Es gibt derzeit keine Beweise, dass das Team von Donald Trump 2016 mit Russland paktiert hat. Doch ein Makel für den US-Präsidenten blieb. Deswegen machen die Republikaner die Sonderermittlungen erneut zum Thema.

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Wie die Ermittlungsergebnisse zu den Kontakten zwischen dem Trump-Team und russischen Akteuren im Wahlkampf 2016 einzuschätzen sind, darüber gingen und gehen die Meinungen in den USA weit auseinander. Der "Mueller-Report" war vor rund anderthalb Jahren zu einem gemischten Ergebnis gekommen.

Jetzt kämpft Donald Trump um seine Wiederwahl. Und während sein demokratischer Gegenkandidat Joe Biden die Mueller-Ermittlungen kaum noch anspricht, haben der Präsident und seine Republikaner sie als Wahlkampfthema entdeckt. Sie wollen, dass Dokumente veröffentlicht werden, die Trump komplett rehabilitieren sollen.

Verdacht der Verschwörung mit Russland

Ein Rückblick: Anlass für die Sonderermittlungen waren Ereignisse im US-Wahlkampf 2016. Nach Hackerangriffen auf die Demokratische Partei veröffentlichte die Enthüllungsplattform Wikileaks E-Mails von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton.

Beschafft hatten diese E-Mails offenbar russische Hacker. Die damals noch amtierende Obama-Regierung verdächtigte die Regierung in Moskau, hinter dem Angriff zu stecken: Sie habe die Wahl zugunsten von Donald Trump manipulieren wollen.

Deswegen geriet auch das Team des heutigen Präsidenten in Verdacht. Sein späterer Sicherheitsberater Michael Flynn und Justizminister Jeff Sessions hatten sich mit dem russischen Botschafter getroffen oder telefoniert. Trumps ältester Sohn Donald Trump Junior traf im Juni 2016 im "Trump Tower" eine russische Anwältin, die belastendes Material gegen die Demokraten versprochen hatte. Der Inlandsgeheimdienst FBI ermittelte gegen Trumps außenpolitischen Berater George Papadopoulos, der schon im April 2016 von den gehackten Clinton-Mails wusste.

Nachdem auch die Parlamentarier im Kongress Druck gemacht hatten, beauftragte das Justizministerium im Mai 2017 den früheren FBI-Direktor Robert Mueller mit Sonderermittlungen. Die zentrale Frage lautete: Hatte das Team von Donald Trump mit Akteuren aus Russland paktiert, um Hillary Clinton zu schaden? Eine solche "collusion", eine verschwörerische Zusammenarbeit, ist in den USA strafbar. Trump wies alle Beschuldigungen von sich und kritisierte eine "Hexenjagd".

Nicht angeklagt – aber auch nicht rehabilitiert

Im April 2019 wurde der 448 Seiten starke Mueller-Report veröffentlicht – wenn auch mit zahlreichen Schwärzungen. Donald Trump und die Republikaner feierten ihn als Sieg: Der Sonderermittler fand keine stichhaltigen Beweise für eine verschwörerische Zusammenarbeit zwischen dem Wahlkampfteam und Personen mit Verbindungen zum Kreml.

"Es wurden 43 Anklagen erhoben, es kam zu 2.800 strafbewehrten Vorladungen, 500 Zeugen wurden gehört. Das Team von Mueller hat also sehr akribisch gearbeitet", erklärt der Politikwissenschaftler Marcus Müller von der Technischen Universität Kaiserslautern im Gespräch mit unserer Redaktion.

Das Problem aber: Mueller habe sich nicht getraut, klare Befunde zu formulieren, sondern sei eher vage geblieben. "Mueller hat sich sehr eng an die Richtlinien des Justizministeriums gehalten und die strafrechtliche Bewertung eher dem Ministerium und dem Kongress überlassen", sagt der USA-Experte. "Für eine klare Einordnung hat er vielleicht zu wenig gesorgt. Deswegen konnten Trump und sein Justizminister William Barr diese Einordnung okkupieren."

