Nur zu gern würde FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Wiener Bürgermeister werden. Wir haben uns bei Experten umgehört, wie seine Chancen stehen.

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Wahljahr in Wien – und das amtierende Stadtoberhaupt Michael Häupl (SPÖ) und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sind beide scharf aufs Bürgermeisteramt. Am 11. Oktober wählen die Wiener die 100 Abgeordneten für den Landtag und den Gemeinderat. Die Volksvertreter entscheiden auch darüber, wer Bürgermeister wird - oder bleibt. Neben Häupl und Strache kandidieren die derzeitige Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne), Manfred Juraczka (ÖVP) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) für das Amt.

FPÖ-Spitzenkandidat Strache könnte nur ins Amt gelangen, wenn seine Partei die absolute Mehrheit der Mandate bekommt – also mindestens 51 Abgeordnete stellt. Oder aber, wenn die FPÖ einen Koalitionspartner findet und beide gemeinsam mehr als die Hälfte der Abgeordneten entsenden.

FPÖ-Absolute ist "vollkommen irreal"

Möglichkeit Nummer eins schließt Peter Filzmaier, Professor für Demokratiestudien und Politikforschung an der Donau-Universität in Krems, komplett aus - weil die FPÖ in aktuellen Umfragen zwischen 25 und 30 Prozent liegt. "Selbst wenn die Partei ihr Wahlziel von einem Drittel der Stimmen erreicht, ist eine absolute Mehrheit vollkommen irreal", sagt der Wissenschaftler. Und auch die Variante "Koalitionspartner" hält er für "extrem unwahrscheinlich", weil SPÖ, Grüne und Neos nicht mit der FPÖ koalieren wollen.

Eine Koalition mit der FPÖ sei zwar nicht völlig undenkbar, aber Filzmaier glaubt, dass auch die Wiener ÖVP nicht mit der FPÖ zusammenarbeiten will. Nach der vorangegangenen Wahl hatten beide Parteien gemeinsam ohnehin nur 40 der 100 Mandate. Zudem gibt es noch die Neos: Mit ihnen zieht womöglich eine weitere Partei in den Gemeinderat ein, die gerade die ÖVP Stimmen kosten dürfte.

"Strache hat keine Chance"

Karl Ucakar, Professor am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien, sieht die Sache genauso: "Strache hat keine Chance, vom Gemeinderat zum Bürgermeister gewählt zu werden." Auch er versichert, dass allenfalls die Gemeinderatsmitglieder der ÖVP für ihn stimmen würden. "Ich glaube nicht, dass die FPÖ bei dieser Wahl so stark zulegen wird, wie Strache sich das erhofft", betont Ucakar.

"Fernab jeder Realität!" So bezeichnet Thomas Hofer, Wiener Politikberater und Lobbyist, die Vorstellung, dass Strache Wiener Bürgermeister werden könnte. Zumindest in diesem Jahr. Er bewertet dessen Interesse am Posten des Stadtoberhaupts als Zwischenwahlkampf, als Station auf dem Weg zu den Nationalratswahlen. Eine, die ihm mediale Aufmerksamkeit bringt. Hofers Meinung nach haben aber durchaus auch die Sozialdemokraten Interesse an dem "Duell um Wien": um den "manchmal etwas wahlmüden Kader" zu mobilisieren.

ESC beeinflusst Wahltermin

Zunächst gab es Spekulationen über einen möglichen Urnengang im Juni. Warum sich die rot-grüne Landesregierung für den spätestmöglichen Wahltermin entschieden hat? Es bleibt zum einen schlicht mehr Zeit, den Wahlkampf zu organisieren. Der Landesgeschäftsführer der SPÖ, Georg Niedermühlbichler, ist noch relativ neu im Amt. Hofer glaubt zudem, dass die rot-grüne Koalition im Streit um die Reform des Wahlrechts nicht so aussehen will, als gebe sie frühzeitig auf.

Zum anderen gibt es den Eurovision Song Contest (ESC), der am 23. Mai in Wien stattfindet. "Klingt vielleicht lächerlich", sagt Hofer, "ist es aber nicht". Der Wettbewerb werde die Berichterstattung dominieren – und es bestehe durchaus die Gefahr, dass der Wahlkampf darin untergehe. Für Heinz-Christian Strache sieht der Politikberater im späten Wahltermin kein Problem. Zumal Oberösterreich und die Steiermark kurz zuvor wählen – und dort Zuwächse für die Blauen zu erwarten sind.

Vorerst wird Heinz-Christian Strache also wohl nicht Wiener Bürgermeister. Mit seinen Wahlkampfthemen aber wird er Bürger erreichen, "die sich benachteiligt oder in einer schlechten Lebenssituation fühlen", vermutet Politikprofessor Peter Filzmaier. Er geht davon aus, dass der FPÖ-Spitzenkandidat die angeblich schlechte Sicherheitslage in der Stadt verstärkt thematisieren wird - außerdem angeblich gesunkene Sozialleistungen und höhere Abgaben. Das alles verknüpft mit der Zuwanderungspolitik, "die ja in der FPÖ-Wahlkampfsprache schuld daran ist", sagt Filzmaier. Auch abseits der Bürgermeister-Frage verspricht die Wienwahl also einiges an Spannung.

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