Eigentlich sollte Joe Biden beim Nato-Gipfel zeigen, dass er es noch drauf hat. Doch die Debatte über seine Gesundheit und politische Zukunft überschattet alles. Kritik kommt von immer prominenterer Stelle.
Manchmal ist Schweigen lauter als Worte: Die demokratische Spitzenpolitikerin
Pelosis subtile Distanzierung von
Erster Senator ruft Biden offen zum Rückzug auf
Die Lage für den amtierenden Präsidenten spitzt sich weiter zu. Erstmals forderte ein Senator der US-Demokraten Biden öffentlich auf, aus dem Rennen um das Weiße Haus auszusteigen.
Mit Peter Welch ruft der erste Senator Biden offen zum Rückzug auf. "Zum Wohle des Landes fordere ich Präsident Biden auf, sich aus dem Rennen zurückzuziehen", schrieb Senator Peter Welch aus dem Bundesstaat Vermont am Mittwoch (Ortszeit) in einem Meinungsbeitrag in der "Washington Post".
Auch Chuck Schumer liebäugelt Bericht zufolge mit Rückzug von Biden
Und einem Bericht zufolge soll sich auch der demokratische Mehrheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, gegenüber Spendern offen gezeigt haben, Biden auszutauschen. Das berichtete das Portal Axios unter Berufung auf zwei nicht namentlich genannte Quellen.
Die Senatoren der Demokraten sollen sich am Donnerstag mit engen Beratern von Biden treffen. Im Repräsentantenhaus, der anderen Kammer des US-Kongresses, haben mindestens acht Abgeordnete der Demokraten Biden zum Ausstieg aus dem Rennen um das Weiße Haus aufgefordert.
Öffentlich hatte Schumer sich bisher hinter Biden gestellt. Sein Büro teilte als Reaktion auf den Bericht lediglich mit, dass Schumer Biden unterstütze und sich weiterhin dafür einsetze, dass Republikaner
Das öffentliche Urteil eines anderen Biden-Unterstützers kam zuvor mit der Gewalt eines Donnerschlags: Hollywoodstar George Clooney rechnete in der "New York Times" mit Bidens Kandidatur ab und forderte ihn zum Rücktritt auf.
Sollte sich auch Schumer derart öffentlich gegen Biden wenden, könnte der 81-Jährige endgültig den Rückhalt im Kongress verlieren. Dann dürfte das Schicksal seiner Kandidatur besiegelt sein.
Pelosi setzt Biden unter Druck
Bereits die Worte von Ex-Speaker Nancy Pelosi sind für Biden aber ein Schlag ins Gesicht. Sie ist nicht nur eine enge Vertraute von Biden. Die einstige Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses ist auch eine mächtige Figur in der Demokratischen Partei.
In der Sendung "Morning Joe" auf MSNBC, angeblich Bidens liebstes politisches Frühstücksfernsehen, sagte die 84-Jährige auf die Frage, ob sie Bidens Kandidatur immer noch unterstütze: "Es liegt am Präsidenten zu entscheiden, ob er kandidiert."
Sie fügte hinzu: "Wir alle ermutigen ihn, diese Entscheidung zu treffen. Die Zeit wird knapp." Auf den Hinweis des Moderators, dass Biden sich ja offenbar schon entschieden habe, im Rennen zu bleiben, reagierte Pelosi ausweichend. Stattdessen schob sie nach: "Er wird geliebt, er wird respektiert, und die Menschen wollen, dass er diese Entscheidung trifft."
Pelosi hatte sich nach Bidens TV-Debakel gegen den republikanischen Herausforderer Donald Trump zunächst eisern hinter den US-Präsidenten gestellt. Doch bereits in der vergangenen Woche äußerte Pelosi erste Zweifel. Sie sagte, es sei "legitim", sich zu fragen, ob Bidens schwacher TV-Auftritt nur eine "Episode" oder ein Dauerzustand sei.
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Pelosi ist mit 84 Jahren selbst nicht mehr die Jüngste. Sie stellt sich im November erneut für ein Mandat im US-Abgeordnetenhaus zur Wahl.
Der bekannte demokratische Senator John Fetterman, der hinter Biden steht, reagierte verwundert auf Pelosis aktuelle Aussagen. "Es ist entschieden. Es ist seltsam, dass sie so etwas sagt." Stunden nach Pelosis Interview stellte sich ein weiterer Abgeordneter gegen Biden.
Biden verteidigt sich mit geballter Faust gegen Kritik
Biden kämpft darum, seine Kandidatur für die Präsidentenwahl im November zu retten. Er hatte bei der TV-Debatte mit seinem Herausforderer Donald Trump mit heiserer Stimme gesprochen, sich wiederholt in seinen Formulierungen verheddert und Sätze nicht beendet.
