Heute findet in Österreich die Wahl des Nationalrats statt, bei der rund 6,3 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben können. Erste Hochrechnungen werden kurz nach Wahlschluss um 17 Uhr erwartet, das vorläufige Gesamtergebnis voraussichtlich nicht vor 23 Uhr. Die FPÖ hat erstmals die Chance, stärkste Kraft zu werden, während die ÖVP mit Verlusten rechnet.
Österreich wählt am heutigen Sonntag den Nationalrat neu. Rund 6,3 Millionen Österreicherinnen und Österreicher sind zu den Urnen gerufen. Die Wahl ist bereits in vollem Gang, seit 8 Uhr haben die meisten Wahllokale geöffnet. Das vorläufige Gesamtergebnis wird erst am späten Abend bzw. in der Nacht erwartet, laut Wahlbehörden voraussichtlich nicht vor 23 Uhr. Kurz nach Wahlschluss (17 Uhr) werden aber bereits die ersten Hochrechnungen Auskunft zum Wahlausgang geben.
Unterschiede bei den Öffnungszeiten in den Wahllokalen
Schon um 6 Uhr sperrten einige wenige Wahllokale in Niederösterreich auf, seit 8 Uhr kann man in den meisten der insgesamt 9.889 Wahllokale wählen. Wahlschluss ist in ganz Österreich spätestens um 17 Uhr, wobei man sich nur in Wien und in Großgmain (Salzburg) so lange für die Stimmabgabe Zeit lassen kann.
Früh Schluss - um spätestens 13 Uhr - ist in Vorarlberg. Abseits der Bundeshauptstadt Wien am längsten geöffnet haben die Wahllokale im niederösterreichischen Pernitz - und zwar bis 16.30 Uhr. Sonst ist - wie in den übrigen Bundesländern - auch in ganz Niederösterreich spätestens um 16 Uhr Wahlschluss. In zahlreichen Gemeinden gibt es auch kürzere Öffnungszeiten. Die komplette Liste ist auf der Webseite des Innenministeriums abrufbar.
Persönlich zu den Wahlurnen schreiten am Sonntag auch die Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der Parteien, die fast alle am Vormittag wählen wollten, ebenso Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Danach werden die meisten Kandidaten Zeit mit der Familie verbringen und sich nach Wahlschluss ins Medienzentrum im Parlament begeben, wo für ca. 18.15 Uhr die ersten Statements geplant sind.
Erwartete Zugewinne der FPÖ und Herausforderungen für SPÖ
Neun Parteien stehen österreichweit zur Wahl, in einzelnen Bundesländern treten noch weitere Kleinparteien an. Der Wahlausgang wird mit Spannung erwartet, immerhin deuten Umfragen auf einen politischen Umbruch hin. Denn erstmals bei einer Nationalratswahl hat die FPÖ die Chance auf Platz eins.
Diesen hatte bisher die ÖVP inne, die 2019 in der Ibiza-Skandal-bedingten Neuwahl mit 37,46 Prozent triumphierte - damals noch unter Ex-Parteichef Sebastian Kurz. Dessen Nachfolger, Bundeskanzler Karl Nehammer, muss sich laut den Erhebungen auf deutliche Verluste einstellen. Dennoch hoffte man bei der Volkspartei bis zuletzt auf die Verteidigung des ersten Ranges.
Die Freiheitlichen können laut den Meinungsforschern jedenfalls mit deutlichen Zuwächsen rechnen. 2019 rasselte die Partei in Folge des Ibiza-Skandals von Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache um satte 9,79 Prozentpunkte nach unten (auf 16,17 Prozent). Erklärtes Ziel von Parteichef Herbert Kickl ist Platz eins und die Kanzlerschaft.
Für die SPÖ geht es um die Frage, ob der im Juni 2023 erfolgte Wechsel an der Spitze zu Parteichef Andreas Babler die erhoffte Trendwende bringt. Bei der Wahl 2019 erlitt die Sozialdemokratie mit 21,18 Prozent (mit einem Minus von 5,68 Prozentpunkten) ihr Rekord-Negativergebnis. Umfragen legen ein etwas besseres Ergebnis als 2019 nahe.
Grüne, NEOS und Kleinparteien: Wer schafft es ins Parlament?
Die Grünen werden wohl ihr Rekordergebnis von 2019 (13,9 Prozent/+10,1) nicht halten können, laut Umfragen dürften sie sich mit Werten um die neun Prozent mit den NEOS um Platz vier matchen. Die Meinungsforscher sehen dabei die Liberalen im Vorteil. Die Pinken werden gegenüber ihren 8,10 Prozent aus 2019 aber wohl zulegen.
Ebenfalls in ganz Österreich auf dem Wahlzettel stehen die Bierpartei, die Liste Madeleine Petrovic, die KPÖ und die Liste "Keine von denen". Nur in einzelnen Bundesländern treten die MFG, die Liste GAZA und "Die Gelben" an, was deren Aussichten auf Erfolg deutlich schmälert.
Das Abschneiden der Kleinparteien könnte für die Frage möglicher Koalitionsmehrheiten der großen Parteien entscheidend sein. Denn sollten die "Kleinen" den Sprung ins Hohe Haus nicht schaffen, gemeinsam aber sieben Prozent der Stimmen oder mehr erhalten, so werden die Mandate für die größeren Parteien "billiger". Damit könnte sich neben der Mandatsmehrheit von FPÖ und ÖVP auch eine knappe Mandatsmehrheit zwischen ÖVP und SPÖ ausgehen. Laut Wahlforschern könnten dafür bereits 45 oder 46 Prozent der Stimmen ausreichen.
Wahlrechtsreform verzögert Gesamtergebnis
Lange warten heißt es voraussichtlich am Abend auf das vorläufige Gesamtergebnis - laut Wahlbehörde ist "nicht vor 23 Uhr" damit zu rechnen. Grund dafür ist die seit Anfang 2024 gültige Wahlrechtsreform. Anders als bisher wird nun am Wahlsonntag der Großteil der Briefwahlstimmen gleich mitausgezählt. Das und die Rekordzahl von 1.436.240 ausgegebenen Wahlkarten wird wohl mehr Zeit beim Auszählen in Anspruch nehmen. Bei der Nationalratswahl im Jahr 2019 waren es noch 1.070.933 Briefwahlkarten, bei der EU-Wahl im heurigen Juni 958.948.
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Ein Bild über den Wahlausgang liefern kurz nach dem Schließen der letzten Wahllokale um 17 Uhr wie üblich die Hochrechnungen, die auch bereits eine Prognose der (zahlreichen) Briefwahlstimmen beinhalten. Die Schwankungsbreite könnte anfangs bei etwa zwei Prozentpunkten liegen, wie Christoph Hofinger, der Leiter des Foresight-Instituts, das die Hochrechnungen für ORF und APA durchführt, schätzt. Einzelne Fragen könnten zu diesem Zeitpunkt eventuell noch offen bleiben, etwa die Platzierungen der Parteien oder die Frage, ob eine der kleinen Listen die Vier-Prozent-Hürde für den Nationalratseinzug schafft oder nicht. (APA/bearbeitet von dad)
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