US-amerikanische Experten halten Zucker für einen der größten Killer: Rund 35 Millionen Todesfälle sollen weltweit jährlich indirekt auf das Konto des weißen Süßmachers gehen. Aber warum ist Zucker eigentlich so schädlich?
Zucker gehören zu den Kohlenhydraten, das ist neben Fett und Eiweiß eine der drei großen Nährstoffklassen. Unsere Muskeln und vor allem unser Gehirn brauchen Zucker – sonst könnten wir weder laufen noch denken. Zucker ist also zunächst einmal nichts Schlechtes.
Zucker: Die Dosis macht das Gift
Schädlich wird Zucker erst, wenn wir dauerhaft zu viel davon aufnehmen. Und das passiert ganz leicht: "Praktisch wird sehr vielen verarbeiteten Lebensmitteln Zucker zugesetzt", sagt Antje Gahl, Ernährungswissenschaftlerin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Zucker, wie zum Beispiel der Haushaltszucker Saccharose, Traubenzucker (Glucose) oder Fruchtzucker (Fructose), macht Lebensmittel nicht nur schmackhafter, sondern auch länger haltbar, trägt zur Konsistenz und Farberhaltung bei.
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Diese Ein- und Zweifachzucker gehen anders als komplexere Kohlenhydrate sehr schnell ins Blut, liefern aber keine anderen Nährstoffe. Traubenzucker ist die Hauptenergiequelle für unser Gehirn. "Wir sind nicht auf diesen Zucker in Reinform angewiesen", sagt Gahl. Denn unser Körper ist in der Lage, komplexe Kohlenhydrate wie Stärke in Kartoffeln oder Getreide in einzelne Zuckermoleküle aufzuspalten. Das hat den Vorteil, dass der Zucker langsamer ins Blut gelangt und wir länger satt sind.
Weil Zucker aber praktisch überall drinsteckt – auch in vermeintlich gesunden Produkten wie Müsliriegel, Joghurts und Fruchtsäften – essen wir im Alltag mehr davon, als gut für uns ist. "Die Zuckerzufuhr sollte maximal zehn Prozent der Gesamtenergiezufuhr betragen", sagt Gahl. Bei einem Energiebedarf von 2.000 Kalorien pro Tag sind das rund 50 Gramm Zucker. Das entspricht etwa 16 Stück Würfelzucker und bezieht sich nur auf den zusätzlich zugesetzten Zucker, nicht der natürliche Zuckergehalt in Lebensmitteln wie Äpfeln.
16 Stück Würfelzucker, das mag nach viel klingen – doch schon in einem kleinen Glas Cola oder Orangensaft mit 250 Millilitern stecken neun Stücke Würfelzucker. Mit nur zwei Gläsern hat man also die empfohlene Tagesmenge bereits erreicht. Die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sind sogar noch strenger: Sie empfiehlt nur 25 Gramm Zucker pro Tag, also acht Stück Würfelzucker.
Wie wirkt sich Zucker auf die Gesundheit aus?
Zahngesundheit: Nicht nur Menschen lieben Zucker: Auch viele Bakterien ernähren sich davon, die in unserem Mundraum leben und Karies verursachen. Essen wir Zucker, wandeln sie ihn in Säuren um. Das greift den Zahnschmelz an: Löcher, Schmerzen und teure Zahnbehandlungen sind die Folge.
Laut einer Studie reichen schon zehn Gramm Zucker täglich aus – also die Menge, die in einem Glas Apfelschorle steckt – damit sich die Zusammensetzung der Bakterien in unserer Mundflora grundlegend verändert. "Mit jedem Prozent mehr Zucker steigt das Karies-Risiko mehr oder weniger linear an", sagt Hans Hauner, Ernährungsmediziner am Klinikum rechts der Isar in München.
Übergewicht: Zucker ist ein Energielieferant und enthält entsprechend viele Kalorien. Vor allem bei Limonaden oder Süßigkeiten merken wir aber oft gar nicht, wie viele Kalorien wir uns zuführen. Sie machen uns nicht satt, im Gegenteil: Der Zucker macht uns sogar hungriger.
Essen wir freien Zucker, steigt der Blutzuckerspiegel sprunghaft an uns sinkt daraufhin dank des Hormons Insulin schnell wieder ab. Bei sinkendem Blutzuckerspiegel fühlen wir uns schnell wieder hungrig, obwohl wir gerade erst etwas gegessen haben. So passiert es leicht, dass wir täglich mehr Kalorien aufnehmen, als wir tatsächlich brauchen.
