Bei der Nationalratswahl setzte ein Prozent der Wähler - rund 40.000 Menschen - das Kreuz bei GILT, dem Demokratieprojekt von Kabarettist und Schauspieler Roland Düringer. Den Einzug ins Parlament hat er damit nicht geschafft – in seinem neuen Kabarettprogramm "Der Kanzler“ bleibt Düringer trotzdem der Politik treu.
Es ist Tag eins nach der Wahl, und der Kanzler ist durch mit der Welt und mit der Politik. Er dachte, er sei auf der Höhe der Macht, am Gipfel seiner Karriere. Doch dann wurde er von den Wählern und seinen engsten Vertrauten fallen gelassen und verlor die Wahl.
Was nach einem durchaus realistischen Politikszenario klingt, ist der Inhalt von Roland Düringers neuem Bühnenprogramm, das am 17. Oktober - zwei Tage nach der Nationalratswahl - Premiere feierte. In der Satire "Der Kanzler“ spielt er acht verschiedene Rollen und analysiert den Wahlzirkus zwischen Dirty Campaigning, Seilschaften und Medienallmacht. Die Figuren sind fiktiv, die Zitate stammen allerdings mitunter von echten Politikern.
Mit GMX.at sprach Roland Düringer darüber, warum die Menschen lieber Brot und Spiele statt Inhalte wollen, wie es ist, wenn die Realität die Fiktion überholt und warum die Wähler nicht aus Fehlern lernen …
In Ihrem neuen Programm geht es um einen Kanzler, der die Wahl verliert. Das ist sehr passend, wenn man sich die Nationalratswahl ansieht …
Roland Düringer: Das ist immer passend. Gewinner und Verlierer wird es immer geben.
Die Frage ist: Warum sagen in Umfragen 75 Prozent der Bevölkerung, dass sie nicht mit der Regierung zufrieden sind und der Wahlkampf schrecklich ist – und am Wahlsonntag sagen 85 Prozent "Ja, wir wollen euch wieder.“? Das beweist, dass Politiker wissen, wie sie uns erwischen.
Wie erwischen sie uns?
Auf der emotionalen Ebene. Es geht nicht um Inhalte. Kleinparteien, die versucht haben mit Themen und Inhalten zu arbeiten sind bedeutungslos.
Die Menschen wollen das gegenseitige Schlechtmachen und sind enttäuscht, wenn zwei Politiker ein TV-Duell machen und nur über Inhalte reden.
Ist das auch der Grund, warum Sie sich für das neue Programm entschieden haben?
Ja. Bei allen meinen Programmen gibt es einen Menschen, der in einem System gefangen ist. Das ist sein Biotop, der Lebensbereich in dem er sozialisiert wurde – und er kommt aus dieser Blase nicht hinaus.
In "Der Kanzler“ geht es um einen Mann, der ein Player ist. Er glaubt, dass er alles richtigmacht – doch dann setzt er aufs falsche Pferd.
Ich beleuchte darin das System Politik. Das besteht aus den Machtinteressen, den Parteistrategen, den Medien und den Wählern. Dieses Biotop bildet den Rahmen für eine satirische Komödie, in der viele skurrile Figuren aufeinandertreffen.
Dirty Campaigning war das Thema dieses Wahlkampfes. Gibt es saubere Politik noch?
Dirty Campaigning ist nichts Neues. Schon bei den alten Römern musste man in der Politik den Gegner schlechtmachen – so funktioniert der Wettbewerb, aber auch das ganze Wirtschaftssystem.
Das alles ist ein einziges Dirty Campaigning: Man versucht so viel Raum wie möglich einzunehmen und in die Gefühlswelt der Menschen einzudringen, damit sie - wenn ein sie einkaufen oder wählen gehen - eine emotionale Entscheidung treffen.
Will das Volk eher Brot und Spiele als Inhalte?
Natürlich. Der Verstand möchte unterhalten werden. Wir sind in einer Spaßgesellschaft gefangen.
Das ist kein Phänomen der Moderne, die Werkzeuge haben sich nur geändert. Man schafft einen künstlichen Raum, an den alle glauben und bei dem alle mitspielen.
Wer nicht mitmacht, wird aus dem System ausgeschlossen. Da ist nicht viel Unterschied zwischen Menschen, die uns einen Fernseher verkaufen und denen, die uns Politik verkaufen – es sind Marketingmenschen, die wissen, wie die Psyche funktioniert.
Hat es früher mehr Inhalte in der Politik gegeben?
