Der angekündigte Rückzug von Grünen-Chefin Vassilakou ist plötzlich kein Thema mehr, die SPÖ ist nach wie vor die stärkste Kraft. Geht in Wien nun alles weiter wie bisher? Experten halten eine rot-grüne Koalition für die wahrscheinlichste Variante, doch im Stadtsenat wird sich etwas verschieben. Und: Den Vizebürgermeister wird die FPÖ stellen.
39,4 Prozent der Wählerstimmen und damit 4,9 Prozentpunkte weniger als bei der Wahl 2010 – das ist das vorläufige Endergebnis der SPÖ bei der Wahl zum Wiener Gemeinderat am Sonntag. "Es ist ihr aber gelungen, aus diesem Verlust einen deutlichen Sieg im Bürgermeisterduell zu machen", sagt die Kärntner Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. Ein Sieg also, und doch ist Michael Häupl (SPÖ) wie schon 2010 auf einen Koalitionspartner angewiesen. Während nun die Gremien der einzelnen Parteien tagen, wird sich entscheiden, mit wem die SPÖ Koalitionsverhandlungen führt. Eine Frist dafür setzt die Stadtverfassung nicht.
Fix ist mit 100 Plätzen die Anzahl der Gemeinderäte, die der Stadträte kann sich jedoch ändern: Sie muss zwischen neun und 15 liegen, nach der Wahl 2010 liegt sie aktuell bei zwölf. Ziel ist, dass alle Parteien vertreten sind - ist der Stadtsenat aber klein, werden nur SPÖ, FPÖ und Grüne darin vertreten sein. Bleibt es bei der Zahl zwölf, geht ein Mandat von der SPÖ zur FPÖ über.
Vizebürgermeister ohne Kompetenzen
Wie kann die FPÖ sonst von ihrem Stimmenzuwachs profitieren? Mit 32,2 Prozent hat sie zwar ihr historisch bestes Wahlergebnis erzielt, kann jedoch nach Meinung der Politikexperten wenig damit anfangen. "In Wien dürfen exakt sieben zusätzliche Abgeordnete feiern, die jetzt ein Mandat haben. Für alle FPÖ-Wähler und blauen Funktionäre, die eine echte Regierungsbeteiligung wollten, bleibt nichts", sagt Politologe Peter Filzmaier, der den Wahlerfolg der FPÖ deshalb auch als "Muster ohne Wert" bezeichnet.
Zwar hat die FPÖ Anspruch auf den Vizebürgermeistersessel - und FPÖ-Chef
Dass kaum eine andere Partei mit der FPÖ koalieren will, stellten die Freiheitlichen im Wahlkampf als "Ausgrenzung" dar. "Doch wer im Bund und in Wien - anders ist es ja im Burgenland – von allen denkmöglichen Partnern nicht gewollt wird, muss da einen Ausweg finden und kann nicht nur auf die anderen schimpfen", urteilt Peter Filzmaier. Der Politikexperte sieht die Nationalratswahl 2018 als Straches letzte Chance: "Strache als junger Dauerkämpfer gegen die alte Politik – die Geschichte nutzt sich ab und würde für einen über 50-Jährigen peinlich wirken."
Grüne: Keine schwierigen Verhandlungspartner?
Anders als im Burgenland kommt eine rot-blaue Koalition in Wien nicht infrage, zu gegensätzlich sind ihre Positionen vor allem in der Flüchtlingsfrage, zu deutlich wurde der Wahlkampf als Duell inszeniert. Häupl schloss diese Variante auch von Vorneherein aus.
Eine Dreierkoalition, etwa mit den liberalen NEOS (6,0 Prozent), wäre theoretisch möglich, allerdings hatte Häupl auch das ausgeschlossen. Rein rechnerisch wäre zudem eine Koalition zwischen SPÖ und ÖVP denkbar – allerdings nur mit einer hauchdünnen Mehrheit, denn die Konservativen kamen lediglich auf 8,7 Prozent. Die Fortführung der rot-grünen Koalition ist somit die wahrscheinlichste Variante.
Obwohl die SPÖ nur begrenzte Möglichkeiten hat, geht Stainer-Hämmerle davon aus, dass die Grünen es den Sozialdemokraten in den Koalitionsverhandlungen nicht allzu schwer machen werden. "Die Grünen sind froh, wenn sie nach dem Ausscheiden aus der Landesregierung in Oberösterreich Juniorpartner bleiben dürfen."
Von Vassilakou-Rücktritt keine Rede
Bleiben will nun offenbar auch Grünen-Chefin Maria Vassilakou, obwohl sie im Vorfeld verkündet hatte, bei einem Stimmenverlust zurückzutreten. Dass das kein Thema sei, betonte am Montagnachmittag Klubchef David Ellensohn gegenüber der APA: "Mary wird uns in diese Koalitionsverhandlungen führen". Es seien keine offizielle Gremiensitzungen, in denen Vassilakou die Vertrauensfrage gestellt und bestätigt werden könnte, angesetzt: "Formelle Beschlüsse brauchen wir ganz am Ende."
Vassilakou äußerte sich noch nicht konkret, wie es weitergehen soll. Der Verlust von 1,5 Prozentpunkten war aber offenbar nicht deutlich genug, ein Rücktritt ist vermutlich vertagt. Die ÖVP war da schneller: Bereits am Wahlabend hatte Manfred Juraczka seinen Rücktritt angekündigt, Generalsekretär Gernot Blümel stand bereits am Tag danach als Nachfolger fest.
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