Das EU-Renaturierungsgesetz ist mit einer knappen Mehrheit im Rat der EU-Staaten angenommen worden. Möglich wurde dies durch die Zustimmung von Österreichs Umweltministerin – mit ihrem Ja hat sie allerdings eine veritable Koalitionskrise ausgelöst.

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Die Verabschiedung des umstrittenen Renaturierungsgesetzes durch die EU-Umweltminister hat in Österreich eine Regierungskrise ausgelöst: Der konservative Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kündigte am Montag nach dem Ja der grünen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler zum EU-Renaturierungsgesetz eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) an.

Das Votum Gewesslers "entspricht nicht dem innerstaatlichen Willen und konnte daher nicht verfassungskonform abgegeben werden", erklärte das Kanzleramt am Montag in Wien.

Gewessler erwartet Anzeige wegen Amtsmissbrauchs

"Niemand steht über dem Recht", hieß es unter anderem in der Erklärung. Der Klimaschutz sei zwar "ein wichtiges Anliegen", die Verfassung gelte aber "auch für Klimaschützer". ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker kündigte neben der Klage vor dem EuGH auch eine Anzeige gegen Gewessler wegen Amtsmissbrauchs an.

Die Grünen-Politikerin Gewessler hatte zuvor bei der Abstimmung der Umweltministerinnen und -minister der Europäischen Union für das seit Monaten umkämpfte Renaturierungsgesetz gestimmt. Sie handelte damit gegen den Willen des Bundeskanzlers Nehammer. Mit dem Gesetz will die EU die Umweltzerstörung in den Mitgliedstaaten zurückdrehen.

Das Kanzleramt erklärte, es müsse nun die Entscheidung des EuGH abgewartet werden. "Wir gehen davon aus, dass der EuGH so rechtzeitig entscheiden wird", dass die nationale Umsetzung des Gesetzes "vorab nicht notwendig sein wird". Zuvor hatte das Kanzleramt die Entscheidung Gewesslers bereits als "nicht verfassungskonform" bezeichnet.

Regierung in der Krise

Gut drei Monate vor der Parlamentswahl befindet sich die österreichische Regierung aus ÖVP und Grünen somit in der Krise. Der Streit um das Renaturierungsgesetz beschäftigt die Koalition schon länger. Es verpflichtet die EU-Länder, bis 2030 mindestens je 20 Prozent der geschädigten Flächen und Meeresgebiete wiederherzustellen und bis 2050 alle bedrohten Ökosysteme. Darauf hatten sich die Unterhändler der Mitgliedstaaten bereits im November mit den Abgeordneten des Europaparlaments geeinigt. Insbesondere die Landwirtschaft sieht das Gesetz kritisch.

Die endgültige Zustimmung der 27 EU-Länder zu dieser Einigung galt eigentlich als Formalie. Die Verhältnisse im Rat der Mitgliedstaaten waren jedoch bis zuletzt knapp: Italien, Finnland, die Niederlande, Polen, Schweden und Ungarn sprachen sich nach Diplomatenangaben gegen das Gesetz aus. Belgien enthielt sich. Die nötige qualifizierte Mehrheit von mindestens 15 Mitgliedstaaten und mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung kam damit erst mit der Zustimmung Österreichs zustande.

Klimaschutzministerin übt sich in Gelassenheit

Gewessler hatte ihre Zustimmung für das Gesetz am Sonntag angekündigt. "Ich weiß, dass ich in Österreich auf Widerstand stoßen werde", sagte sie in Brüssel. "Ich bin davon überzeugt, dass es jetzt an der Zeit ist, dieses Gesetz zu verabschieden", fügte die Klimaschutzministerin hinzu. Einer bereits vor der Abstimmung durch das Kanzleramt in Wien angedrohten Klage sehe sie gelassen entgegen. Dafür gebe es aus ihrer Sicht keine rechtliche Grundlage.

Der Koalitionskrach um das Gesetz ist die bisher schwerwiegendste Meinungsverschiedenheit seit der Regierungsbildung im Jahr 2020. Die Frage ist nun, ob die Koalition noch bis zur Wahl im September bestehen bleiben wird. (dpa/lag)  © AFP

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