Dabei waren die Befunde gar nicht so eindeutig zugunsten Trumps auszulegen. Mueller hat zahlreiche Kontakte zwischen dem Trump-Team und russischen Akteuren dokumentiert. Das berüchtigte Treffen im Trump Tower hatten der Präsident und sein Sohn zunächst bestritten – dann mussten sie doch einräumen, dass es stattgefunden hat.

Zudem hatten Muellers Ermittlungen indirekt schwerwiegende Folgen für Trumps engsten Beraterkreis. Wegen Falschaussagen oder Finanzdelikten wurden später zum Beispiel Michael Flynn, Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort und sein Anwalt Michael Cohen angeklagt.

Im Raum blieb auch der Vorwurf der Justizbehinderung: Trump soll die Ermittlungen behindert haben, indem er etwa versuchte, E-Mails zum Treffen im Trump Tower geheim zu halten. Außerdem feuerte er den FBI-Chef James Comey. Robert Mueller schrieb im Fazit: Sein Bericht habe Trump keine Straftaten nachweisen können – aber er entlaste ihn auch nicht.

FBI im Visier

Der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) zufolge hat Trump inzwischen den Sicherheitsapparat dazu angehalten, die Russland-Ermittlungen in Zweifel zu ziehen. Im Visier hat er etwa das FBI: Der Geheimdienst war 2016 dem Verdacht nachgegangen, Trumps außenpolitischer Wahlkampfberater Carter Page sei ein russischer Spion. Ermittlungen haben ergeben, dass das FBI Fehler machte, als es eine Abhörung von Page beantragte.

Der Verdächtige bestritt die Spionage-Vorwürfe – und es gelang auch nicht, ihm etwas nachzuweisen. Nun will Trump erreichen, dass die Ermittlungsunterlagen veröffentlicht werden – offenbar, um die Arbeit des FBI zu diskreditieren. Einzelne Senatoren der Republikaner fordern sogar Ermittlungen gegen Mitglieder aus Muellers Team: Sie sollen die Geheimzahlen ihrer Diensthandys vergessen oder falsch eingegeben und so einen Datenverlust verursacht haben.

Der Mueller-Report bleibt eine offene Wunde. Nicht nur für den Präsidenten, sondern auch für diejenigen, die gegen ihn ermittelt haben. Andrew Weissmann, Mitglied von Muellers Team, hat gerade ein Buch über seine Erfahrungen veröffentlicht. Er schreibt darin, dass man nicht alles unternommen habe, um die Wahrheit ans Licht zu bringen: "Wir hätten mehr tun können."

Hohe Sensibilität im aktuellen Wahlkampf

"Ich würde nicht sagen, dass der Mueller-Report verpufft ist", meint dagegen Politikwissenschaftler Marcus Müller. Im Kongress sei es heute überparteilicher Konsens, dass Russland als Bedrohung anzusehen ist. Der Geheimdienstausschuss des Senats habe 2017 bis 2019 eigene Untersuchungen durchgeführt, die in vielerlei Hinsicht mutiger und umfassender waren, so Müller.

"Wir wissen daher heute, dass die Russland-Kontakte aus Trumps Umgebung noch intensiver waren, als es der Mueller-Report ergeben hat." Im aktuellen Wahlkampf gebe es eine hohe Sensibilität, dass so enge Kontakte mit Russland und versuchte Wahlbeeinflussungen in Zukunft auf jeden Fall verhindert werden müssen.

Über den Experten: Dr. Marcus Müller ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Politikwissenschaft an der Technischen Universität Kaiserslautern. Er beschäftigt sich mit Internationalen Beziehungen und Außenpolitik und ist Mitherausgeber des Buchs "Weltmacht im Abseits: Amerikanische Außenpolitik in der Ära Donald Trump".

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dr. Marcus Müller, Technische Universität Kaiserslautern
  • Associated Press
  • The Guardian: Where Law Ends revies: why Mueller failed to hold Trump to account
  • U.S. Department of Justice: Report on the Investigation of Russian Interference in the 2016 Presidential Election
  • Zeit.de: Mueller-Report – der Verdacht der Justizbehinderung bleibt
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