Erst das vergeigte TV-Duell mit seinem Konkurrenten Donald Trump, dann die sich mehrenden Stimmen, die seinen Rückzug als Präsidentschaftskandidat fordern - und nun auch noch Corona: Der amtierende US-Präsident sieht sich einem Rückschlag nach dem nächsten ausgesetzt. Wie lange hält er noch durch?

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Nein, es läuft nicht für Joe Biden. Während die Republikaner auf ihrem Parteitag in Milwaukee fast wie im Rausch ihrem Messias Donald Trump huldigen, spitzt sich die Lage für den amtierenden US-Präsidenten immer weiter zu.

Denn seine Kritiker gönnten dem Demokraten nur eine kurze Atempause, seit gestern sieht sich Biden mit neuen Forderungen konfrontiert, sich aus dem Wahlkampf um eine zweite Amtszeit zurückzuziehen. Zugleich macht ihm seine Gesundheit zu schaffen – er wurde positiv auf das Coronavirus getestet. Wird es doch zu viel für den 81-Jährigen? Laut einem Bericht der "New York Times" soll sich Biden erstmals "offen" gegenüber einem Rückzug gezeigt haben.

Top-Demokraten sprechen sich gegen Biden aus

Am Mittwochabend kam Biden in seinem Strandhaus in Rehoboth Beach im Bundesstaat Delaware an. Dort wollte er sich eigentlich in Ruhe von seiner Corona-Erkrankung erholen.

Doch genau zu seinem Eintreffen dort machten die ersten Schlagzeilen über das erneute Entbrennen der Debatte über seine Kandidatur die Runde.

Es war der prominente demokratische Abgeordnete Adam Schiff, der nach einigen Tagen der Ruhe nach dem Attentat auf Trump das Thema "Präsidentschaftskandidat Biden" wieder auf die Agenda setzte. Kurze Zeit später berichteten Medien übereinstimmend, dass die beiden Top-Demokraten im US-Kongresses, Hakeem Jeffries und Chuck Schumer, Biden bereits in der vergangenen Woche davor gewarnt hätten, an seiner Bewerbung festzuhalten.

Bericht: Pelosi redet Biden ins Gewissen

Schließlich berichtete der Sender CNN unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen, dass die demokratische Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi dem US-Präsidenten kürzlich in einem Gespräch gesagt habe, er könne Präsident Trump im Rennen ums Weiße Haus nicht schlagen. Biden reagierte demnach abweisend.

Die "New York Times" schrieb hingegen, dass Biden sich in den vergangenen Tagen offen für derartige Warnungen gezeigt habe und sich die Argumente zumindest anhören würde. Als Quelle nannte die Zeitung Demokraten, die über die Gespräche informiert worden seien.

Die Frage ist also: Wie lange hält Biden noch durch? Bislang hat Biden alle Rückzugsforderungen zurückgewiesen und klargemacht, dass er nicht vorhat, hinzuschmeißen. In einem am Mittwoch ausgestrahlten TV-Interview sagte Biden auf eine entsprechende Frage, dass ihn ein medizinisches Problem dazu bringen könne, über einen Rückzug nachzudenken - eine Corona-Erkrankung als Grund für einen Rückzug?

Der Demokrat steht aber auch wegen seines hohen Alters und Zweifeln an seiner geistigen Verfassung massiv unter Druck aus den eigenen Reihen. Seit einem desaströsen Auftritt bei einem Fernsehduell gegen seinen Kontrahenten Trump forderten ihn in den vergangenen Wochen diverse demokratische Abgeordnete auf, aus dem Präsidentschaftsrennen auszusteigen. Viele weitere äußerten sich öffentlich sehr besorgt über seine Wahl-Chancen.

Bidens Beharrlichkeit bereitet oberster Parteiebene Sorgen

Der Abgeordnete Schiff, der sich um einen Posten im Senat bewirbt, erklärte nun, er habe ernsthafte Bedenken, ob Biden den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Trump im November besiegen könne. Biden habe große Erfolge zu verbuchen, aber es sei an der Zeit, den Weg freizumachen für jemand anderen. Schiff ist ein Vertrauter Pelosis.

Die 84-Jährige hat in der Partei weiterhin großen Einfluss und hatte vergangene Woche bereits in einem TV-Interview signalisiert, dass die Debatte um Bidens Kandidatur noch nicht beendet sei. Dass sie ausdrücklich darauf verzichtete, Biden ihre Unterstützung auszusprechen, machte Schlagzeilen.

Auch auf höchster Parteiebene bereitet Bidens Beharrlichkeit offenbar Sorgen. Sowohl Schumer, Mehrheitsführer im Senat, als auch Jeffries, Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, hätten in der vergangenen Woche separat Gespräche mit Biden geführt. Die Kernaussage: Bidens Festhalten an seiner Präsidentschaftsbewerbung könne dazu führen, dass die Demokraten die Kontrolle über beide Kongresskammern verlieren könnten. Das berichteten die "Washington Post" und ABC News unter Berufung auf anonyme Quellen, die mit der Angelegenheit vertraut sind.

Demokraten fürchten den Total-Verlust

Schumers Büro teilte als Reaktion auf die Berichte am Mittwoch mit, der Senator habe Biden die Ansichten seiner Fraktion übermittelt. Solange die Quelle nicht Schumer oder Biden heiße, bewege sich Berichterstattung im Bereich der Spekulation.

Neben dem Präsidentenamt werden bei der Wahl im November auch viele Sitze im Parlament neu vergeben. Das gesamte Repräsentantenhaus wird neu gewählt, im Senat steht ein Drittel der Sitze zur Wahl. Die Demokraten fürchten, dass die Republikaner nach der Wahl sowohl beide Kammern im Kongress als auch das Weiße Haus kontrollieren könnte. Etliche Parlamentarier haben Sorge, dass die fehlende Unterstützung für Biden auch sie die Wiederwahl kosten könnte.

Laufende Nase und Husten bei Biden

Biden, der nach der Wahl im November im Amt bestätigt werden will, war am Mittwoch in Las Vegas unterwegs, um vor allem bei der hispanischen Bevölkerung um Stimmen zu werben. Der positive Coronatest machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Er habe Atemwegsbeschwerden, eine laufende Nase und Husten, teilte sein Arzt mit. Er habe seine erste Dosis des Covid-Medikaments Paxlovid bekommen. Biden gehört wegen seines hohen Alters zur Risikogruppe. Er war zuletzt im Sommer vor zwei Jahren positiv auf das Virus getestet worden.

Feierstimmung in Milwaukee

Ganz anders als bei den Demokraten ist die Stimmung aktuell bei den Republikanern. Beim Parteitag in Milwaukee wurde Trump am Montag offiziell zum Präsidentschaftskandidaten der Partei gekürt. Seine große Rede wird in der deutschen Nacht zu Freitag erwartet.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Seit Beginn des Spektakels in der riesigen Veranstaltungshalle läuft Trump dort jeden Abend unter dem Jubel seiner Parteikollegen auf. Öffentlich äußert sich der 78-Jährige, der am Wochenende bei einem versuchten Attentat am Ohr verletzt wurde, nicht. Stattdessen sitzt er in einem speziellen Bereich im Publikum mit einem verbundenen Ohr. (szu/dpa)

Verwendete Quellen

  • Material der Deutschen Presse-Agentur dpa
  • New York Times
  • CNN
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