Die überschüssige Energie speichert der Körper in Form von Fett. Wir nehmen zu – und das ist nicht nur ein kosmetisches Problem: Übergewicht erhöht das Risiko für Diabetes Typ-2, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Diabetes: Das Hormon Insulin sorgt dafür, dass der Zucker aus der Blutbahn in die Körperzellen transportiert wird, wo wir die Energie letztlich brauchen. Essen wir dauerhaft zu viel Zucker, werden unsere Körperzellen in Leber oder der Muskulatur immer unempfindlicher gegen Insulin.
Diese zunehmende Insulin-Resistenz der Zellen versucht der Körper auszugleichen und steigert die Insulin-Produktion der Bauchspeicheldrüse. Das kann die Bauchspeicheldrüse auf Dauer überlasten – es entsteht ein Typ-2 Diabetes. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und Schädigungen der Nerven und Gefäße können die Folge sein.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Doch auch schlanke Menschen sollten ihren Zuckerkonsum im Auge behalten. Die negativen Auswirkungen auf Herz und Gefäße sind nicht nur indirekt durch Übergewicht und Diabetes bedingt. "Es gibt auch einen eigenständigen Effekt von Zucker auf das Herz-Kreislauf-System", sagt Hauner.
Demnach fanden Forscherinnen und Forscher Hinweise darauf, dass ein starker und schneller Blutzuckeranstieg Entzündungsprozesse im Körper fördern kann. "Diese Entzündungsreaktionen können das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie die Gefäßverkalkung Arteriosklerose erhöhen", sagt Hauner. Durch die Verkalkung werden die Gefäße steifer und enger. Das beeinträchtigt die Durchblutung – und kann im schlimmsten Fall zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall führen.
Zucker verändert das Gehirn
Von Karies einmal abgesehen, zeigen sich die meisten gesundheitlichen Folgen von zu hohem Zuckerkonsum meist erst im Erwachsenenalter. Doch auch Kinder sollten nicht zu viel Zucker konsumieren - denn unser Gehirn gewöhnt sich an die Nahrung, die wir essen.
Essen wir Zucker oder Fett, wird das Belohnungszentrum in unserem Gehirn angeregt. Das sorgt für ein gutes Gefühl. Essen wir schon als Kind häufig fett- und zuckerreiche Lebensmittel, gewöhnt sich unser Gehirn daran – und verlangt immer mehr davon.
Wie schnell das geschieht, zeigte kürzlich eindrucksvoll ein Selbstexperiment von Eckart von Hirschhausen: Nach nur fünf Tagen fett- und zuckerreicher Ernährung reagierte sein Belohnungszentrum auf Abbildungen von kalorienreichen Lebensmitteln stärker, als zuvor.
Unsere Ernährungsgewohnheiten werden in der Kindheit geprägt. "Viel Süßes und Fettes kann tatsächlich zu einem Gewöhnungseffekt beitragen und dazu führen, dass Kinder auch später diese Lebensmittel bevorzugen", sagt Hauner.
Was kann ich tun, um weniger Zucker zu essen?
Bei Limonaden oder Schokolade scheint der Fall klar: Hier handelt es sich um zuckerreiche Lebensmittel. Doch Zucker steckt auch oft in Produkten, in denen wir es nicht erwarten – in herzhaften Speisen und Soßen.
"Werfen Sie immer einen Blick auf die Zutatenliste", empfiehlt Antje Gahl. Auch hinter Begriffen wie Traubensüße, Molkepulver, Sirup und allem, was auf -ose endet – Saccharose, Raffinose oder Dextrose – versteckt sich Zucker. Und je weiter vorne diese Begriffe in der Zutatenliste auftauchen, desto mehr Zucker ist enthalten. "Sie müssen süße Lebensmittel nicht komplett aus ihrer Ernährung verbannen", sagt Antje Gahl. "Aber wählen Sie kleine Portionen – und genießen Sie diese bewusst."
Über die Gesprächspartner
- Antje Gahl ist Ernährungswissenschaftlerin und Leiterin des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V.
- Prof. Hans Hauner ist Ernährungsmediziner und ist seit 2003 Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin mit Standorten am TUM-Klinikum rechts der Isar in München.
Verwendete Quellen
- Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): Zucker: Beliebtes Süßungsmittel in vielen Varianten
- who.org: WHO calls on countries to reduce sugars intake among adults and children
- Harvard Medical School Health Publishing: Staying healthy: Is sugar unhealthy?
- Gillespie et al., 2023, Nutrients: The Impact of Free Sugar on Human Health—A Narrative Review
- Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK): Treibstoff Zucker
- Uni-Klinik Freiburg: Zuckerkonsum verändert die Mundflora
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): Schlank und dennoch ein hohes Risiko für Diabetes
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