In den USA wird diskutiert, ob Biden wegen seines hohen Alters der richtige Präsidentschaftskandidat der Demokraten ist. Er ist der mit 81 Jahren älteste Präsident in der US-Geschichte. Seit dem katastrophalen Auftritt beim TV-Duell gegen Trump muss er sich zunehmend Fragen zu seiner geistigen Fitness gefallen lassen.
Auf Kritik reagiert Biden jedoch trotzig und wirkt bisweilen stur. Einen Ausstieg aus dem Rennen hat er bisher vehement ausgeschlossen.
Die Frage einer Journalistin, ob Nancy Pelosi noch hinter seiner Präsidentschaftskandidatur stehe, konterte Biden beim Nato-Gipfel mit einer geballten Faust.
Zu der Szene kam es, als die Staats- und Regierungschefs der 32 Nato-Staaten sich zu einem Familienfoto versammelten. Bidens selbstbewusster Konter sorgte unter anderem bei Bundeskanzler Olaf Scholz, der schräg hinter ihm stand, für einen Schmunzler.
Eigentlich müsste der wichtige Gipfel des Verteidigungsbündnisses in der US-Hauptstadt Washington aktuell Bidens ganze Aufmerksamkeit fordern - doch die Unruhe in seiner Partei dürfte Biden ebenso sehr beschäftigen.
Republikaner greifen an
Derweil verstärken die Republikaner ihre Angriffe auf Biden. Der Vorsitzende des wichtigen Kontrollausschusses im Repräsentantenhaus lud mehrere ranghohe Mitarbeiter des Weißen Hauses vor.
Die Republikaner werfen Bidens Umfeld vor, dessen Gesundheitszustand zu vertuschen. Unter den Vorgeladenen ist auch ein enger Berater von First Lady Jill Biden. Es ist offen, ob die Vorgeladenen tatsächlich aussagen werden. Die Republikaner werfen Biden vor, geistig nicht in der Lage zu sein, sein Amt auszuüben.
Bei den Demokraten hat sich noch keine kritische Masse gegen Biden gestellt. Aber die Zweifel reißen nicht ab - und jeden Tag kommen neue Rücktrittsforderungen hinzu.
Mehrere Härtetests für Biden
Auch zum Auftakt des Nato-Gipfels in Washington zeigte sich Biden kämpferisch. In seiner Rede zum 75-jährigen Bestehen des Militärbündnisses sprach der US-Präsident energisch und weitgehend ohne Versprecher - allerdings las er die Rede im Unterschied zum TV-Duell von einem Teleprompter ab.
Am Donnerstag wartet ein Härtetest auf den Demokraten: die Abschlusspressekonferenz des Nato-Gipfels. Dort muss Biden sich ohne Teleprompter den Fragen der Presse stellen. Gerade in solchen Momenten neigt er zu Versprechern und Patzern.
Biden hat außerdem ein neues TV-Interview angekündigt, um zu zeigen, dass er in Situation ohne Prompter bestehen kann. Am Montagabend (Ortszeit, hierzulande die Nacht zu Dienstag) will er sich den Fragen von NBC-Journalist Lester Holt stellen. Vergangene Woche hatte Biden dem Sender ABC sein erstes Interview nach der Debatte gegeben und betont, dass nur Gott ihn zum Rückzug bewegen könne.
Der Journalist, der Biden interviewte, war George Stephanopoulos - ausgerechnet der fiel nun mit einer brisanten Aussage auf. Auf einem Video ist zu sehen, wie der Journalist in New York sagt, dass Biden nicht vier weitere Jahre im Amt bleiben könne. "Vorhin habe ich auf die Frage eines Passanten geantwortet. Das hätte ich nicht tun sollen", zitierten US-Medien Stephanopoulos' Sprecher.
Clooney rechnet mit Biden ab
Wohl eher ohne Reue äußerte sich Schauspieler
Erfolgsregisseur und Produzent Rob Reiner ("Harry und Sally") schloss sich Clooney an und schrieb: "Die Demokratie steht vor einer existenziellen Bedrohung. Wir brauchen jemand Jüngeren, der zurückschlägt. Joe Biden muss Platz machen." Biden wird von diversen Stars unterstützt - Hollywood gilt als eher liberal.
Clooney hatte erst vor wenigen Wochen bei einer Wahlkampfveranstaltung mit anderen Stars wie Julia Roberts Millionen-Spenden für Bidens Wahlkampf in Los Angeles gesammelt. Biden war damals vom G7-Gipfel in Italien direkt nach Hollywood gereist, um an dem glamourösen Event teilzunehmen. Zu der Veranstaltung schrieb der Schauspieler nun: "Er war derselbe Mann, den wir alle bei der Debatte gesehen haben." (Julia Naue, dpa/AFP/ank)
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