Wladimir Putin trennt sich von seinem Ziehsohn Dmitri Medwedew und baut kurzerhand die russische Regierung um. Dass der russische Präsident ganz unerwartet die politische Reißleine zog, wirft einmal mehr Fragen nach seiner eigenen politischen Zukunft auf.

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Für Kremlchef Wladimir Putin muss es die schmerzlichste Entscheidung in russischen Krisenzeiten sein: Nach einem langen gemeinsamen Weg trennt sich der 67-Jährige von seinem politischen Ziehsohn Dmitri Medwedew.

Der 54-Jährige durfte 2008 von Putins Gnaden ins Präsidentenamt wechseln und musste 2012 den Thron nach nur einer Amtszeit wieder freimachen. So umstritten die Rochade für Putins Rückkehr damals war, klar war stets, dass Putin das Medwedew nie vergessen wird.

Wohl auch deshalb hielt sich Medwedew trotz Wirtschaftskrise und Korruptionsvorwürfen so lange auf dem Posten. An den vielen Problemen im Land geben viele Russen vor allem der Regierung von Medwedew die Schuld. 2021 steht die nächste Parlamentswahl bevor.

Russland: Präsident möchte das Parlament stärken

Immer wieder hatte der russische Präsident aber Forderungen nach einem Regierungswechsel abgelehnt. Er betonte stets, dass nicht die Regierungsmitglieder das Problem seien, sondern die Umstände – und das Kabinett einfach hart arbeiten müsse. Umso größer ist nun die Sensation.

Nach seiner Rede an die Nation traf Putin am Mittwoch mit Medwedew zusammen – der wenig später seinen Rücktritt und den des Kabinetts verkündete. Er wolle damit dem Präsidenten freie Hand geben, die nötigen Veränderungen anzustoßen.

Putin möchte dem Parlament mit einer Verfassungsreform mehr Macht einräumen. So sollen die Abgeordneten künftig unter anderem den Ministerpräsidenten bestimmen.

Wladimir Putin und Dmitri Medwedew arbeiteten bereits in 90ern zusammen

In Russland gibt es eine lange Tradition, dass im Fall großer Unzufriedenheit in der Gesellschaft zuerst der Regierungschef seinen Posten räumen muss. Putins Vorgänger Boris Jelzin etwa wechselte immer wieder erfolglose Premiers aus.

Dass Putin aber den loyalen Medwedew jemals fallen lassen könnte, daran hatte kaum jemand geglaubt. Die beiden kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit in St. Petersburg. Dort arbeiteten sie in den 1990ern zusammen in der Stadtverwaltung.

Putin machte Medwedew zum Chef der Präsidialverwaltung und schließlich zum stellvertretenden Ministerpräsidenten und Präsidentenkandidaten.

Medwedew soll stellvertretender Chef des russischen Sicherheitsrates werden

Als Trost soll Medwedew stellvertretender Chef des russischen Sicherheitsrates werden und dort die Bereiche Verteidigung und Sicherheit verantworten. Putin selbst steht an der Spitze des Sicherheitsrates.

Gesucht wird nun ein neuer Regierungschef, der es richten soll. Putin schlug noch am selben Abend in Moskau den Chef der nationalen Steuerbehörde, Michail Mischustin (53), als neuen Premier vor. Die Zustimmung im Parlament gilt als sicher, obwohl Putins Wunschkandidat bisher als weitgehend unbekannt gilt in Russland.

Für die russische Bevölkerung kam die Rücktrittserklärung der Regierung überraschend. Medwedews Kabinett nahm sie regungslos hin, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Ohnmächtig starrte das Kabinett in den vergangenen Monaten immer wieder auf Umfragen, die auf eine wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung hinwiesen – und auf Veränderungsdruck.

Außerdem entgingen dem Kreml nicht die von dem Oppositionellen Alexej Nawalny veröffentlichten Korruptionsvorwürfe. Der Kremlkritiker hatte mit Recherchen Korruption und Geldanhäufung von Medwedew aufgedeckt und Proteste der Opposition gegen den 52-Jährigen angestoßen.

Fragen nach politischer Zukunft von Putin

Nawalnys Team ätzte noch am Mittwoch gegen Medwedew während Putins Rede zur Lage der Nation: Der augenscheinlich schlafende Premier sei das einzig Stabile in Russland. Tatsächlich war er bei Präsidentenreden immer einmal mit geschlossenen Augen zu sehen.

Später kündigten die Anti-Korruptions-Kämpfer an, einsatzbereit zu sein für den neuen Regierungschef und sein Kabinett. Dass Putin nun unerwartet zum Start ins neue Jahr die politische Reißleine zog, warf einmal mehr Fragen nach seiner eigenen politischen Zukunft auf.

Putins Amtszeit endet 2024

Kritiker werfen Putin vor, an seinem Machterhalt über das Jahr 2024 hinaus zu arbeiten. Dann endet seine Amtszeit als Präsident und er müsste gemäß der Verfassung abtreten. Diese schreibt vor, dass der Präsident nur zweimal hintereinander amtieren darf.

Dass Putin aber dann auch die politische Bühne verlässt, dafür gibt es weiter keine Anzeichen. Ein Nachfolger für ihn ist nicht in Sicht. Aber ein Regierungschef war stets auch ein möglicher Kandidat für das höchste Amt im russischen Staat. (msc/dpa)

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