In der Zeit, in der ich aufgewachsen bin hat es nur zwei Hälften in Österreich gegeben: Rot und Schwarz – und man war entweder bei den einen oder den anderen. Dort hat man seine Versorgungsposten oder Gemeindewohnungen bekommen.
Die Entscheidung in der Wahlkabine hatte nichts mit Treue zu tun, sondern mit materieller oder ideologischer Abhängigkeit. Das ist jedoch am Zerbröseln, weil neue Mitbewerber kommen, die auch am Kuchen mitnaschen.
Dadurch muss man sich andere politische Strategien überlegen und auf die emotionale Ebene setzen. Deshalb spielen alle Parteien mit der Angst, nicht nur die Rechten.
Was das auch der Grund für Ihr Projekt GILT?
Ja. Aber das Problem ist: Das, was man kommunizieren möchte, kostet Millionen. Deshalb schauen die Parteien, dass sie beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Finger mit drin haben.
Alles, was im ORF geschieht, hat ein einziges Ziel: Die "Zeit im Bild“. Es geht den Parteien darum, in die Berichterstattung einzudringen. Und die Parteistrategen schauen genau wie viele Sekunden die Politiker vorkommen. Dann wird gleich angerufen und gefragt, warum der eine Politiker mehr vorkommt als der andere.
Das ist ein gemeines Spiel um Macht, deshalb habe ich GILT gegründet. Weil ich sehen wollte, ob wir wirklich so unkritisch sind, dass wir dieses Spiel nicht überreißen.
Heute, kurz nach der Wahl, muss ich sagen: Ja, sind wir. Die Menschen schimpfen über Rot-Schwarz – und dann gehen sie hin und machen wieder ihr Kreuz.
Was ist die Alternative?
Du hast eigentlich keine Wahl. Selbst wenn du daheim bleibst und nicht wählen gehst – denn auch dann hast du eine Wahl getroffen.
Die einzige Möglichkeit ist, dass man das Spiel mitmacht und eine Liste an den Start bringt, die sagt: "Wir spielen da aber nicht mit." Das habe ich mit GILT versucht.
Hat Sie der aktuelle Wahlkampf beim Schreiben beeinflusst?
Nein, das Programm war schon im Juni fertig. Das Verblüffende ist aber, dass ich da Sachen hinein geschrieben habe bei denen ich mir gedacht habe, dass das vielleicht etwas zu viel ist – und dann kam es in der Realität noch ärger.
Im Programm geht es auch um zwei Pressesprecher unterschiedlicher Parteien, die gemeinsam Entscheidungen treffen, weil sie alte Freunde sind. Das ist auch nicht weit hergeholt, wenn man sich Peter Puller und wie sie alle heißen anschaut.
Mein Programm spielt allerdings mit fiktiven Personen – es könnte in jeder Wertegemeinschaft funktionieren. Doch es geht nicht um Werte, es geht um Interessen.
Spielen Werte in der Politik keine Rolle mehr?
Das kommt auf die Größe der Partei an. Kleine Parteien wollen zuerst etwas verändern. Doch dann merken sie, dass sie bei gewissen Mechanismen mitspielen müssen, um etwas umsetzen zu können.
Wenn man Big Player ist, geht es um die Eigeninteressen der handelnden Personen. Ich glaube nicht, dass es am Sonntag, als kurz nach 17:00 Uhr die Wahlergebnisse verkündet wurden, einem einzigen Grünen, der im Parlament sitzt, um Umweltschutz gegangen ist – sondern nur um die Frage: Verliere ich jetzt meinen Sitz im Nationalrat?
Da geht es nicht mehr um die Gänseblümchen, sondern um ökonomische Versorgung. Es geht nicht darum, dass alle im politischen System schlecht sind, sondern, dass sie das Beste machen möchten, was das System braucht.
Welche Rolle spielt Verantwortung?
Gar keine. Jeder Politiker verwendet das Wort zwar oft und gerne, aber er muss letztendlich keine Verantwortung übernehmen.
Wenn etwas schiefläuft, sagt er: "Ich bedanke mich für das Vertrauen, dass Sie mir gegeben haben und bin jetzt Privatmann." Dann ist er gleich einmal Aufsichtsratsdirektor in den Casinos oder Präsident im Fußballbund.
Es kann ihnen nichts passieren, weil es von uns legitimiert wird. Der Handel ist ganz klar: Legitimiert uns das alles, dann werdet ihr fünf Jahre unterhalten.
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