Kaum ein Lebensmittel polarisiert so wie Brot. Dickmacher oder heimlicher Schlankmacher? Der "Brotdoc" Björn Hollensteiner verrät, warum wir endlich aufhören sollten, Brot zu verteufeln.
Kaum ein Lebensmittel ist so tief in der deutschen Kultur verankert wie Brot - und kaum eines wird so leidenschaftlich diskutiert. Für die einen ist es ein Grundnahrungsmittel, für die anderen ein hinterhältiger Dickmacher, der aus dem Ernährungsplan verbannt gehört. Ist Brot wirklich der Sündenbock für ungewollte Kilos oder vielleicht sogar ein unterschätzter Helfer beim Abnehmen?
Dr. Björn Hollensteiner, Hausarzt und leidenschaftlicher Bäcker, hat eine klare Meinung: Brot ist nicht das Problem - sondern der Umgang damit. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt der selbsternannte "Brotdoc" und Autor von "Gesund und schlank mit Brot" (Becker Joest Volk Verlag), warum Kohlenhydrate nicht unser Feind sind und warum ein gutes Vollkornbrot mehr kann als nur Sattmachen.
Viele Menschen sehen Brot als einen der größten "Dickmacher". Sie sagen, es kann sogar beim Abnehmen helfen. Wie passt das zusammen?
Dr. Björn Hollensteiner: Das ist relativ einfach zu beantworten. Brot kann nur dann "dickmachen", wenn Menschen viel zu viel davon essen, dies zur falschen Tageszeit tun und sich überhaupt nicht körperlich betätigen. Wie so oft ist der Schuldige also nicht das Lebensmittel, sondern derjenige, der es verzehrt, wenn es dick macht. Warum? Brot enthält sogenannte komplexe Kohlenhydrate. Diese sind für den Körper nur durch einen vorher zwingend erforderlichen Verdauungsprozess verfügbar. Das kostet selbst Energie und sorgt dafür, dass zum Beispiel der Blutzuckerspiegel viel langsamer ansteigt als nach dem Verzehr von zuckerhaltigen Lebensmitteln. Wer sich also die absolut notwendigen Kohlenhydrate in Form von Brot, am besten Vollkornbrot, zuführt, dies vor allem in der ersten Tageshälfte tut und die Bewegung nicht vernachlässigt, nimmt durch den Verzehr von Brot ganz sicher nicht zu.
Warum ist Brot so gesund?
Dr. Hollensteiner: Weil es neben den komplexen Kohlenhydraten, die jeder Mensch für einen optimalen Stoffwechsel jeden Tag braucht, auch viele andere Bestandteile enthält. Zu nennen sind hier vor allem wichtige sekundäre Pflanzenstoffe wie das Beta-Glucan, das auf den Blutzuckerspiegel Einfluss nimmt, die B-Vitamine, viele Spurenelemente und Mineralstoffe, die der Körper braucht. Außerdem schmeckt Brot einer Mehrzahl von Menschen einfach sehr gut und sättigt für mehrere Stunden. Und das ist ein wichtiger Aspekt, um auch mental in einen guten Tag zu starten.
Low-Carb-Diäten verteufeln Brot. Ist das aus wissenschaftlicher Sicht Unsinn?
Dr. Hollensteiner: Viele Wege führen nach Rom. Low Carb kann aus meiner Sicht ein Weg sein, kurzfristig rasch etwas Gewicht zu verlieren. Aber schon mittelfristig fehlen dem Körper die notwendigen Kohlenhydrate, um einen dauerhaft gesunden Stoffwechsel zu gewährleisten. Menschen sind auch historisch gesehen keine reinen Karnivoren, also Fleischesser. Unsere Körper sind optimiert für eine Mischernährung, in der Kohlenhydrate auch schon vor der Neuzeit eine entscheidende Rolle spielten.

Viele Menschen setzen auf Vollkornbrot. Ist dunkles Brot gleich gesünder?
Dr. Hollensteiner: Wenn es wirklich aus einem hohen Anteil oder ganz aus Vollkorn besteht und nicht mit Färbemalzen nachgeholfen wurde, dann ist es gesünder als Weißbrot. Das heißt nicht, dass Weißbrot ungesund ist. Es enthält lediglich etwas weniger der guten Nährstoffe, die oben genannt sind. Wer sich also wirklich gesund und nachhaltig ernähren will, der wählt hauptsächlich Vollkornbrot.
Was raten sie Menschen, die gerade mit dem Brotbacken zu Hause anfangen?
Dr. Hollensteiner: Sie sollten sich nicht verunsichern lassen von dem vermeintlich riesigen theoretischen Wissen, das sie sich erst aneignen müssten. Ein gutes Rezept, das nicht zu kompliziert ist und ein paar Versuche reichen schon, um ein leckeres gesundes Brot aus dem Ofen zu ziehen. Auf meinem Blog finden sich viele solcher Rezepte, die auch auf die zeitlichen Einschränkungen vieler moderner Menschen Rücksicht nehmen. (ncz/spot) © spot on news