Bundeskanzler Werner Faymann soll die neue Regierung bilden. "Zügige Verhandlungen" wünscht sich Bundespräsident Heinz Fischer. Mögliche Koalitionen gibt es viele - mit höchst unterschiedlichen Chancen.
Rein rechnerisch gehen sich nach der Nationalratswahl 2013 nicht weniger als 32 Koalitionsvarianten aus. Am wahrscheinlichsten ist eine Fortsetzung der Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP. Das freilich vor allem deswegen, weil viele Alternativen "realpolitisch kaum machbar" sind, wie Politikwissenschaftler Peter Filzmaier von der Donau-Universität in Krems erklärt. Eine Zusammenarbeit von FPÖ und Grünen sei ebenso wenig möglich wie trotz aller Debatten faktisch auch die Kombination von SPÖ und FPÖ. Das Team Stronach sei hingegen zu schwer einzuschätzen.
Das sieht Andreas Schwarz, ehemaliger Innenpolitikleiter und heutiger Außenpolitikchef des "Kurier", ähnlich: "Ich gehe davon aus, dass die sich zusammenraufen werden, weil die anderen Optionen de facto nicht vorhanden sind." Die SPÖ habe ja schon vor den Wahlen eine Koalition mit der FPÖ ausgeschlossen. "Und dabei bleibt sie, auch wenn sich einzelne Stimmen in der Partei für Gespräche mit den Freiheitlichen unter Bedingungen ausgesprochen haben."
Schwarz zufolge sind die beiden Parteien indes gar nicht so weit voneinander entfernt: "Die SPÖ ist inzwischen eine Seniorenpartei geworden, die Freiheitlichen sind eine Art neue Arbeiterpartei, die der SPÖ viele Stimmen weggenommen hat." Trotzdem seien "die Gräben zu groß. Diese Variante wird es nicht geben." Eine weitere Koalitionsvariante wäre ein Bündnis von ÖVP und FPÖ mit einem drittem Partner: "Auch das wird nicht zustande kommen, weil die ÖVP eine Europapartei ist und die FPÖ europakritisch."
Eine von den NEOS ins Spiel gebrachte Dreiervariante mit SPÖ und ÖVP hält Politologe Filzmaier für "geschickt gemacht - um vor allem medial im Spiel zu bleiben". Es bleibt die Frage, warum SPÖ und ÖVP darauf eingehen sollten, wenn es zu zweit für eine Mehrheit reicht. Dazu passt ein Vergleich von "Standard"-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid: "Das wäre so, wie wenn offiziell eine Geliebte eingebunden wird, die für mehr Schwung in einer eingefahrenen Beziehung sorgen soll."
Es war nicht alles schlecht an Rot-Schwarz
Trotz der verbreiteten Kritik - vor allem an der Kommunikationspolitik von SPÖ und ÖVP - sieht Schwarz positive Leistungen: "Die Koalition hat die Krise sehr gut bewältigt, die Regierung hat nicht schlecht gearbeitet." Österreich stehe top da, habe etwa im europäischen Vergleich die niedrigste Arbeitslosenquote. Bei Themen wie der Bildungsreform stockt die Zusammenarbeit. Um diese ebenso anpacken zu können wie das Thema Staatsfinanzen, bedürfe es einer "Entideologisierung" beider Seiten.
Eine solche hält Filzmaier für schwierig. Das Problem der Koalition seien ihre oft geringen Gemeinsamkeiten, weil eben eine Mitte-Links- mit einer Mitte-Rechts-Partei kooperieren müsse. Ideologie sei aber nichts per se Schlechtes, sondern das, was eine Partei als Gemeinschaft kennzeichne, "ansonsten hätten wir völlig austauschbare Wahlplattformen. Naturgemäß hätten sowohl eine Links- als auch eine Rechtskoalition mehr Übereinstimmungen - also SPÖ und Grüne oder ÖVP und FPÖ, was sich aber beides nicht ausgeht."
Gemeinsamer Sprecher - gemeinsame Politik?
Filzmaier fordert bei einer Neuauflage der großen Koalition neben einer guten Sachpolitik einen gemeinsamen Sprecher, der einen entsprechend großen Kommunikationsapparat zur Verfügung haben muss. Derzeit laufe die Kommunikation der Regierung "im besten Fall" über die Pressesprecher der einzelnen Ministerien. "Wie sollen zwei Stellen, die schon im Frühjahr 2014 beim EU-Wahlkampf geradezu die Aufgabe haben werden, gegeneinander einen möglichst scharfen Wettbewerb zu führen, eine gut koordinierte, positive Kommunikation für die Regierung gestalten?", fragt der Politikwissenschaftler.
Politikjournalist Schwarz erwartet einen Abschluss der Sondierungsgespräche bis Anfang November, Filzmaier hält diesen Zeitkorridor für zu lang: "Endlose Sondierungen als taktische Verzögerung würden nur gegenseitiges Misstrauen hervorrufen und das Verhandlungsklima verschlechtern."
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