Puls 4 brachte am Sonntagabend das erste Aufeinandertreffen der sechs Spitzenkandidaten von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen, NEOS und der Liste Pilz. In einer fahrigen, aber großteils gemäßigten Diskussion wurden das vorzeitige Ende der großen Koalition, die Türkisfärbung der ÖVP, die Flüchtlingskrise und Mietobergrenzen thematisiert.
Vorab: Der Sender Puls 4 gab den sechs Spitzenkandidaten bei der sonntäglichen "Elefantenrunde" für einzelne Repliken und Wortmeldungen jeweils nur eine Minute Zeit, was zwar einen flotten Schlagabtausch, aber auch eine gewisse Hektik mit sich brachte.
In jedem Fall wurde es bereits ab der ersten Sekunde heiß und mit Vorwürfen nicht gespart. Viele Äußerungen waren an Sebastian Kurz adressiert.
Bundeskanzler Christian Kern etwa warf Kurz vor, die Regierungsarbeit von Ex-ÖVP-Chef
Schwarzer Betonblock türkis angestrichen
Auch Peter Pilz meinte es schon zu Beginn nicht gut mit Kurz: "Wir hatten in der großen Koalition jahrelang einen schwarzen Betonblock, an dem jede Reformidee gescheitert ist.
Kurz verwies dann auf die Öffnung seiner Partei. So habe man etwa mit dem ehemaligen Rechnungshof-Präsidenten Josef Moser oder dem Ex-Grünen Efgani Dömnez sehr wohl neue Leute, meinte der ob der geballten Kritik etwas perplexe ÖVP-Chef.
Auch Spitzenkandidatin der Grünen, Ulrike Lunacek, ließ kein gutes Haar an ihm: "Wir wissen ja, dass er die Übernahme schon länger geplant hatte – und auch eine schwarz-blaue Koalition schon länger geplant ist."
Diese wolle sie verhindern, da die letzte Partnerschaft zwischen den beiden Parteien dem Land Österreich massiv geschadet habe. Nur NEOS-Chef
Uneinigkeit beim Thema "Erbschaftssteuer"
Beim Thema "Steuergerechtigkeit" wollten die Puls 4-Moderatoren Corinna Milborn und Thomas Mohr von den Kandidaten wissen, ob eine Erbschaftssteuer für sie infrage komme.
Strache, Kurz und Strolz verneinten dies, während
Auch Kurz ortet andere Probleme und sprach die Ausgaben für Flüchtlinge oder jene der 21 Sozialversicherungsträger an. Bundeskanzler Kern hingegen sieht die Erbschaftssteuer als Finanzierung für die Entlastung der Mittelschicht und kleineren Einkommen. Die seitens der Parteien ÖVP, FPÖ und NEOS genannten Milliarden-Einsparungen befand der Kanzler für völlig unrealistisch.
Pilz: ÖVP und FPÖ Parteien für Millionäre
Peter Pilz blieb bei seiner Schärfe: "Nach den Modellen von ÖVP, FPÖ und zum Teil den NEOS zahlen Millionäre, große Konzerne und Spekulanten keine Steuern", konstatierte er.
Den Vorschlag der ÖVP, Konzerne keine Gewinnsteuern mehr auf nicht entnommene Gewinne zahlen zu lassen, fand er auch abenteuerlich. "Herr Kurz, ich habe Volkswirtschaft studiert, sie haben ÖVP gelernt", so eine Spitze Richtung ÖVP-Chef.
Lunacek thematisierte die erstaunlichen Ähnlichkeiten in den Wirtschaftsprogrammen von FPÖ und ÖVP. Die beiden Partien hätten ja bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass "die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer" würden.
Thema "Sozialleistungen für Flüchtlinge"
Natürlich waren auch die Flüchtlinge Thema am gestrigen Abend. Milborn und Mohr wollten wissen, ob anerkannte Flüchtlinge die selben Sozialleistungen wie Österreicher bekommen sollten.
Strolz und seine NEOS sprachen sich dafür, Kern, Kurz und Strache dagegen und Lunacek und Pilz für ein "Jein" aus. "Das ist Teil unseres Grundrechtkatalogs", so Strolz.
Sei jemand an Leib und Leben bedroht, müsse man helfen, meinte der NEOS-Chef. Für Sebastian Kurz steht in dieser Frage die Hilfe vor Ort im Mittelpunkt. "Die Leute kommen schon heute nicht mehr aus ganz armen Ländern, sondern zum Teil aus bereits etwas entwickelteren", so der ÖVP-Chef, der die Mindestsicherung für Flüchtlinge gekürzt und innerhalb Europas die Attraktivität für Flüchtlinge gesenkt wissen will.
"Wien zum Beispiel ist in der Mindestsicherung attraktiv für Flüchtlinge", so kurz. Das sei ungerecht gegenüber Leuten, die ein Leben lang eingezahlt haben.
Ohne Integration geht's nicht
Und wie äußerte sich der Kanzler zur Mindestsicherung? "Die, die arbeiten, müssen natürlich mehr haben als jene, die nicht arbeiten", so Kern. "Jene Flüchtlinge, die da sind, werden auch bleiben. Das muss man den Leuten ehrlich sagen. Diese Menschen müssen sich auch entwickeln können."
