- Angela Merkel ist seit 15 Jahren im Amt.
- Im Ausland erfährt die Bundeskanzlerin häufig Respekt oder Bewunderung.
- Die Franzosen zum Beispiel schätzen ihren einfachen Lebensstil: ein Kontrast zum eigenen Präsidenten.
Jüngste Amtsinhaberin, erste Frau, erste Ostdeutsche: Am 22. November 2005 wählte der Bundestag
Wie wird Merkel im Ausland wahrgenommen? Pascal Thibaut, seit 1997 Deutschland-Korrespondent des Senders "Radio France International", erklärt im Interview mit unserer Redaktion, was die Franzosen an Merkel schätzen und kritisieren – und warum sie präsenter wirkt als je zuvor.
Herr Thibaut, vor 15 Jahren wurde Angela Merkel deutsche Bundeskanzlerin. Wie hat man damals in Frankreich ihre Wahl wahrgenommen?
Pascal Thibaut: 15 Jahre nach der Wiedervereinigung war es auch für Frankreich ein starkes Symbol, dass eine Frau aus dem Osten die neue Regierungschefin ist. Allerdings war Merkel den meisten Franzosen noch ziemlich unbekannt. Man brauchte Zeit, um sie richtig einzuschätzen und zu erfahren, was sie verkörpert.
Merkel: Größere Popularität als jeweils amtierender französischer Präsident
Im Ausland scheint Angela Merkel manchmal geradezu bewundert zu werden. Wie ist das in Frankreich?
Das trifft auch für Frankreich zu. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Umfragen, die gezeigt haben, dass ihre Popularität größer war als die des jeweils amtierenden französischen Präsidenten. Sie ist natürlich besonders bekannt, weil sie schon seit 15 Jahren im Amt ist und in dieser Zeit vier französische Präsidenten erlebt hat: Chirac, Sarkozy, Hollande und Macron. Ich glaube, dass es eine Mischung ist: Sie wird einerseits bewundert. In Frankreich ist aber immer auch der unterschwellige Vorwurf zu hören, es gebe eine deutsche Dominanz. Für Merkel spricht, dass ihre Art des Auftretens diesen Verdacht etwas entkräftet.
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Was gefällt den Franzosen an ihrem Auftreten?
Sie gilt als kompetente, sehr erfahrene und besonnene Regierungschefin. In Frankreich kommt auch die eher einfache Art ihres Lebensstils gut an. Der steht im krassen Gegensatz zu den goldenen Palästen eines französischen Präsidenten, der wahrscheinlich seit langem keinen Supermarkt von innen gesehen hat. Wenn wie kürzlich Fotos von Merkel im Supermarkt auftauchen, wird das durchaus positiv wahrgenommen.
Gibt es also gar nichts, wofür sie in Frankreich kritisiert wird?
Weniger als Person, schon eher für ihre Politik. Als in der Euro-Krise im Raum stand, dass Griechenland die Währungsunion verlässt, stand Frankreich eher an der Seite Griechenlands. Da hat man Deutschland für eine zu resolute Haltung als "Zuchtmeister Europas" und einen Mangel an Empathie kritisiert. Auch Merkel hat einiges abbekommen, das hat das Bild sicher etwas angekratzt. Aber die Kritik aus Frankreich war nie vergleichbar mit der aus südeuropäischen Ländern. Weitere Kritik ist eher nur in politischen Kreisen zu hören. Bei Auslandsinterventionen wünscht man sich in Paris mehr Solidarität von Deutschland – oder dass die Deutschen mehr Geld für die Bundeswehr ausgeben. Doch das sind Themen, die die "Ottonormal-Franzosen" nicht unbedingt berühren.
"Die unglaubliche Frau Merkel" oder Vertreterin des Bösen?
Eine Zäsur in Merkels Kanzlerschaft war die große Flüchtlingsbewegung 2015 und ihr "Wir schaffen das". Wie haben die Franzosen diesen Schritt bewertet?
Da ist das Bild gemischt. Es gab im Sommer 2015 ein großes Erstaunen. Damals titelte ein Nachrichtenmagazin mit der Schlagzeile "L’incroyable Madame Merkel": Die unglaubliche Frau Merkel. Das zeigt eine große Bewunderung für die humanitäre Geste – vor allem, wenn man sie vergleicht mit Frankreich, wo die Politik schon seit Jahren eine sehr restriktive Einwanderungspolitik umsetzt. Man muss sich nur an die Zustände in den Camps im Norden Frankreichs erinnern, in denen Menschen ausharrten, die nach Großbritannien wollten. Gleichzeitig wurde Merkel auch kritisiert. Für die extreme Rechte ist sie spätestens mit dieser Entscheidung zu einer Vertreterin des Bösen geworden. Auch manche Linke haben ihre Politik allerdings kritisiert: Sie betrachteten sie als eine zynische Geste. Ganz platt zugespitzt hieß es: Merkel will sich damit die Sklaven holen, die die deutsche Wirtschaft braucht, um uns zu schwächen.
Ende kommenden Jahres wird Angela Merkel wahrscheinlich nicht mehr Bundeskanzlerin sein. Macht man sich in Frankreich schon Gedanken darüber, wer dann die deutsche Regierung leiten könnte?
Nur in sehr ausgewählten Kreisen. Jetzt in der Pandemie ist Merkel vielleicht sogar noch präsenter als je zuvor. Man kann sich kaum vorstellen, dass es ein Deutschland ohne sie gibt. Erst wenn im nächsten Frühjahr feststeht, wer der Kanzlerkandidat der Unionsparteien wird, wird man sich mehr damit beschäftigen.
Also sind auch die drei Bewerber für den CDU-Vorsitz in Frankreich nicht bekannt?
Friedrich Merz war für mehr als zehn Jahre raus aus dem politischen Geschäft, Norbert Röttgen kennen in Frankreich wahrscheinlich nur die Außenpolitiker. Armin Laschet ist zwar Bevollmächtigter für die deutsch-französischen Kulturbeziehungen. Dadurch hat er nach der Sommerpause Emmanuel Macron in Paris getroffen. Trotzdem bleibt er ziemlich unbekannt. Ich kann mich allerdings an die letzte Münchner Sicherheitskonferenz erinnern. Da war Marcon zum ersten Mal dabei und hat sich mit Markus Söder getroffen. Damit wollte er auch herausfinden, wie der so tickt. Macron hatte dort auch ein Abendessen mit Vertretern der Grünen. Das war möglicherweise schon mehr auf die Zeit nach Merkel gerichtet – für den Fall, dass es eine schwarz-grüne Regierung geben sollte.
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