ÖVP und FPÖ wollen demnächst mit Koalitionsverhandlungen beginnen. Die beiden Parteien haben ähnliche Programme, doch mit einer raschen Einigung ist nicht zu rechnen. Der Teufel liegt im Detail.

Mehr aktuelle News

Wird türkis-blau eine Liebeshochzeit? Oder doch eher ein pragmatisches Zweckbündnis?

Wie sich die Zusammenarbeit zwischen der FPÖ und der unter dem neuen Parteichef Sebastian Kurz nach rechts gerückten Volkspartei entwickeln wird, steht noch in den Sternen.

Fest steht bisher nur, dass beide wollen. Sowohl Kurz als auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache haben sich nun auf Koalitionsverhandlungen geeinigt.

Am Ende würde Kurz als Kanzler angelobt werden, Strache Vizekanzler und Innenminister.

Aber bis dahin müssen sich die beiden Parteien noch einigen.

Wohl wahr: Beide Seiten betonen, dass sie zu großen Teilen dasselbe wollen. Sowohl ÖVP als als auch FPÖ wollen die geltenden Regelungen für Zuwanderer und Asylwerber verschärfen, den Einfluss der Sozialpartner zurückdrängen und die Steuern senken.

In den Details unterscheiden sich ÖVP und FPÖ

Die Schnittmengen der zwei Parteiprogramme sind zweifellos groß. Dennoch könnte es sich im Detail spießen. Denn abseits der Inhalte handelt es sich um zwei grundverschiedenen Parteien.

"Die FPÖ will das System verändern. Die ÖVP hingegen ist das System", sagt Heimo Lepuschitz. Der heute unabhängige Strategieberater war jahrelang Pressesprecher von freiheitlichen Ministern unter der schwarz-blauen Regierung von Kanzler Wolfgang Schüssel.

Er kennt beide Parteien – und auch die Fallstricke einer Zusammenarbeit. "Die ÖVP muss sich bei grundlegenden Veränderungen in den eigenen Speck schneiden", sagt er.

Auch wenn Kurz dazu bereit sei, werde das nicht ohne Reibung mit den Bünden und Länderchefs abgehen.

Wo könnten sich die beiden Parteien schnell einigen? Und wo sind Konflikte vorprogrammiert? Wir haben uns einzelne Punkte im Detail angesehen.

Zuwanderung und Asyl

Hier gibt es in der Tat große Schnittmengen. Beide Parteien wollen die Mindestsicherung für anerkannte Flüchtlinge reduzieren und teilweise auf Sachleistungen umstellen.

Wie das funktionieren kann, zeigt sich in Oberösterreich, wo ÖVP und FPÖ bereits miteinander koalieren.

Das Land an der Enns könnte zum bundesweiten Vorbild werden. Auch auf eine Verstärkung der Grenzkontrollen dürften sich die zwei Parteien rasch einigen, ebenso wie auf mehr und schnellere Abschiebungen.

Heikel wird es hingegen bei zwei anderen Punkten: eine viel niedrigere "Obergrenze" für Asylanträge und eine Einschränkung der Personenfreizügigkeit. Zwar sind auch hier beide Parteien dafür.

Doch diese geplanten Maßnahmen würden mit hoher Wahrscheinlichkeit mit internationalem bzw. Unions-Recht kollidieren.

Riskiert die deklarierte EU-Partei ÖVP ein Vertragsverletzungsverfahren – allenfalls noch während der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs kommendes Jahr?

  • Konfliktpotenzial: mäßig

Außenpolitik

Geht es nach FPÖ-Chef Strache, dann sollte sich Österreich um eine Mitgliedschaft in der Visegrád-Gruppe bemühen.

Tatsächlich wäre die Alpenrepublik im Klub von Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei durchaus willkommen.

Die vier Ostblock-Länder eint die Ablehnung der liberalen EU-Flüchtlingspolitik, mit Österreich hätten sie einen weiteren Verbündeten gegenüber Brüssel.

Wirtschaftlich hätte Österreich von einer engeren Bindung an die ökonomisch abgeschlagene Visegrád-Gruppe freilich wenig zu gewinnen, außerdem würde sich das neutrale Land in seinen außenpolitischen Möglichkeiten beschneiden.

Denkbar ist eine Annäherung, aber keine Mitgliedschaft. Das hat Kurz vergangene Woche in Brüssel klar kommuniziert.

  • Konfliktpotenzial: mäßig

Strafrecht

Beide Parteien fordern ein Verschärfung im Strafrechtsbereich, vor allem bei Sexualstraftaten.

Das wäre in der Öffentlichkeit mehrheitsfähig und relativ leicht umsetzbar, ohne große finanzielle Hürden.

  • Konfliktpotenzial: sehr gering

Wirtschaft und Arbeit

Auch wenn beide Parteien grundsätzlich für Deregulierungen sind, lauern hier noch Fallstricke. Denn ÖVP und FPÖ vertreten unterschiedliche Wählerschichten.

Während sich die ÖVP der Wirtschaft verpflichtet fühlt, hat die FPÖ den Sozialdemokraten inzwischen den Rang als Arbeiter-Partei abgelaufen.

Die Freiheitlichen müssen auf der Hut sein, ihre Klientel durch eine Regierungsbeteiligung nicht zu verprellen.

  • Konfliktpotenzial: nicht unerheblich

Krankenkassen

Zwar sprechen sich beide Parteien grundsätzlich für die Zusammenlegung von Kassen aus.

Die FPÖ fordert das seit Jahrzehnten, während die ÖVP das erst unter Kurz in ihren Forderungskatalog aufgenommen hat.

Anzunehmen ist aber, dass die Volkspartei hier auf der Bremse stehen wird: Denn bei einer vollständigen Zusammenlegung wären auch ÖVP-Direktoren in den Länderkassen sowie zahlreiche Posten für Wirtschaftskammer-Vertreter futsch.

  • Konfliktpotenzial: nicht unerheblich

Sozialpartnerschaft

In seinen Plänen für die Machtübernahme innerhalb der ÖVP hat sich Kurz vor einem Jahr noch für ein Ende der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern ausgesprochen.

Diese Forderung hat es nicht in sein Wahlprogramm geschafft – denn das wäre eine offene Kampfansage gegen die Wirtschaftskammer, die vermutlich wichtigste Bastion der Konservativen im staatsnahen Bereich.

Die FPÖ hatte die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft erst zur Koalitionsbedingung gemacht, später hat Strache diesen Passus fallen lassen.

Die Freiheitlichen werden dennoch darauf drängen, die Beiträge für die Kassen deutlich zu senken.

Doch hier steht Kurz mit dem Rücken zur Wand: Wenn es ans Eingemachte geht, könnte dem konservativen Shootingstar ein heftiger Gegenwind aus den eigenen Reihen entgegen blasen.

  • Konfliktpotenzial: sehr hoch

Wie stehen also die Chancen auf eine Einigung? Experte Lepuschitz rechnet nicht mit einer allzu raschen Einigung.

"Der Teufel liegt im Detail. Aber ich denke dass es keine unüberwindbaren Probleme gibt, weil beide wollen."

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.