Wer Deutsch lernt, Wertekurse macht, Arbeitstrainings macht, solle aber auch die Möglichkeit haben, mehr zu bekommen. Ein am gestrigen Abend eher zurückhaltender Strache wiederum erklärte in diesem Kontext die "Genfer Flüchtlingskonvention".
Flüchtlinge hätten demnach nur Asylrecht im ersten sicheren Land, in dem sie ankommen. Die Regierung hätte es 2015 aber einige Dinge versäumt, etwa Fingerabdrücke zu nehmen.
Strache: "Flüchtlinge haben nicht das Recht, durch sichere Länder zu reisen, um sich Wunschdestinationen wie Österreich, Deutschland oder Schweden auszusuchen."
Pilz daraufhin zu Kurz und Strache: "Wenn Sie den Flüchtlingen die letzte Sicherung wegnehmen, dann haben wir binnen kürzester Zeit polnische Verhältnisse, wo sie in Parks übernachten. So bekommen wir ein massives Sicherheitsproblem." Auch Kern hat diese Bedenken.
ÖVP, FPÖ und NEOS gegen Mietobergrenzen
Beim Thema "Mietobergrenzen" herrschte dann ebenso Uneinigkeit. Kurz, Strache und Strolz sprachen sich für ein deutliches "Nein", die anderen für ein klares "Ja" aus. "Die Einkommen sind nur halb so schnell gestiegen wie die Mieten. Junge Familien zahlen heute 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete. Das muss runter!", so Christian Kern, der sich stark für dieses Thema einsetzen will und der eine Mietsenkung von 20 bis 25 Prozent haben möchte.
Lunacek und Pilz schlugen hier in eine ähnliche Kerbe. Strache nicht. Ihn würden diese Deckelungen an "kommunistische Enteignungsfantasien" erinnern. Der FPÖ-Chef kritisierte, dass zu wenige soziale Wohnungen gebaut würden.
Sebastian Kurz hingegen beanstandete, dass auch Personen, deren Einkommen im Laufe der Jahre gestiegen ist, nach wie vor von Gemeindewohnungen profitierten, worauf Peter Pilz schlüssig konterte: "Herr Kurz, wenn nur mehr Menschen, die arm sind, in Gemeindewohnungen einziehen, wird in fünf Jahren nirgends mehr deutsch gesprochen. Wir brauchen soziale Durchmischung."
Thema "Digitalisierung": Maschinensteuer ja oder nein?
Beim Thema "Digitalisierung" wurde die Frage nach der Roboter- bzw. Maschinensteuer gestellt. Erneut sprachen Strache, Kurz und Strolz für ein "Nein" aus, während Kern und Lunacek sich eine solche wünschten. Pilz sieht im Kontext Digitalisierung "ein vollkommen anderes Problem ". Und zwar jenes, dass große, internationale Internetkonzerne in Österreich de facto keine Steuern zahlen würden, weshalb er eine "digitale Betriebsstätte" fordere.
Auch Sebastian Kurz sieht für eine solche eine Notwendigkeit. "Steuern müssen dort bezahlt werden, wo Gewinne gemacht werden", so der ÖVP-Boss.
Kern hingegen will die Finanzierung des Sozialstaats sicherstellen. "Wenn permanent der Anteil der Löhne sinkt und die Gewinne steigen, dann müssen wir die Wertschöpfung besteuern" so der Kanzler am gestrigen Abend.
Lunacek sah das ähnlich. Zudem wünsche sie sich österreichweit flächendeckendes Breitband-Internet. Strolz wiederum will "die Digitalisierung als Chance sehen, aber nicht die Augen vor den Risiken verschließen".
Als Bildungsminister würde er das Fach "Coding" in die Schulen bringen. Junge Menschen verbrächten viele Stunden pro Tag am Smartphone, weshalb er wolle, dass sie auch wissen, wie das Gerät funktioniere. Strache ortete die Problemzonen eher in den mangelnden Skills von Pflichtschulabsolventen und dem Fachkräftemangel. Der FPÖ-Chef forderte daher eine Lehrlingsoffensive.
Am Ende des Tages
Bundeskanzler Christian Kern kommunizierte am gestrigen Abend wiederholt – insbesondere im Rahmen der Diskussion um "Steuergerechtigkeit" und "Mietobergrenze" –, dass ihm die Mittelschicht und Kleinverdiener wichtig sind.
Sebastian Kurz bekam ob der Vielzahl an Kritik, die er einstecken musste, zwar jede Menge Zeit für Repliken, die Vorwürfe, seine Partei sei eine für Großverdiener, konnte er dabei nie so wirklich entkräften.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wiederum war stets bemüht, sich von Sebastian Kurz und dessen Programm abzugrenzen, kam aber – was natürlich auch der Kürze der Antworten geschuldet war – dabei nie so richtig in Fahrt.
Einer der Gewinner des Abends war vermutlich Peter Pilz. Nicht nur, weil er von Puls 4 überhaupt eingeladen wurde, sondern auch, weil er mit Angriffslust, Schmäh und nicht unwichtigen Zeigefingern punkten konnte. Seine einstige Parteikollegin Ulrike Lunacek wirkte im Vergleich dazu doch relativ blass. Und Matthias Strolz? Der war wie immer. Das kann man beständig, aber auch ein wenig langweilig finden.
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