weise abschrecken lassen.
Negative Bewertungen seien keine Ausnahme. "Diese kommen leider immer wieder einmal vor." Es ist nach seinen Angaben auch keine Seltenheit, dass Kunden mit absichtlich negativen Kommentaren drohten, um etwa Preisnachlässe oder eine Rückgabe von Waren nach Ablauf der Widerrufsfrist durchzusetzen.
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