- Am 8. November finden in den USA die Halbzeitwahlen statt.
- Die Wahlen werden auch als Abstimmung über Joe Bidens bisherige Amtsführung gesehen.
- Die Bilanz des Präsidenten gilt als durchwachsen.
Er hat sich viel vorgenommen: Bei seiner Antrittsrede im Januar 2021 erklärte der amtierende US-Präsident Joe Biden, er wolle das Land einen und die Demokratie retten und wandte sich auch an diejenigen, die ihn nicht gewählt hatten und bat um deren Unterstützung. Wenige Tage zuvor hatte ein Mob das Kapitol in Washington gestürmt, mit der Begründung, man hätte ihnen die Wahl gestohlen.
Die Republikaner stehen immer noch hinter ihrem ehemaligen Präsidenten Trump, der auch nach zwei Jahren die Rechtmäßigkeit von Bidens Wahl anfechtet. Von einer Bereitschaft, den aktuellen Präsidenten bei seinen Vorhaben im Senat und Abgeordnetenhaus zu unterstützen, keine Spur. Nun könnten die Halbzeitwahlen (Midterm Elections) am 8. November Bidens Möglichkeiten zu regieren weiter beschneiden. Traditionell hat der US-Präsident zwei Jahre Zeit, um seine wichtigsten Anliegen durch den Kongress zu bekommen, bevor bei den Halbzeitwahlen der politische Gegner die Mehrheit in den Kammern erlangt und anschließend die politischen Vorhaben blockiert. Die Halbzeitwahlen werden daher auch als Votum über die bisherige Amtszeit des Präsidenten gewertet.
Nicht einmal die Demokraten wollen eine erneute Biden-Kandidatur
Um zu wissen, wie beliebt Joe Biden derzeit bei den US-Amerikanern ist, kann man sich der aktuellen Umfragen bedienen. Traditionell wird in den USA regelmäßig abgefragt, wie hoch die Zustimmungswerte für den aktuellen Präsidenten sind. Biden kommt dabei aktuell auf magere 41 Prozent. Zeitweise war er mit rund 31 Prozent aber auch gefährlich nah an Donald Trumps Rekordtief von 29 Prozent während dessen Präsidentschaft. Beachtlich: Einer Umfrage der "New York Times" zufolge sind selbst die Demokraten der Meinung, Biden sollte 2024 nicht mehr kandidieren. Ausschlaggebend ist hierfür laut Umfrage vor allem sein fortgeschrittenes Alter, Biden wäre bei Amtsantritt 82 Jahre alt, aber auch dessen schlechte Performance als Präsident.
Mangelhaft sei USA-Experte Josef Braml zufolge vor allem Bidens Wirtschaftspolitik. "Inflation und Wirtschaft sind die beiden Top-Themen, die US-Wählerinnen und Wähler am meisten umtreiben", erklärt Braml. Die prekäre wirtschaftliche Lage spiele daher den Republikanern in die Hände, denen die Wähler laut Umfragen mehr Kompetenz in diesem Bereich zusprechen. Und die bisherige Bilanz der aktuellen Regierung gibt ihnen recht: So hätte Biden seine Außenpolitik moralisiert und wichtige Verbündete wie Saudi-Arabien aufgrund von Menschenrechtsverletzungen düpiert. Biden habe die Wirtschaft aus den Augen verloren, sagt Braml.
Experte: "Auch im heutigen Amerika kommt zuerst das Fressen, dann erst die Moral"
Und die Wirtschaft ist in den USA immer wichtiges Wahlkampf-Thema. Kurzzeitig schien es so, als würden die Demokraten Aufwind erhalten nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, das Abtreibungsrecht zu kippen. Sollte das Abtreibungsrecht den Wahlkampf bestimmen, wäre ein Sieg der Demokraten gut möglich gewesen, sagt Braml, weil das Thema die demokratische Basis mobilisiert hätte: "Damit wäre Biden gelungen, was in der US-amerikanischen Geschichte wenige Präsidenten vor ihm geschafft haben: Nach zwei Jahren ihrer Amtszeit bei den Zwischenwahlen nicht Sitze und Mehrheiten im Kongress zu verlieren."
Doch moralische Themen treten dann in den Hintergrund, wenn die wirtschaftlichen Grundbedürfnisse nicht erfüllt sind. "Auch im heutigen Amerika kommt zuerst das Fressen, dann erst die Moral", sagt der USA-Experte. Kurzsichtige Handlungen des amtierenden Präsidenten hätten die wirtschaftlichen Themen wieder in den Vordergrund gerückt und damit die "Moral Issues" wieder in den Hintergrund geschoben.
Wie stehen die Chancen für die Demokraten bei den Midterm Elections?
Für am wahrscheinlichsten hält USA-Experte Braml es aktuell, dass die Demokraten ihre Senatsmehrheit verteidigen können, aber das Abgeordnetenhaus verlieren. In diesem Fall hätte der Präsident große Schwierigkeiten, über den Gesetzweg seine innenpolitischen Vorhaben umzusetzen – mit langfristigen Folgen: "Insbesondere könnte Bidens Unfähigkeit, das Wahlrecht zu reformieren, sich als problematisch für die amerikanische Demokratie erweisen und seinem Herausforderer Trump bessere Chancen für eine zweite Amtszeit geben."
Auch die Ukraine-Politik der USA könnte auf den Prüfstand gestellt werden, da die finanzielle und militärische Unterstützung Kiews durch beide Kammern bewilligt werden muss. "US-Regierungsbeamte bezweifeln, dass sie nach den Kongresswahlen im November große Hilfspakete für die Ukraine verabschieden können", so Politik-Experte Braml. Für Deutschland und Europa würde das bedeuten, dass der alte Kontinent verstärkt seine Sicherheit und Außenpolitik in die eigenen Hände nehmen müsse. In dieser Hinsicht habe nach der Amtszeit von Donald Trump kein grundlegender Wandel stattgefunden. Die USA konzentrieren sich auch unter Joe Biden außenpolitisch auf den Konkurrenten China und wenden ihren Blick von Europa ab.
Verwendete Quellen:
- Schriftliche Einschätzung von Dr. Josef Braml
- Aktuelle Umfragen zu den Midterm Elections laut Fivethirtyeight.com: The Polls Are Getting Better For Republicans
- Aktuelle Umfragen zu Joe Bidens Zustimmungswerten laut Fivethirtyeight.com: How unpopular is Joe Biden?
- New York Times: Most Democrats Don’t Want Biden in 2024, New Poll Shows
- Spiegel.de: Bidens Antrittsrede im Wortlaut
- Spiegel.de: Trump ist überall, Biden ist kaum zu sehen
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