- Erschreckende Bilder aus Meißen zeigen unordentlich übereinandergestapelte Särge im Krematorium.
- Die Branche der Bestatter kritisiert solche Zustände und weist darauf hin, dass dies eine Ausnahme wäre.
- Bestattern fehlt vielerorts Schutzausrüstung, da sie nicht als systemrelevant eingestuft sind.
Bilder zeigen übereinander gestapelte Holzsärge in Andachtsräumen, teils nachlässig umwickelt mit Plastikfolie.
Auf einigen stehen die Schriftzüge "Covid" oder "Corona" - mit Kreide oder Edding gechrieben, manche verwischt: Es sind schwer erträgliche Aufnahmen, die in den vergangenen Tagen in der sächsischen Stadt Meißen entstanden sind.
Schon vor Weihnachten gab es Engpässe im Krematorium in Zittau, Sachsen. Dort mussten Leichen außerhalb des Krematoriums zwischengelagert werden.
Bestatter-Betriebe an der Belastungsgrenze
In dem Corona-Hotspot Meißen kam das kommunale Krematorium mit der Einäscherung der Verstorbenen nicht mehr hinterher. Auch in Dresden oder in Nürnberg arbeiten die Betriebe an der Belastungsgrenze. Auf Unverständnis stößt aber vor allem die Art und Weise, wie in Meißen mit den Verstorbenen umgegangen wird.
Kritik kommt auch aus der Branche selbst: "Diese Bilder sind furchtbar und sind nicht der Normalzustand", sagt etwa Stephan Neuser, Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Bestatter. "Das schadet auch dem Berufsbild, da hätte man sicher auch andere Krematorien kontaktieren können im Vorfeld."
Andere aus der Branche nennen die Vorgänge in Meißen "würdelos". Dabei ist genau das der Anspruch für die Bestatter auch in der Coronakrise: Den Abschied für die Angehörigen und Verstorbenen so würdevoll wie möglich zu gestalten.
Bundesweit ist die Lage noch unter Kontrolle
Die Herausforderungen sind vielfältig: Mit den Neuerkrankungen steigt auch die Zahl derjenigen, die mit oder an COVID-19 sterben. Selbst dort, wo es bislang wenig Tote im Zusammenhang mit dem Virus gab, häufen sich nun die Fälle. "Wir hatten den ersten coronapositiven Sterbefall erst Ende Oktober", sagt etwa Andreas Niehaus, Bestattungsunternehmer aus Bielefeld. "Ich weiß noch, wer es war, das behält man dann auch. Jetzt im Moment gehen die Zahlen aber stark nach oben."
Noch sei die Lage bundesweit handhabbar, sagt Verbandschef Neuser. Generell hätten Bestatter im Januar mehr zu tun, weil die Standesämter über die Feiertage lange geschlossen hätten und erst nach und nach die Sterbeurkunden ausstellten. "Wenn man dann Corona-Hotspots hat wie in Sachsen und eine Übersterblichkeit, dann kann das dazu führen, dass es in einzelnen Regionen zu einer Überlastung kommt." Das sei aber nicht flächendeckend der Fall.
Auch dort, wo es viele Seniorenheime gebe, hätten die Bestatter derzeit mehr zu tun als sonst. So gravierende Zustände wie in Meißen seien aber Einzelfälle. "Wir haben 163 Krematorien in Deutschland. Das sind Ausnahmesituationen, die hausgemacht sind", betont Neuser.
Trauer und Tod in Corona-Zeiten stellen Bestatter vor neue Herausforderungen
Die meisten Bestatter stünden vor anderen Herausforderungen: "Wie kann ich eine Trauerfeier durchführen? Können die Angehörigen den Verstorbenen noch einmal sehen? Wie viele Leute können beim Beratungsgespräch dabei sein? Das sind die Themen, die die Branche beschäftigen", sagt Neuser.
"Bei uns sitzen Angehörige im Beratungsgespräch, die den Verstorbenen aufgrund der Krankheit seit Wochen nicht gesehen haben und auch jetzt nicht mehr sehen dürfen. Das ist einfach unwahrscheinlich schwierig", sagt der Bielefelder Bestatter Niehaus.
Zudem müssen die Unternehmer sich selbst schützen. Von Infizierten geht auch nach ihrem Tod noch eine Infektionsgefahr aus. Doch bei Schutzmaterialien und auch bei Impfungen müssten sich die Bestatter derzeit hinten anstellen, kritisiert der Verband.
Bestatter vielerorts nicht als systemrelevant eingestuft
In vielen Bundesländern ist der Beruf nicht als systemrelevant eingestuft: Das gilt laut Branche für Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz, fürs Saarland, für Schleswig-Holstein und selbst für Sachsen, wo es aber zumindest positive Signale in diese Richtung gebe. Auch die Kinderbetreuung stellt die Unternehmer dort deshalb vor Probleme. Einen Anspruch auf Notbetreuung gibt es nicht, solange der Beruf nicht als systemrelevant gilt.
An der Art der Bestattung ändere sich indes nichts. Seit Jahren gehe der Trend hin zu Feuerbestattungen, sagt Neuser. Corona habe diese Entwicklung bislang nicht beschleunigt. Vor allem im Osten ist diese Form der Bestattung traditionell sehr verbreitet. Bei 90 bis 95 Prozent aller Bestattungen werde der Verstorbene in den ostdeutschen Bundesländern eingeäschert. Im Westen liege die Quote bei 70 bis 75 Prozent. (awa/dpa)
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