Am Freitag startete ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz in St. Pölten die Intensivphase seines Wahlkampfes. Mit Bier, Würsteln, guter Laune - aber ohne Inhalte.
Man muss schon wissen, dass es sich hier um eine politische Veranstaltung handelt, von einer Partei, mit einem Programm, das manchen Leuten schmeckt und anderen weniger.
Wer noch keine Ahnung hat, worum es Sebastian Kurz mit seiner neuen Volkspartei geht, wird es hier, am großen Platz vor der Landesregierung in St. Pölten, kaum erfahren. "Es ist Zeit“, steht auf Plakaten ringsum. Mehr nicht.
Die Farbe der konservativen Hoffnung: Türkis
Zu sehen gibt es ein Meer aus Türkis: türkise Oldtimer-Laster, aus deren Bauch heraus Würstel, Schwammerlgulasch und Bier verteilt werden.
Ein riesiges türkises Sonnendach, das leicht schräg über den Platz hängt. Kameraleute unter türkisen Schirmen, die die Menge filmen und Bewegtbilder davon auf große Leinwände werfen.
Die Videos zeigen türkise Luftballons und jubelnde Menschen mit türkisen Ansteckern. Eine blonde Mittvierzigerin im türkisen Kostüm. Ein kleines Mädchen in türkisem Jogginganzug.
Hin und wieder zeigen die Leinwände einen jungen Politiker beim Bad in der Menge. Diszipliniert schüttelt
Heimspiel für Sebastian Kurz
Am Freitagabend gibt es in St. Pölten eine Art inoffiziellen Auftakt für den Intensivwahlkampf des jungen Außenministers, der Bundeskanzler werden möchte.
Auftritte in Niederösterreich sind ein Heimspiel für Kurz.
Das bevölkerungsreiche Bundesland ist ÖVP-Kerngebiet, hier gibt es bei der Nationalratswahl die meisten Stimmen zu holen. Der frühere Landeshauptmann Erwin Pröll – die graue Eminenz der Volkspartei – war einer der stärksten Mentoren des heutigen Parteichefs.
Auch Prölls Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner will alles dafür tun, damit Kurz am Ballhausplatz einziehen kann. Hier in St. Pölten ist Kurz zu Hause, auch wenn er im nahen Wien zur Welt gekommen ist.
Es ist 18.45 Uhr. Noch sieht man den Spitzenkandidaten der Volkspartei nur auf der Videowand. Laut Programm hätte er schon vor einer Viertelstunde hier sein sollen, aber das stört keinen.
Aus den Lautsprechern trällern Katrina and the Waves, "I'm walking on sunshine“. Männer reiferen Alters in Trachtensakkos klopfen sich gegenseitig auf die Schultern, jüngere geben einander Fünf.
Rückkehr ins Kanzleramt in Reichweite
Nach derzeitigem Stand der Dinge ist den Konservativen der Sieg bei der Wahl am 15. Oktober kaum zu nehmen. In allen Umfragen liegt die ÖVP weit vor der SPÖ, die mit Christian Kern derzeit den Kanzler stellt.
Elf Jahre, nachdem Wolfgang Schüssel als Regierungschef abgewählt wurde, ist für die ÖVP die Rückkehr ins Kanzleramt in Reichweite. Es müsste schon etwas Außergewöhnliches geschehen, damit Kurz in sechs Wochen nicht vorne liegt.
Diese Gewissheit des Sieges steht den ÖVP-Fans hier am Landhaus Boulevard ins Gesicht geschrieben.
"Whatever you want, whaetever you need", rufen Status quo aus den Lautsprechern.
Kurz-App für's Handy
Von der Bühne streut Peter L. Eppinger, der frühere Ö3-Moderator, gekonnt Späße ins Publikum.
Dann führt er ein Interview mit Harald Hochedlinger, dem früheren Obmann der niederösterreichischen Landjugend. Was Hochedlinger zu Kurz einfällt? Der ÖVP-Funktionär spricht viel von Tradition und Werten, von dörflichem Zusammenhalt und Breitbandinternet.
"Für mich widerspiegelt Sebastian Kurz einen Politiker, den wir im ländlichen Raum brauchen", sagt der Endzwanziger. Dann erwähnt er, dass auch er sich die neue "Sebastian Kurz"-App auf sein Handy geladen hat.
Die App ist der neueste Schrei der Kurz-Kampagne, sie wird auf Handzetteln beworben. Wer sie installiert, muss sich per Facebook oder Mail-Adresse registrieren. Erst dann ist man Teil des Kurz-Universums, wird gefüttert mit Infos zu Wahlveranstaltungen und Sebastian-Kurz-Fotos.
Inzwischen ist die Liveband auf die Bühne gekommen, die "Wilden Kaiser", eine in der Region populäre Schlagerkombo aus dem Weinviertel.
Er wisse schon, sagt er, dass das Publikum diesmal nicht wegen der Musik, sondern wegen Kurz gekommen sei. Die Musik heizt die Stimmung trotzdem weiter an.
Schlagerhits und Freibier
"Seit ich dich kenne ist mir sonnenklar, du bist mein Superstar", singen sie. Es riecht nach Würstel mit Kren, es gibt Freibier aus Plastikbechern. Die Videowand zeigt erneut den Spitzenkandidaten beim Bad in der Menge. Dann ist er da, direkt vor der Bühne.
Im Nun bildete sich eine Traube von Menschen um ihn, Anhänger steigen auf Biertische, um mit dem Handy Bilder zu knipsen.
Andere halten Ortstafeln aus Pappe mit den Namen niederösterreichischer Gemeinden in die Höhe: Mistelbach, Hollabrunn, Lilienfeld. Sie hoffen auf ein Selfie mit dem Hoffnungsträger. Die "Wilden Kaiser" spielen den größten Hit von Nik P.: "Ein Stern, der deinen Namen trägt."
Moderator Eppinger holt Kurz auf die Bühne, für ein Interview. Woher der ÖVP-Spitzenkandidat die Energie für die vielen Auftritte nehme, möchte er wissen.
Der deutet auf die Menge. "Bei so einem Stärkezeichen schießt nicht nur mir die Energie ein." Seine Stimme ist schon heiser. "Gebt Gas, wir brauchen noch viel", ruft Kurz.
Was nun geplant sei, will der Moderator wissen. Er freue sich darauf, noch viele Leute zu treffen und vielleicht ein Bier mit ihnen zu trinken, erzählt Kurz. Der Spitzenkandidat mischt sich unters Volk. Als man ihm ein Bier reicht, hält die Kamera darauf. Von der Videowand prostet Kurz der Menge zu.
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