Der ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka vergrault mit seinem harten Kurs Koalitionspartner SPÖ, trifft aber in der Bevölkerung einen Nerv. Doch Politikexperte Peter Hajek relativiert Sobotkas Rolle.

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Die Sozialistische Jugend (SJ) hat ihn bereits als schwarzen Lieblingsfeind auserkoren. In einer Aussendung rückten die traditionell aufmüpfigen Jungroten ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka kürzlich Woche in eine Reihe mit dem einstigen Kanzler des Ständestaates, Engelbert Dollfuß. Wie dieser untergrabe Sobotka die Fundamente der Demokratie.

Von solchen Vergleichen will das SPÖ-Establishment nichts wissen. Tatsache ist dennoch: Der kantige Niederösterreicher Sobotka polarisiert. Alle paar Tage präsentiert der 61-jährige mit dem markanten Haarkranz einen neuen Vorschlag, um das Versammlungs-, Asyl- und Fremdenrecht restriktiver zu machen – meist zum Unwillen von Koalitionspartner SPÖ. Wie tickt Sobotka? Worum geht es ihm? Und wie mächtig ist er?

"Eigentlich ist er der klassische Typus eines Innenministers", sagt der Wiener Politologe und Meinungsforscher Peter Hajek. "Sobotka ist sehr restriktiv in der Ausrichtung, er setzt auf law and order." Dass er sich damit von seiner Vorgängerin Johanna Mikl-Leitner – inzwischen Landeshauptfrau von Niederösterreich – abgrenze, sei wohl Kalkül. "Jeder Minister versucht, ein eigenes Profil zu entwickeln. Sobotka ist das ohne Frage gelungen. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, in ihm ein Abziehbild von Mikl-Leitner zu sehen."

Mikl-Leitner - hart, aber herzlich

Auch Mikl-Leitner setzte immer wieder auf Verschärfungen: In ihre Amtszeit fällt der Zaunbau an den Grenzen, um den ungehinderten Zuzug von Flüchtlingen zu unterbinden. Auf ihr Betreiben hin beschloss die Bundesregierung eine Obergrenze für Asylwerber: Pro Jahr dürfen maximal 37.500 von ihnen ins Land kommen.

Dennoch gab sich Mikl-Leitner als Innenministerin mit Herz. Das Innenministerium knüpfte stärkere Kontakte zu Hilfsorganisationen, sie kämpfte mit den Landeshauptleuten um Unterkünfte für Asylwerber. Nun steht sie selbst in St. Pölten einer Landesregierung vor – und präsentiert sich in ersten Interviews als neuen Landesmutter.

Sobotka will "nicht Everybody's Darling sein"

Ein solcher Karriereschritt steht Sobotka nicht ins Haus, er gibt sich als Hardliner. "Damit entspricht er dem Bedürfnis der Bevölkerung", sagt Hajek. Spätestens seit 2015, als Flüchtlinge weitgehend unkontrolliert die Grenzen passierten, sei der Wunsch nach mehr Sicherheit und klaren Regeln unüberhörbar geworden. Hajek: "Sobotka ist als Person und Politiker sehr authentisch. Es ist klar, dass er als Innenminister nicht Everybody´s Darling sein möchte."

Wenn Sobotka in harten Worten darauf drängt, Asylwerber ohne Anspruch auf Asyl möglichst rasch und möglichst konsequent aus dem Land zu drängen, mag er manche bei Koalitionspartner SPÖ vor den Kopf stoßen.

Ein großer Teil der Bevölkerung würde diesen Kurs aber goutieren, erklärt Meinungsforscher Hajek. "Das Innenministerium steht derzeit besonders im Fokus. In Zeiten wie diesen steigt der Wunsch nach Maßnahmen im Sicherheitsbereich."

Populäre Forderungen

Ähnlich populär ist seine Forderung nach einem Auftrittsverbot für AKP-Politiker in Österreich. Er will mit einer Änderung des Versammlungsgesetzes verhindern, dass die zunehmend diktatorisch agierende Regierung in Ankara unter Austrotürken Propaganda für das anstehende Referendum im April (das die Macht des Präsidenten stärken soll) macht.

Zwar ist es breiter politischer Konsens in Österreich, dass die Wahlkämpfer aus Ankara hierzulande nicht zu suchen hätten. Sobotka stößt den Koalitionspartner dennoch vor den Kopf. Denn die von ihm geplante Gesetzesänderung sah letztlich vor, dass Demonstrationen grundsätzlich vom Innenminister untersagt werden können. Darin sahen viele Genossen einen Anschlag auf grundsätzliche Bürgerrechte.

Im Alleingang ist nichts möglich

Könnte Sobotka oder einer seiner Nachfolger am Ende per Dekret politisch nicht genehme Versammlungen einfach verbieten? Hajek plädiert für mehr Gelassenheit. "Solange es keine Alleinregierung gibt, ist Politik nicht das Geschäft eines starken Mannes, sondern ein Prozess, mit dem langsam ein gesellschaftlicher Wandel hergestellt wird."

Tatsächlich kann sich Sobotka nur nach der Decke strecken. Bei der unlängst von Ministerrat verabschiedeten Verschärfung des Fremdenrechts handelt es sich im Wesentlichen um den Vollzug von Maßnahmen, auf die sich die Regierung längst einvernehmlich geeinigt hat.

Auch die rot-schwarze Einigung zu einem neuen Versammlungsrecht richtet sich vor allem an die Adresse ausländischer Politiker, denen künftig Auftritte in Österreich untersagt werden können sollen. Für mögliche Kundgebungen zum geplanten Referendum in der Türkei spielt das freilich keine Rolle: Bis die neuen Regelungen in Gesetzesform gegossen und beschlossen sind, ist die Abstimmung längst gelaufen.

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